Carbonāri [1]

[684] Carbonāri (ital., d.i. Kohlenbrenner), geheime politische, um 1820 bes. im Königreich Neapel u. von dort aus in ganz Italien, selbst in Frankreich verbreitete Gesellschaft (Carbonaria), angeblich von Maghella, einem Genueser, Polizeimeister der Ligurischen Republik, dann Neapels, 1810–15 ausgebildet. Die C-s ahmten die Freimaurer nach u. nahmen Bilder u. Decorationen der Logen vom Kohlenbrennen; vielleicht hatte man den niedrigsten (Vorbereitungs-) Grad der französischen Freimaurer, die Charbonniers, im Sinne, wie sie denn die Johannisgrade der Freimaurer u. die höheren Grade der französischen Maurer mißbrauchten, um ihre Oberen u. Absichten stufenweise zu verbergen. Der Versammlungsort hieß Baracca, die Umgebung desselben der Wald, das Innere (die Loge) Vendita (Verkauf); die Hütten waren provinzweise in Republiken vereint, welche die alten Namen führten, wie OLucanien, WLucanien, Hirpinien, Daunien etc. Die Oberhütten (Alte vendite) zu Salerno u. Neapel suchten vergebens eine Oberherrschaft zu gewinnen. Sie hatte vier Grade; doch sind nur die zwei ersten bekannt, von denen der zweite den Namen Pythagoräer führte, im ersten nannte man sich gute Vettern. Sie mischten viel Religiöses in das Ritual u. verehrten den St. Theobald als Schutzpatron. Ihr Erkennungszeichen war I. N. R. I., d.i. justum necare reges Italiae (d.h. es ist recht, die Könige Italiens zu tödten). Der geheime Zweck der C. war Religionsfreiheit u. Vereinigung von ganz Italien unter Eine Regierung; wenigstens wurde er dahin 1815 geändert, da er vorher nur Befreiung von fremder Gewalt (Symbol: Vertreibung der Wölfe aus den Wäldern) gewesen war. In letzterem Sinne hielten es die C. Anfangs mit der zurückgekehrten alten neapolitanischen Regierung. Da diese aber keine repräsentative Verfassung annahm, so waren sie die Hauptursache der neapolitanischen Revolution 1820. Kurz zuvor u. nachher mehrte sich die Zahl der Mitglieder sehr, wie denn im März 1820 650,000 neue Mitglieder aufgenommen wurden. Die kleinste Stadt hatte ihre Venditas, u. in Principato citra zählte man deren 182. Trotz der allgemeinen Theilnahme war doch, als es zum Schlagen kam, die Wirkung der C., da Einheit u. Leitung fehlte, gering. Die österreichische Armee erklärte 1820 nach ihrem Einrücken nach Neapel alle C. für Hochverräther u. löste sie gänzlich auf. Im Kirchenstaate u. im nördlichen Italien wurden die C-s noch strenger unterdrückt, zum Theil zum Tode verurtheilt, in Österreich aber begnadigt u. die Führer auf den Spielberg nach Brünn geschickt. In Frankreich bestand die Verbindung der C. als Charbonnerie noch fort, nachdem sie in Italien bereits unterdrückt war. Ihre Organisation war eine der italienischen ähnliche, nur daß eine Venta nicht mehr als 20 bons cousins umfaßte. Der Sitz der höchsten Venta war Paris, außerdem bestanden daselbst einige 100 untergeordnete Venten. Die Zahl sämmtlicher C. in Frankreich wird auf 60,000 angegeben, u. zu ihnen zählten viele angesehene Männer, welche zwar nicht direct an dem Sturze der bestehenden Gewalten arbeiteten, aber doch die Mißstimmung des Volkes gegen die Bourbonen unterhielten u. nährten, bis 1830 die Revolution eine veränderte Parteistellung hervorrief u. die Charbonnerie ihrer tüchtigsten Führer beraubt, allmählig ganz erlosch. Zwar lebte dieselbe als Charbonnerie démocratique unter der Leitung von Buonarotti, Teste u. d'Argenson mit republikanischen Tendenzen noch eine Zeit lang fort, ohne indeß ihr Dasein besonders bemerkbar zu machen. Eine letzte Spur der Charbonnerie wurde noch 1841 im südlichen Frankreich entdeckt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 684.
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