Aristokrătie

[710] Aristokrătie (v. gr.), die Verfassung, nach welcher ein Staat von den Besten od. Tüchtigsten (ἄριστοι) regiert wird. Diese Tüchtigkeit in sittlicher Hinsicht ist stets nur in dem idealen Staate, wie bei Plato u. Aristoteles, gemeint worden; gewöhnlich galten als die Tüchtigsten zur Herrschaft u. Verwaltung entweder die, welche aus alten Geschlechtern stammten, od. welche durch Größe des Grundbesitzes sich auszeichneten (Adels-A.). Das ist auch noch jetzt der Begriff der A. Eine besondere Art der A. ist die Beamten-A., wo Ämter in gewissen Beamtenfamilien gewissermaßen forterben, wenigstens die Mitglieder solcher Familien den Vorzug vor Anderen erhalten. Die A. ist wenigstens im Princip, wonach jedem Staatsbürger jedes Staatsamt zugängig sein soll, in constitutionellen Staaten in Abgang gekommen. Die Oligarchie (von ὀλίγοι, Wenige) unterscheidet sich von der A. dadurch, daß in der A. alle Aristokraten zu den höchsten Staatsstellen aufsteigen können, dagegen in der Oligarchie nur die aus einer bestimmten Anzahl Familien, wie in Persien aus der Familie der Pasargaden. Wohl zu unterscheiden von der A. des Grundbesitzes ist die Timokratie, die A. des Census od. des Reichthums. Gewissermaßen gehört auch die Hierarchie (s.d.) od. Priesterherrschaft zur A. Der Aristokratismus, od. das Wesen u. die Herrschaft der A., tritt wohl in dieser od. jener Form in jedem wohlgeordneten Staate ein, ja in den Staaten, wo das constitutionelle System am meisten ausgebildet ist, wie in England, tritt die A. eigentlich am schroffsten hervor, indem fast nur den durch Geburt Bevorzugten u. den Begüterten möglich ist, in das Parlament od. die Kammern einzutreten. Jede gute Constitution muß es sich zur Aufgabe machen, daß nicht nur der Monarchismus od. bei Republiken die leitende Gewalt über die A. die Oberhand hat, sondern daß die A. u. der Gegensatz der A., die Demokratie (s.d.), sich die Wage halten. Das Zweikammernsystem sucht dies zu erlangen. Daher Aristokraten, Anhänger der A.; Aristokratisch, die Aristokratie betreffend, ihr geneigt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 710.
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