Kreuzzüge

[806] Kreuzzüge sind die seit Ende des 11. bis gegen Ende des 13. Jahrh. von den christlichen Völkern Europas zur Eroberung Palästinas unternommenen Heerzüge, so genannt von dem meist rochen Kreuze, welches die Teilnehmer an denselben, Kreuzfahrer, von Tuch od. Seide auf der rechten Schulter trugen. Die K. sind fast noch wendig aus der Gesinnung des Mittelalters hervorgegangen, aus jener sinnlichen Frömmigkeit, die sich an Örtlichkeiten so gerne hielt. Mögen auch irdische Motive diese Millionen von Menschen in das Morgenland geführt haben, weltliche Noch u. Begierde, romantische Lust u. abergläubische Hoffnung, dennoch bleibt ein mächtiger Zug des Glaubens übrig, ein Gedanke, der so Viele in die Ferne gerufen hat zu einem Tode für eine Idee. Zu dieser edeln Sehnsucht nach dem Heiligen Grabe u. Heiligen Lande kam dann noch ein realer, politischer Zweck, dem unterdrückte Christenthume im Morgenlande den Sieg u. Europa die Herrschaft über Asien zu verschaffen. Aber in die Geschichte er Ausbreitung des Christenthums gehören die K. nicht, darin haben sie wenig Erfolg gehabt, u. das ist auch ihre Absicht nicht gewesen. Sie waren ein großes welthistorisches Ereigniß; materiellen Gewinn haben sie nicht verschafft, aber tiefe Einwirkungen hervorgebracht u. große Erinnerungen hinterlassen. Über dem Grabe Jesu hatte Constantin der Große die Auferstehungskirche erbaut; seitdem galten die Wallfahrten dahin als verdienstlich u. wurden unter dem Schütze der Khalifen immer zahlreicher. Der Khalif Harun-al-Raschid gab Karl dem Großen den Schlüssel zur heiligen Grabeskirche, u. seitdem walteten die Frauken in Jerusalem vor. Als aber Palästina zu Anfang des ist. Jahrh. unter die Gewalt der Fatimiden kam, begannen harte Bedrückungen gegen die Pilger, bes. wüthete der Khalif al Hakem, welcher allen christlichen Gottesdienst untersagte u. die Kirche des Heiligen Grabes niederreißen ließ; u. wenn diese auch wieder aufgebaut wurde, so konnten die Christen doch ihre Erhaltung nur um vieles Geld erkaufen. Schon 999 hatte Papst Sylvester II. einen Ruf um Hülfe für das verwüstete Jerusalem an die Katholische Kirche erlassen, u. Gregor VII. wollte sich selbst an die Spitze eines Heeres zur Befreiung des christlichen Morgenlandes stellen, kam aber durch den Drang von Geschäften davon ab. Am Osterfeste 1065 hatten bei Kapernaum die Sarazenen christliche Pilger überfallen, waren aber zuletzt von ihnen vertrieben worden. Besonders begannen mit der Gründung des Seldschukkisch-türkischen Reichs in Asien (1078) für die Triften im Morgenlande Mißhandlungen u. Verfolgungen aller Art.

