Republik

[53] Republik (v. lat. Res publica, das Gemeinwesen, der Staat), bezeichnet im modernen Sprachgebrauch die Staatsform, in welcher die höchste Gewalt nicht unabhängig von dem Willen des Volkes od. eines Theils desselben in den Händen einer einzigen Person, des Monarchen, ist. Man nennt daher R-en auch Freistaaten, insofern in ihnen das Recht der höchsten Gewalt nicht mit dem Erbrecht einer herrschenden Dynastie zusammenfällt, sondern vom Volke selbst od. gewissen Klassen desselben Einem od. Mehren auf längere od. kürzere Zeit übertragen wird. Die republikanische Staatsform war bei den antiken Culturvölkern in Europa, den hellenischen Stämmen u. den Römern, zur Zeit ihrer Blüthe die herrschende; die modernen europäischen Staaten, welche zum größern Theile durch das Schwert gegründet wurden, haben fast durchgängig eine monarchische Grundlage; sowohl die Ausdehnung derselben als die Verschiedenartigkeit der Bestandtheile, welche sie einschließen, u. die damit zusammenhängende Durchkreuzung einander vielfach widerstreitender Interessen in ihnen machen die Monarchie sowohl zu einer natürlichen Folge als zu einem Bedürfnisse des modernen Staatslebens. Die republikanische Staatsform hat sich daher in der neuern Geschichte nur in verhältnißmäßig wenigen Fällen als lebenskräftig bewiesen; so z.B. in Venedig, in den Niederlanden nach ihrer Befreiung vom spanischen Joche, in der Schweiz, in den Nordamerikanischen Freistaaten, während die Englische Republik unter Cromwell u. die Französische nach der Revolution von 1789 u. 1848 der Monarchie bald wieder Platz machten u. in diesem Augenblicke, die Republik San Marino u. die Städte Hamburg, Lübeck, Bremen u. Frankfurt a. M. ausgenommen, nur in Europa noch die Schweiz eine republikanische Verfassung hat. Eine R. kann entweder einen mehr demokratischen od. einen mehr aristokratischen Charakter haben (s. Demokratie u. Aristokratie), je nach den Bestimmungen darüber, wer zu den verschiedenen Staatsämtern wählen u. gewählt werden kann; die Aristokratie beschränkt diese Rechte auf einen bestimmten Stand, welcher leicht in das Bestreben verfällt sich kastenartig abzusondern u. monarchisch zuzuspitzen; die reine Demokratie würde sich in der Durchführung des Grundsatzes der absoluten u. durchgängigen Gleichberechtigung aller Einzelnen vollenden, sie ist aber (engbegrenzte, einfache u. gleichartige gesellschaftliche Verhältnisse ausgenommen, wie sie z.B. lange Zeit in den Schweizer Urcantonen bestanden haben) in der Regel mehr Schein als Wahrheit, indem die große Masse immer von einzelnen geschickten u. einflußreichen Parteiführern geleitet wird u. ohne Gewaltsamkeit die natürlichen u. unvermeidlichen Unterschiede des gesellschaftlichen Einflusses sich nicht unwirksam machen lassen; demokratische R-en sind daher heftigen inneren Kämpfen u. Umwälzungen ausgesetzt, während aristokratische, wie Venedig u. Bern, eine verhältnißmäßig große Stetigkeit u. Zähigkeit besitzen können. Daraus, daß die Wahl des Staatsoberhauptes das äußerlich am meisten hervortretende Merkmal der R. ist, erklärt sich, warum z.B. das Königreich Polen nach seiner alten Verfassung mit seiner Königswahl eine R. genannt wurde; auch das ehemalige Deutsche Reich war eine Art Fürstenrepublik, indem das Recht den deutschen König zu wählen den Kurfürsten zustand. Insofern aber das Wesen der R. darin besteht, daß die öffentlichen Angelegenheiten nicht blos als Privatangelegenheit der herrschenden Dynastie u. des durch Erbgang zur Regierung berechtigten Monarchen, sondern wirklich als eine gemeinsame, dem Urtheil u. der Thätigkeit der dazu befähigten Mitglieder des Staates betrachtet u. behandelt werden, ist es keineswegs unmöglich, den echten Geist des Republikanismus, d.h. den Geist nicht blos der Theilnahme an den Rechten, sondern auch der Hingabe an die Pflichten des Staatslebens, mit der monarchischen Staatsform zu vereinigen. In diesem Sinn sagte Kant, der Republikanismus sei das Staatsprincip der Absonderung der ausübenden Gewalt von der gesetzgebenden. Die zweckmäßige Verbindung der stetigen, durch Wahlkämpfe u. durch die dabei fast unvermeidlich hervortretenden Parteistreitigkeiten u. Parteiintriguen nicht gefährdete Concentration der obersten Gewalt im Staate mit der Theilnahme des Volks an den öffentlichen Angelegenheiten ist die Aufgabe der constitutionellen Monarchie. Republikanische Bestrebungen, welche zuletzt nur auf die Befriedigung des individuellen Egoismus hinauslaufen, sind um nichts besser, als die übermächtige Willkür eines Einzelnen, u. haben nicht selten einen Despotismus an die Stelle des andern gesetzt; deshalb sagte Montesquieu, das Princip der R., d.h. die Bedingung, unter welcher sie wohlthätig wirken kann, sei die Tugend.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 53.
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