Orden

[335] Orden (v. lat.), 1) ursprünglich jeder Verein, dessen Mitglieder durch gewisse Regeln u. Ordnungen (Ordines) miteinander verbunden sind; 2) Geistliche O., Vereine, durch ein feierliches Gelübde (Ordensgelübde) verpflichtet, nach einer bestimmten Regel zu leben. Als geistliche O. finden sich bei den Indiern die Fakirs, bei den Muhammedanern die Derwische, bei den Christen die Mönchs- u. Nonnenorden, namentlich des St. Augustin, St. Benedict von Nursia, St. Basil, St. Franz von Assisi, St. Pachomius, St. Anton, St. Paul etc.; 3) Geistliche Ritterorden, Vereine von Rittern, zur Zeit der Kreuzzüge im Heiligen Lande u. andern von Ungläubigen bedrohten Ländern, wie Spanien u. Preußen, zu dreifachem Zweck gegründet: für Hospitalität, geregelte Religionsübung u. beständigen Kampf gegen die Ungläubigen, nach bestimmten, vom Papst genehmigten Regeln, unter dessen Obergerichtsbarkeit sie auch standen. Daher ein Gemisch von Mönchs- u. Ritterthum, dem bei manchen O. auch die Frauen nach gleichen Regeln sich klösterlich anschlossen. Sämmtliche Ordensmitglieder theilten sich für die verschiedenen Geschäfte in: Ritter, Kapläne, dienende od. Waffenbrüder, so bes. die Johanniter, Deutschorden, Templer, Orden von Calatrava, Alcantara, S. Jago, Avis, Montexa (s.d.a.) etc. 4) Weltliche Ritterorden, als Nachahmung der geistlichen Ritterorden im 13. u. 14. Jahrh. zu bestimmten Zwecken u. nach gewissen Regeln gestiftete, durch eigene Insignien sich auszeichnende Vereine für Fürsten u. ritterliche Personen, ohne alle geistliche Gelübde; anfänglich Brüder- od. Gesellschaften od. Bunde (Fraternitates, Sodalitates, Foedera) genannt, von eigenen Vorständen regiert u. oft zur Verfolgung aristokratischer Zwecke benutzt, s. Rittergesellschaften. Bald setzten die Fürsten den Grundsatz durch, daß O. nur von Souveränen gestiftet werden könnten, u. fortan wurden die weltlichen Ritterorden ein Mittel für dynastische Zwecke, um den Adel an die Throne zu fesseln. So entstanden a) die großen O. für Souveräne u. Personen höchsten Ranges; b) die Hausorden, zunächst für die Mitglieder eines Fürstenhauses u. deren Diener; c) die O. der Hofehre, Gunstbezeigungen nach Willkür ertheilt; nach gleichen Verhältnissen d) die Damenorden, theils für Damen allein, theils auch für Herren. Mitglieder konnten nicht mehr nach eigenem Willen hier eintreten, sondern wurden von dem Ordenschef dazu ernannt. Nach dieser Form bildeten sich endlich e) die Ritterorden politisch-moralischer Tendenz. f) Die O. des Verdienstes, Zeichen des Lohnes für dem Staate od. Fürsten erwiesene vorzügliche Dienste aa) durch Waffenthaten (Militärverdienstorden), u. bb) für bürgerliche Tugend, treue od. ausgezeichnete Dienste, Wissenschaft, Erfindungen, vortreffliche Handlungen u. dgl. als Beamte, Gelehrte, Künstler, Staatsbürger (Civilverdienstorden), wobei in neuerer Zeit großentheils auch die frühere Hauptbedingung, Beweis des reinen Adels, wegfiel, u. wozu lediglich das Verdienst an sich Berechtigung ertheilen soll. Einige O. wurden nur für bestimmte Begebenheiten, namentlich Feldzüge, gestiftet u. dann nicht wieder ausgegeben, dazu gehören das preußische Eiserne Kreuz u. der hessische Eiserne Helm, welche nur für die Befreiungskriege in den Jahren 1813–15 bestimmt waren. Nur ein Souverän kann jetzt einen O. stiften; er allein vergibt ihn u. bestimmt den Inhalt seiner Statuten. Ist ein O. in Klassen getheilt, so werden die Mitglieder entweder nach der Klassenzahl unterschieden, od. sie führen den Titel Großkreuze, Commandeure od. Comthure u. Ritter. Die Zahl der Mitglieder eines O-s ist gewöhnlich unbeschränkt, wenigstens kann der Ordensherr da, wo eine festgesetzte Zahl ist, diese Vorschrift überschreiten. Alles, was die Angelegenheiten eines O-s betrifft, wird von einem Collegium besorgt, welches Ordenscapitel, Ordensrath, Ordenscommission heißt. Jeder O. hat seine Ordenszeichen (Decoration). Die dasselbe bildenden Kreuze haben fast sämmtlich die gewöhnlichen vier Arme, wenige führen sechs, die französische Ehrenlegion fünf, das gleichfalls französische Julikreuz nur. drei Arme. Die Großkreuze (Grand cordons) pflegen das Ordenszeichen in größerem Maßstabe als die gewöhnlichen Ordenszeichen an einem breiten Band (Ordensband) von bestimmter Farbe um die Schulter (meist über die rechte Schulter nach der linken Hüfte) u. außerdem noch