Erster Kreuzzug (1096–99). Peter von Amiens, der Eremit, machte 1093 ein: Pilgerreise nach Jerusalem u. glaubte sich dort durch Visionen zur Befreiung des Heiligen Landes aufgefordert. Mit einem Schreiben des Patriarchen Simeon von Jerusalem versehen, kam er 1094 zu Papst Urban II., u. dieser gestattete ihm, durch Italien u. Frankreich zu ziehen u. zu einem Heereszuge nach Jerusalem aufzufordern. Schon auf der Kirchenversammlung zu Piacenza im März 1095 gelang es, bes. auf die Darstellung der griechischen Gesandten, Viele zur Hülfleistung zu bewegen. Auf der Kirchenversammlung zu Clermont aber, im Novbr. 1095, predigte Urban II. selbst das Kreuz u. verhieß den Theilnehmern allgemeinen Ablaß u. jede Unterstützung, u. die ganze Versammlung rief begeistert: Deus le volt! (Gott will es), u. Gemeine u. Edle Fürsten u. Bischöfe, Männer u. Weiber nahmen das Kreuz, das alle Unterschiede aufhebe u. woran ein wahrer Jünger Christi erkannt werde, um in den heiligen Krieg zu ziehen, unter einem Kriegsherrn, bei welches der Sieg gewiß, der Lohn ewig u. der Tod ein Märtyrertod sei. Ein großer Komet stand am Himmel; Schwerter, blutige Wolken, Heere wollte man am Himmel gesehen haben; Karl der Große sei auferstanden, hieß es. Doch waren es nur die romanischen Völker, die von diesem Sturme ergriffen wurden, vielen Deutschen erschien diese Unternehmung noch ein Wahnsinn. So zog schon im Mai 1096 eine zügellose Schaar von 40,000 Mann Franzosen, Normännern, Flanderern, Lothringern, Briten, Spaniern u. Italienern unter Peter dem Eremiten u. Walther von Pexeio, genannt der Ritter ohne Habe od. Habenichts, an der Spitze, auf verschiedenen Wegen aus u. begann den ersten K. Constantinopel sollte der allgemeine Sammelplatz sein. Doch wurden diese undisciplinirten Horden von den Bulgaren u. Türken aufgerieben, ehe sie nach Constantinopel kamen, ebenso wie die 15,000 Mann des Priesters Gottschalk; u. die Schaar, die diesem nachfolgte u. schon in den rheinischen Städten ihre Mordlust an den Juden übte, schlugen die Juden todt. 300,000 Menschen hatte dieser Versuch gekostet. Endlich zog im Aug. 1096 das geordnete Heer, bestehend aus 600,000 Mann, hauptsächlich Niederländern, Franzosen u. Normännern, unter Gottfried von Bouillon, Raimund von Toulouse, Hugo von Vermandois,[806] Herzog Robert von der Normandie, Robert von Flandern, Stephan von Chartres, Bohemund von Tarent u. Tankred von Apulien, nach Palästina aus. Jeder sollte unabhängiger Anführer seines Haufens sein u. ein gemeinschaftlicher Kriegsrath, unter Beisitz des päpstlichen Legaten Ademar von Pup, den Zug leiten. Sie zogen durch Deutschland, nicht ohne Widerstand durch Ungarn, gingen über die Meerenge von Constantinopel u. begannen, nachdem sie den bösen Willen des byzantinischen Kaisers Alexios glücklich bekämpft hatten, 1097 die Belagerung Nikäas, damals Hauptstadt des Selbschukkischen Reiche in Bithymen, wo sich Kilidsch-Arslan, Sultan von Ikonium, ihnen entgegenstellte, aber in einer großen Schlacht geschlagen wurde; endlich in der siebenten Woche ergab sich Nikäa, aber an den Griechen Butumites, u. die Kreuzfahrer hatten umsonst gestritten. Nun theilten sich die Kreuzfahrer in zwei Abtheilungen u. wurden im September bei Doryläon von Kilidsch-Arslan überfallen, Gottfried von Bouillon kam der angegriffenen Abtheilung mit der seinen zu Hülfe, u. 30,000 Moslems sielen. Tankred eroberte nun Tarsos, Balduin, Bruder Gottfrieds von Bouillon, Malmistra. Letzter trennte sich, nachdem sich ihm Edessa freiwillig ergeben hatte, ganz von den Kreuzfahrern u. gründete die Grafschaft Edessa (s.d.), während Gottfried von Bouillon Antiochien belagerte, wo er viel durch die Ausfälle der Sarazenen litt; alle Stürme wurden abgeschlagen, bis die Stadt endlich durch eine List Bohemunds u. durch Verrath eines Renegaten den 26. Juni 1088 fiel; Kerbogha, Sultan von Mosul, der es zu entsetzen kam, wurde in einer großen Schlacht geschlagen. Aber bösartige Krankheiten, welche den Christen unzählige Menschen, unter ihnen den päpstlichen Legaten Ademar von Pup, hinrafften, Mangel u. Uneinigkeit der Heerführer verzögerten das Vorrücken so sehr, daß das Heer erst 7. Juni 1098 vor Jerusalem anlangte, nur noch 20,000 Mann stark. Lange lagen sie vor der Stadt u. warteten der Übergabe der Feinde. Endlich winde Jerusalem am 15, Juli 1099 erstürmt; 70,000 Muselmanen sollen erschlagen worden sein, das Heer zog unter heiligen Gesängen zur Auferstehungskirche. Jerusalem wurde nun zu einem christlichen Königreich erhoben u. Gottfried von Bouillon zum ersten König von Jerusalem ernannt, s. Jerusalem (Gesch.), doch nannte er sich selbst bis an seinen Tod (18. Juli 1100) nur ersten Baron u. Schützer des Heiligen Grabes. Der Khalif Moskali von Ägypten, welcher mit einem ungeheueren Heere zur Wiedereroberung Palästinas heranrückte, wurde 12. Aug. 1099 von Gottfried bei Askalon geschlagen, aber die Uneinigkeit unter den Fürsten des Kreuzheeres selbst drohte zum offenen Kriege zu führen. Die meisten Kreuzfahrer kehrten nach Europa zurück, nur Tankred blieb mit 300 Rittern dem neuen Königreiche zum Schutz zurück.

