San Marino

[892] San Marino, 1) Republik in Italien, ist von den Delegationen Urbino u. Pesaro des Kirchenstaats[892] umschlossen u. umfaßt 18 QMiglien (= 4,5 geogr. QM.) mit 7800 Ew., der kleinste Staat Europas, ein durch die Apenninen gebirgiges, theils steiniges, theils fruchtbares (Getreide, Kastanien, Wein, Öl, Seide) Land mit den Flüssen Tamaro u. Calore; Salz u. Getreide werden aus dem Kirchenstaate zollfrei eingeführt. Die Ew. treiben Ackerbau, Viehzucht u. Gewerbe (bes. viele Steinmetzen u. Schuhmacher); Verfassung; Eine Volksversammlung (Aringo) von 300 Ältesten (Anziani) hat die Souveränetät. Die Regierung übte bis Sept. 1847 ein aus 60, zu gleichen Theilen aus Adel, Bürgern u. Landleuten gewählten Mitgliedern bestehender Ausschuß od. Rath, aus welchem ein Rath der Zwölfer erwählt u. der jährlich zu 2/3 erneuert worden war, dieser wurde im September 1847 in eine repräsentative Kammer (Camera dei reppresentanti) umgewandelt, deren Mtglieder von sämmtlichen Einwohnern gewählt werden u. deren Verhandlungen öffentlich sind. Die zwei Capitani regenti, von denen der eine die Stadt, der andere das Land beaufsichtigte, wechseln halbjährlich; der auswärtige Rechtsgelehrte (Commissär), der unter Beihülfe eines Fiscaladvocaten u. eines Kanzlers die Justiz verwaltet, kann nach dem gesetzlichen Triennium nur noch einmal bestätigt werden. Von den zwei Staatssecretären führt der eine die allgemeinen Angelegenheiten, welchem die Leitung der Geschäfte zusteht, u. der andere für das Auswärtige. Ein Magistrat, welcher ausübende Gewalt hat, wird aus Ausländern alle drei Jahre gewählt, eben so der Arzt der Stadt. Das Patriciat dieses Freistaats wird gewöhnlich Ausländern verliehen, so an Artaud de Montoe, Bunsen, Drouin de Lhuys, E. Thouvenel, Graf L. v. Lebzeltern, Lesseps u. A. Neben den Patriciern stehen die Bürger, gleichfalls meist Fremde, gegenwärtig 90 an Zahl. Einkommen: 6000 Scudi. Militär: as herrscht allgemeine Waffenpflicht vom 16. bis zum 60. Jahre; die Kriegsmacht zerfällt in die Wache (Guardia), aus einem Commandanten, mehreren Offizieren u., 24 Gemeinen bestehend, neun Compagnien Miliz, jede zu 140 Mann, einschließlich der Offiziere, u. in die Polizeimannschaft, welche der Kirchenstaat liefert, aber von der Republik bezahlt wird. Die meisten Offiziere sind lediglich Ehrenbeamte ohne wirklichen Dienst, da nach einer alten Sitte der Adel der Romagna die Farben der Republik, blau u. weiß, als Uniform trägt. Die Zahl aller zur Miliz Gehörenden beträgt 1500 Mann. Es besteht eine Ehrenmedaille für Verdienste im Kriege u. Frieden. Wappen: ein silberner Schild, darauf ein Berg mit drei Castellen (n. A. mit drei rauchenden Altären); Bildungsanstalten: ein von der Familie Beluzzi gestiftetes Collegium, womit ein Physisches Cabinet u. ein Observatorium verbunden sind, Elementarschulen gibt es in der Stadt S. M. u. in Serravalle, Landwirthschaftlicher Verein; 2) Stadt in der Republik M., auf einem Berge mit nur Einem Zugang, hat 3 Castelle (Thürme, mit 4 kleinen Kanonen), 5 Kirchen, 2 Klöster, alle Behörden des Staats, Collegium, 2 Elementarschulen (für Knaben u. Mädchen), eine Schule im Clarissenkloster, öffentliche Bibliothek, Weinbau, einigen Handel, Mangelan Trinkwasser; 1000 Ew., 3) Flecken südöstlich bei Rom im Kirchenstaate; Dom; 6000 Ew.

Gegründet wurde M. nach der Sage durch St. Marinus (s.d. 4), welcher im 4. Jahrh. auf dem Berge Titano eine Klause baute; um diese sammelten sich mehrere Religiosen, welche so einen Freistaat bildeten, der in den bürgerlichen Unruhen Italiens ziemlich ungestört blieb; doch beabsichtigte der päpstliche Legat Alberoni im 18. Jahrh. sie zu unterdrücken. Antonio Onofrivertheidigte M. 1796 gegen die Franzosen. Bonaparte bot der Republik 1796 Vergrößerung an, welche sie jedoch ausschlug, dafür aber um Frankreichs Schutz bat. Das Breve, in welchem der Papst Schutz zusagte, ist, in Marmor gegraben, an den Grenzen des Staats aufgestellt. Die innere Ruhe, deren sich M. von jeher zu erfreuen hatte, wurde in der neueren Zeit mehrfach gestört. So 1845 während der Unruhen in der Romagna, bes. in Rimini, bei welcher Gelegenheit die flüchtigen Insurgenten auf neutralem republikanischen Gebiete eine Zufluchtsstätte suchten, weshalb M. mit seinen Nachbarstaaten in so ernstliche Differenzen gerieth, daß selbst seine Existenz in Frage kam. Doch ging die Gefahr vorüber. 1847 betheiligten sich die Mariner an der allgemeinen Erhebung Italiens nicht weiter, als daß sie ihrer Staatsverfassung eine Umgestaltung gaben. Diese Veränderungen gingen jedoch auf friedlichem Wege vor. sich. Als 1851 M. die Zufluchtsstätte mehrer politischer Flüchtlinge wurde, welche namentlich von der päpstlichen Regierung verfolgt wurden, so verlangte dieselbe von der Republik Verbannung der politischen u. Auslieferung der gemeinen nach M. geflüchteten Verbrecher Die executive Behörde M-s erklärte sich bereit, diesem Begehr Folge zu leisten, hat aber um Beistand zur Ausführung dieses Entschlusses; daher rückten, auf Verwendung der päpstlichen Regierung, Ende Juni 1851 800 Österreicher von Ancona u. 200 päpstliche Gensdarmen u. Liniensoldaten aus Bologna in der Republik ein u. nahmen sofort die Flüchtlinge gefangen; die wenigen gemeinen Verbrecher wurden an die Gerichte des Kirchenstaates abgegeben, den politischen Verbrechern, 47 an der Zahl, Reste des Garibaldischen u. anderer Freicorps, wurden Pässe ins Ausland ausgestellt. Seitdem ist M. von weiteren Ruhestörungen verschont geblieben, auch hielt es sich bei den kriegerischen Ereignissen von 1859 u. deren Folgen vollkommen neutral.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 892-893.
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