einen gestickten Stern auf der Brust, Comthure um den Hals zu tragen; Ritterkreuze werden auf der Brust an einer Bandschleife getragen. Auch Devisen (s.d. 1) haben die O. Bei den älteren O. war u. bei den großen O. ist jetzt noch eine eigne Ordenskleidung vorgeschrieben, welche gewöhnlich sehr kostbar ist, aber nur bei Feierlichkeiten angelegt wird, dabei wird[335] das Ordenszeichen noch an einer Kette getragen. Ohne Erlaubniß des Regenten darf kein Unterthan fremde O. annehmen u. tragen. Fast jeder O. hat seinen Festtag (Ordensfest), welcher mit gewissen Feierlichkeiten begangen wird, wobei die Mitglieder in der Ordenskleidung erscheinen. Bei einigen O. wird ein vorgeschriebener Eid abgelegt. Zur Aufnahme in einige O. ist der adelige Stand od. die Nachweisung einer vorgeschriebenen Zahl Ahnen, od. das Bekennen des katholischen Glaubens etc. nöthig. Mehre O. geben den persönlichen Adel, den adeligen Rang verleihen die meisten. Käuflichkeit der O., wie vormals des Constantinsordens in Parma u. der Portugiesischen O., ist außer der Regel u. gegen die Idee der O., wogegen es O. gibt, wie der Johanniterorden, deren gewählte Mitglieder zu milden Zwecken Eintrittsgelder u. jährliche Beiträge bezahlen. Es gibt dagegen auch O., deren Inhaber jährliche Einkünfte beziehen. Ehrlose Handlungen, Feigheit als Soldat, Verletzung der Pflichttreue u. ähnliche Vergehungen haben den Verlust des O-s zur Folge. Nach dem Tode der Inhaber eines O. müssen die Hinterlassenen die Insignien an die Ordenscommission zurücksenden. Ehedem war es Gesetz, neben manchen O., z.B. dem Goldenen Vließ u. Hosenbandorden, keinen andern O. zu tragen. Eine Rangordnung unter sämmtlichen O. gibt es nicht, aber in der öffentlichen Meinung stehen das Goldene Vließ, das Hosenband, der Schwarze Adlerorden, der Marien-Theresienorden oben an. Der Rang der O. eines Landes ist meist festgesetzt. Die einzelnen Benennungen der O. s.u. dem Zusatzwort. Vgl. F. I. Sansovino, Origine di Cavalliere, Vened. 1583; Lonicer, Beschreibung der Römisch-katholischen Stände u. O., Frankf. 1585; Miräus, Origines ordinum equestrium, Antw. 1609; Fr. Mennonius, Deliciae ordinum equest., Köln 1613; Bruder Anselm, Palais d'honneur, Par. 1661; Bern. Justiniani, Historia chronol. ordinum, lateinisch u. italienisch, Ven. 1692, 2 Bde Fol.; Histoire des ordres milit. ou des chevaliers, Antw. Phil. Bomann, Catalogus ordinum equest. et milit. Rom 1711, 2. A. 1724; Rammelsberg, Beschreibung aller geistlichen u. weltlichen Orden in Europa, Berl. 1744, 10 Abthl.; Helyot, Hist. des ordres, Par. 1714–19, 8 Bde. (deutsch Lpz. 1753 f., 8 Bde.); Schwan, Abbildung aller geistlichen u. weltlichen O., Manh. 1770, 30 Hefte; Ambreville, Abrégé de l'hist. des ordres de Chevalerie, Par. 1807; Kuhn, Handbuch der Geschichte u. Verfassung aller blühenden O., Wien 1811; Wippel, Die Ritterorden, Berl. 1817–19, 2 Bde.; Gottschalk, Almanach der Ritterorden, Lpz. 1817–19, 2 Bde.; Kurt von der Aue, Das Ritterthum u. die Ritterorden, Merseb. 1825; v. Gelbke, Die Ritterorden u. Ehrenzeichen sämmtlicher Souveräne Europas, Berl. 1832–39, 10 Lief.; von Birkenfeld, Geschichte u. Verfassung aller geistlichen u. weltlichen, erloschener u. blühender Ritterorden, Weim. 1839–41, 2 Bde.; Buch der Ritterorden u. Ehrenzeichen, Brüssel 1848, n.A. 1854; Ackermann, Ordensbuch sämmtlicher in Europa blühender u. erloschener O. u. Ehrenzeichen, Annab. 1855. 5) Als im 17. Jahrh. die weltlichen Ritterorden allgemein wurden, kamen auch Ordensvereine zu andern Zwecken zu Stande; so zur Beförderung für Kunst, Wissenschaft u. Dichtkunst, wie der Pegnitzorden etc. Später wurde die Errichtung 6) geheimer O. Sitte, die entweder ihr Dasein, od. doch ihre Zwecke den Augen der Welt verbargen, od. abergläubische Zwecke, wie Geisterseherei u. Alchemie, unter dem Schleier des Geheimnisses versteckten. Dergleichen O. waren die Rosenkreuzer u. die Illuminaten. Auch 7) die politischen geheimen Gesellschaften, die seit der Französischen Revolution aufkamen, hießen O., so der Tugendbund, die Carbonari etc. Gleichzeitig mit der Stiftung dieser geheimen O. entstanden auf den deutschen Universitäten 8) die Studentenorden, s.d.; 9) so v.w. Ordenszeichen; 10) so v.w. Geistliche Weihe bei den Katholiken.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 335-336.
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