Zweiter Kreuzzug (1147–49). Die Nachricht von der gemachten Eroberung verbreitete einen ungeheueren Jubel über Europa, u. während, bes. von den Genuesen, K. zur See unternommen wurden, setzte sich 1102 ein neues Kreuzheer von 260,000 Menschen, unter der Anführung Welfs IV., Herzogs von Baiern, der Ida, Mutter des Markgrafen Leopold von Österreich, u.a. in Marsch, wurde aber 1102 in den Schlachten am Halys, bei Heraklea, Tarsos u. Ramla durch Kilidsch-Arslan u. Kerbogha gänzlich vernichtet; die Herzöge von Berry u. Burgund u. der Gras von Vermandois sielen, u. Ida kam in den Harem des Kerbogha. Doch eroberte König Balduin von Jerusalem, seit 1100 Gottfrieds Nachfolger, von Genuesen unterstützt, 1104 Ptolemais u. wurde so mächtig, daß er selbst Ägypten angriff; in der Nahe von Kairo starb er 1118. Einige nennen dies den zweiten Kreuzzug. Dieser begann aber nach der gewöhnlichen Annahme erst, als es 1144 den Sarazenen unter Emaeddin Zenkhi dessen Sohne Nureddin dem Gerechten gelungen war, Edessa zu erobern. Diese Nachricht verbreitete über ganz Europa Bestürzung. Papst Eugen III. beschloß einen neuen Kreuzzug, verordnete, daß die Schuldner, die in den Kreuzzug zögen, keine Zinsen zahlen sollten u. daß die Lehnspflichtigen ihrer Verbindlichkeiten gegen ihre Lehensherren enthoben seien, u. ließ durch Bernhard von Clairveaux das Kreuz predigen. Letzter bewog durch seine feurige Beredtsamkeit nicht nur den König Ludwig VII. von Frankreich, das Kreuz zu nehmen, sondern auch Kaiser Konrad III., u. zog so zuerst die Deutschen mit in die K. hinein. Das deutsche Heer bestand aus 70,000 gepanzerten Reitern u. brach 1147 durch Österreich, Ungarn u. die Bulgarei auf. Obgleich Konrad III. mit dem byzantinischen Kaiser Manuel Komnenos wegen des Durchzugs eine Übereinkunft traf, brach dieser doch vom Sultan bestochen, sein Wort, u. der größte Theil des Heeres wurde aufgerieben; Konrad kehrte nach Constantinopel zurück, die Flotte der Niederdeutschen half König Alfons Lissabon erobern. Aber dem später aufbrechenden französischen Heere erging es wenig besser; mit Mühe u. unter unsäglichen Anstrengungen kam es bis nach Tarsos. Hierher kehrte Konrad zurück, u. bald darauf trafen auch Niederdeutschen von Portugal ein. Beide Heere schritten hierauf zur Belagerung von Damaskus; allein Eifersucht u. Betrug machten, daß sie die Belagerung ausheben mußten. Kaiser Konrad III. u. Ludwig VII. lehrten 1149 mit den Trümmern Ihrer Heere, ohne etwas ausgerichtet zu haben, heim.

Dritter Kreuzzug (1189–92). Obgleich seit dem unglücklichen Ausgang des letzten Kreuzzuges die Christen in Palästina wieder große Widerwärtigkeiten erlitten, so wurde doch das Bestehen des in Jerusalem aufgerichteten christlichen Reiches nur durch die Streitigkeiten der türkischen Herrscherfamilien unter einander gefristet. Nureddin, welcher 1151 eine große Niederlage von Joscelin erlitt, bemächtigte sich ganz Edessas u. Antiochiens. Umsonst suchten die Könige von Jerusalem gegen den Sultan Saladin Ägypten zu retten u. im Abendlande Hülfe zu erhalten; man hatte den Eifer verloren. Saladin unterwarf sich ganz Borderasien u. Ägypten. Und als nun noch Rainold von Chatillon den mit dem Sultan geschlossenen Waffenstillstand verletzte, fiel nach der mörderischen Schlacht bei Tiberias Jerusalem am 3. Oct. 1187 in die Hände Saladins. Dieser Unfall verursachte im Abendlande die größte Bewegung, u. Papst Gregor VIII. ermahnte zu schneller Hülfsleistung u. bewirkte so den dritten Kreuzzug. Die Italiener, Normänner, Friesen, Dänen u. Flandrer eilten auf mehr als 100 Schiffen voraus. Ihnen folgte zu Lande der Kaiser Friedrich I., der mit 30,000 Mann durch Ungarn nach Constantinopel zog u. sich den Durchzug durch das Griechische Reich erzwang, auch 1189 bei Laodicea über den Sultan von Ikonium siegte u. die Stadt Ikonium einnahm, aber am[807] 10. Juli 1190 seinen Tod im Kalykadnos fand. Seine Treuen vermochten die nach dem Tode des Heerführers gelösten Bande nicht wieder zu festigen, sein Sohn, der Herzog Friedrich von Schwaben, führte die Reste des Heeres weiter u. begann die Belagerung von Akkon (Acre) od. Ptolemais. Hier traf am 13. April 1191 auch der König Philipp August von Frankreich mit seinem Heere zur See ein; Richard I. Löwenherz, König von England, welcher unterwegs erst die Insel Cypern dem griechischen Prinzen Isaak Krmnenos abgenommen hatte, kam etwas später an. Ptolemais wurde erstürmt, aber gegen 30,000 Christen waren durch 9 blutige Schlachten, durch Hunger u. Pest umgekommen, u. die Uneinigkeit der beiden Könige machte nach der Eroberung von Ptolemais weitere Fortschritte unmöglich. Philipp August gab Krankheit vor u. kehrte noch vor Ablauf des Jahres 1191 nach Frankreich zurück; dasselbe that auch der Markgraf Leopold von Österreich, dessen Fahne Richard Löwenherz von einem eroberten Thurme herabgerissen u. in den Koth getreten hatte, u. viele andere durch Richards Ubermuth beleidigte Fürsten. Indeß trieb Richard im August 1192 die Türken aus Jaffa u. erfocht, wieder von ihnen angegriffen, einen glänzenden Sieg über sie, u. Saladin schloß, da die Christen vor Jerusalem rückten, 1. Sept. 1192 einen Waffenstillstand auf 3 Jahre, kraft dessen die Küsten von Tyrus bis Jaffa u. das Land von der Küste bis Ramla u. Lydda den Christen verbleiben u. die Pilgrimme das Heilige Grab ungehindert besuchen sollten. Richard kehrte 1192 nach Europa zurück, u. Saladin st. 1193 im Besitz von ganz Palästina.

Vierter Kreuzzug (1217–1221). Mit dieser Zeit erlischt allmälig der Eifer u. die Begeisterung für die Idee, welche die Völker des Abendlandes zu dem Heiligen Grabe führte. Die Züge nach dem Morgenlande wurden mehr durch die Interessen der einzelnen Fürsten bedingt od. waren fast nichts als eigennützige Handelsunternehmungen. Die Unruhen, welche die Theilung von Saladins Herrschaft unter seinen Söhnen herbeiführte, wurden Veranlassung, daß Papst Cölestin III. einen neuen Kreuzzug predigen ließ. Obgleich der Kaiser Heinrich VI., mit Sicilien beschäftigt, nicht beitrat, betrieb er die Angelegenheit doch so eifrig, daß viele deutsche Fürsten u. Vasallen das Kreuz nahmen, u. 1196, während Heinrichs VI. Truppen von Sicilien zur See nach Ptolemais gingen, ein deutsches Heer unter dem Erzbischof von Mainz, dem Bischof von Würzburg u. And., zu welchem die Königin Margaretha von Ungarn eine Hülfsarmee stoßen ließ, zu Lande nach Palästina zog. Indeß blieb die Expedition ohne Erfolg, denn obgleich sie Berothah eroberte u. bei Joppe siegte, so wurde doch ein neuer dreijähriger Waffenstillstand, wobei vom Kreuzheere bloß Berothah eingeräumt wurde, abgeschlossen. Dessenungeachtet ließ Innocenz III. durch den Bußprediger Fulko von Neuilli 1198 zu einem neuen Kreuzzuge auffordern. An der Spitze dieses Kreuzzuges öfter der vierte genannt, aber, weil er sich nicht wirklich auf Befreiung des Heiligen Landes richtete, gewöhnlich gar nicht gerechnet, stand kein König, wohl aber eine Anzahl französischer u. italienischer Herzöge, unter ihnen Theobald von Champagne, Ludwig von Blois, Simon von Montfort, Matthäus von Montmorency, Balduin von Flandern, Bonifacius von Montserrat etc. Das aus 20,000 Mann bestehende Kreuzheer glaubte den Strapazen des Landweges nicht gewachsen zu sein u. erkaufte von dem venetianischen Dogen Enrico Dandolo die Überfahrt auf 50 Galeeren um 85,000 Mark Silber. Da aber die Kreuzfahrer nicht im Stande waren, eine so hohe Summe zu entrichten, so benutzte sie der schlaue Doge zur Eroberung der Stadt Zara in Dalmatien, um dort seine Macht zu begründen, u. bewog sie darauf, dem Prinzen Alexios, dem Sohn des entthronten griechischen Kaisers Isaak Angelos, zu Hülfe zu eilen. Trotz der Bannflüche des Papstes u. uneingedenk ihres Gelübdes, fuhren sie auf einer venetianischen Flotte unter Dandolo nach Constantinopel, eroberten es (1203) u. setzten den Prinzen Alexios u. dessen Vater wieder auf den Thron; aber von dem Kaiser verrätherisch behandelt, eroberten sie 12. April 1204 die Stadt zum zweitenmal für sich u. stifteten auf den Trümmern des Griechischen ein Lateinisches Kaiserthum u. mehrere Herzogthümer, s.u. Byzantinisches Reich II. D) Diejenigen Kreuzfahrer, welche von ihnen getrennt unter Simon von Montfort nach Palästina gegangen waren, fanden ihren Tod durch Seuchen. Für die Kreuzfahrer war die Errichtung des Lateinischen Kaiserthums nur insofern von Nutzen, als dadurch ein fester Punkt für den Landweg nach Palästina gewonnen war; deshalb forderte Innocenz III. 1215 von Neuem zum Kreuzzuge auf. Da sah man Schaaren von Kindern in Frankreich u. dem südwestlichen Deutschland unter Anführung von Priestern aufbrechen, welche, da Männer fehlten, den gefahrvollen Landweg nach dem Heiligen Lande einschlagen wollten (der sogenannte Kinderkreuzzug); ehe sie Constantinopel erreichten, waren sie den Strapazen unterlegen; andere, welche sich in Italien eingeschifft hatten, von den Capitänen als Sklaven an die Sarazenen verkauft worden. Da dachte Innocenz III., sich selbst an die Spitze eines Kreuzheeres zu stellen, doch erstarb vorher. Das Lateinische Kaiserthum, ohne Hülfe vom Abendlande gelassen, konnte den inneren Zerrüttungen u. äußeren Angriffen nicht widerstehen; 1261 wurde es von Michael Paläologos, Kaiser von Nikäa, gestürzt, s. Byzantinisches Reich II. E). Den fortgesetzten Bemühungen der Päpste gelang es endlich, daß der vierte Kreuzzug zu Stande kam. Papst Honorius III. forderte nämlich den König Andreas II. von Ungarn zu einem Kreuzzug auf, welchen derselbe auch in Begleitung der Herzoge Leopold VII. von Österreich, Otto von Meran u. anderer weltlicher u. geistlicher Großen 1217 unternahm, in Vereinigung mit den Königen von Jerusalem u. Cypern einige kleine Bergfestungen eroberte u. den von den Muhammedanern besetzten Berg Tabor angriff, aber, durch die Schwierigkeiten der Unternehmung bewogen, 1218 heimkehrte. Unterdessen waren 1217 auch die aus Norwegen, Dänemark u. Norddeutschland unter dem Befehl des Grafen Wilhelm von Holland vereinigten Kreuzfahrer auf einer deutschen Flotte aus der Nordsee ausgefahren, hatten unterwegs Alcazar in Portugal den Muhammedanern entrissen u. landeten 1218 in Sirien. Von hier aus griff Wilhelm in Vereinigung mit dem König Johann von Jerusalem u. den drei Ritterorden, den Deutschen Rittern, Johannitern u. Tempelherren, Ägypten an u. eroberte am 5. Nov 1219 Damiette. Auch machten in der Folge die Christen in Ägypten solche[808] Fortschritte, daß al Moadham, der Beherrscher von Ägypten, ihren 1221 vorteilhaft Friedensvorschläge that, das ganze Königreich Jerusalem bot u. noch 100,000 Goldstück zahlen wollte; Alle waren über die Annahme einig: als der päpstliche Legat, Cardinal Pelagius, sie verwarf, u. nun wurde das christliche Heer, welches zur Belagerung von Kairo fortrückte, durch Verstärkung der Feinde u. das Austreten des Nils genöthigt, einen nachtheiligen Waffenstillstand auf acht Jahre zu schließen, den König von Jerusalem, den päpstlichen Legaten, den Herzog Ludwig von Baiern u. And. als Geißeln zu lassen, Damiette zu räumen u. dem Sultan Malek el Kamel das ganze Land wieder zu übergeben (1221).

Fünfter Kreuzzug (1227–1243). Um so eifriger bemühte sich aber Papst Honorius III., den Kaiser Friedrich II. zu einem fünften Kreuzzuge zu bewegen. Der Papst gab ihm, nachdem schon bei seiner Krönung in Aachen 1215 das Kreuz genommen hatte, 1219 drei kurze Fristen zur Erfüllung seines Gelübdes u. drohte mit dem Bann. Friedrich II. bat um eine Frist bis 1221 u. schickte 10 Galeeren nach Damiette, welche aber den Verlust besiegen nicht zu hindern vermochten. Da der Papst drohete. kam man 1223 zu Ferentino zusammen, u. Friedrich II., welcher sich mit Jolante, Tochter Johanns von Brienne u. Erbin des Königreichs Jerusalem, vermählte, machte sich eidlich zum Zuge verbindlich. Nachdem er auch diesmal seinem Versprechen nicht nachgekommen war, schloß er 1225 mit dem Papst einen neuen Vertrag, nach welchem er, unter Annahme des Titels König von Jerusalem u. Auflegung einer besonderen Steuer für diesen Zweck. den Kreuzzug 1227 gewiß beginnen wollte. Honorius III. starb den 18. März 1227. U. Gregor IX. nöthigte den Kaiser sein Gelübde zu erfüllen. So versammelte sich das, bes. aus Engländern u. Deutschen, mit dem Landgrafen Ludwig IV. von Thüringen, bestehende Kreuzheer zu Brundisium, u. nachdem Krankheit noch Viele weggerafft hatte, segelte der Kaiser endlich den 15. Aug. 1227 ab, lief aber in Otranto ein, wo der Landgraf starb, Friedrich II. durch Krankheit zurückgehalten wurde u. nach drei Tagen heimkehrte. Obgleich er sich auf alle Weise vertheidigte, wurde er doch von dem Papst, der seine Krankheit für Verstellung hielt, wiederholt in den Bann gethan u. ihm, als er unbekümmert um den Bannfluch im August 1228 wirklich nach Palästina zog, es zum Verbrechen angerechnet, daß er sich als Excommunicirter in den heiligen Krieg mische. Ungeachtet der Papst Alles gegen Friedrich aufwiegelte u. selbst den Sultan Malek el Kamel aufforderte, dem Kaiser Palästina nicht zu überliefern, setzte Friedrich den Kreuzzug fort u. schieß, nachdem er Jaffa befestigt hatte, mit dem Sultan den 18. Febr. 1229 einen zehnjährigen Waffenstillstand, mich welchem der Sultan Jerusalem, Bethlehem, Nazareth, Sidon u. von da den Landstrich bis Ptolemais zurückgab. Der deutsche Ordensmeister billigte de. Vertrag, womit aber alle Anderen unzufrieden waren. Friedrich II. zog den 18. März 1229 triumphirend in Jerusalem ein u. setzte sich in der Auferstehungskirche selbst die Krone auf. Er ernannte Walther von Brienne zu seinem Statthalter. Von den Tempelherren mit Verrath bedroht, kehrte er wieder nach Italien zurück u. zwang den Papst, im Frieden zu San Germano 1230, ihn vom Bann loszusprechen u. des Kreuzzuges nicht mehr zu gedenken Vergebens ermunterte der Papst, bes. auf dem Concil zu Spolen 1234, zur Fortsetzung des Krieges; die Legaten brachten blos Geld zusammen. Nachdem 1239 den Christen Jerusalem wieder entrissen worden war u. selbst die Araber u. Türken bei den Christen Hülfe gegen die Mongolen suchten, traten 1240, obschon der päpstliche Gesandte in England abgewiesen worden war, Theobald I., König von Navarra (durch seinen Stellvertreter, den Connetable Amalrich von Montfort), Peter von Dreux, Graf von Bretagne u. dessen Bruder an die Spitze des französischen Adels u. führten 500 Ritter u. 40,000 Mann nach Ptolemais, sie wurden aber von den Mongolen größtentheils aufgerieben od. gefangen, u. der Graf von Brenne ging in sein Vaterland zurück. Graf Richard von Cornwallis, Bruder des Königs von England, welcher mit Verstärkung gekommen war, schloß mit dem Sultan von Ägypten einen Waffenstillstand, u. in Folge eines schon früher mit dem Sultan von Damast zu Staude gekommenen Hülfstractats wurden den Christen 1243 mehrere Plätze, darunter auch Jerusalem, wieder eingeräumt.

Sechster Kreuzzug (1248–1271). Noch einmal versuchte der Occident einen Kreuzzug Bon den Mongolen gedrängt, waren nämlich die Chowaresmier in Palästina eingefallen, hatten in Verbindung mit dem ägyptischen Sultan el Saleh bei Gaza die Christen geschlagen u. 1247 Jerusalem, Gaza, Askalon u. erobert. Der Patriarch von Jerusalem u. mehrere Bischöfe suchten bei den Bischöfen von Frankreich u. England Hülfe u. fanden Gehör. Ludwig IX. der Heilige, König von Frankreich, welcher m einer Krankheit einen Kreuzzug gelobt hatte, ließ sich durch die Kreuzpredigten Fulkos von Chateauroux gewinnen u. schiffte sich mit seiner Gemahlin Margaretha, drei Brüdern, vielen Großen u. Bischöfen u. 50,000 M. den 25. Aug. 1248 zu Aigues-Mortes ein, landete glücklich in Cypern, überwinterte dort u. beschloß, seinen Angriff gegen Ägypten zu richten. Durch Engländer verstärkt, erschien daher das französische Heer im Juni 1249 auf venetianischen u. genuesischen Schiffen mit 2800 Rittern an der ägyptischen Küste u. schlug Fakhr Eddin, welcher die Landung verhindern wollte. Während der Sultan Nedschem Eddin Ejub starb, nahmen die Kreuzfahrer den 5. Juni 1249 von Damiette Besitz u. drangen 8. Febr. 1250 in Mansura u. das feindliche Lager ein, wo der Bruder des Königs von Frankreich, Graf Artois, bei einem stürmischen Angriff auf die Sarazenen siel. Zwar behaupteten die Christen am folgenden Tage das Feld, allem Seuchen u. Hungersnoth schwächten ihr Heer so, daß man dem Sultan Turan-Schah, welcher seinem Vater aus den Thron gefolgt war, Frieden antragen u., da dieser verworfen wurde, den 5. April den Rückzug nach Damiette antreten mußte. Die Unterhandlungen des Grafen von Montfort wurden vereitelt, der König, nebst zwei Brüdern u. dem ganzen Heer den 6. April gefangen genommen u. ein zehnjähriger Waffenstillstand geschlossen, nach welchem der König gegen die Rückgabe von Damiette u. 400,000 Livres die Freiheit für sich u. die Gefangenen erhalten sollte. Nach 31tägiger Gefangenschaft kam der König den 8. Mai in Ptolemais an u. ging erst nach dem Tode seiner Mutter Blanka 1254 nach Frankreich zurück. Den 25. März 1267 begab[809] er sich wieder in das Parlament u. ermahnte von den päpstlichen Legaten unterstützt, zu einem neuen Kreuzzuge Zugleich ermunterte er andere Fürsten zur Theilnahme, u. Prinz Eduard von England, welchem er 30,000 Mark Silber dazu vorschoß, König Karl von Sicilien, Ludwigs Bruder, nebst vielen spanischen, schottischen u. englischen Großen nahmen das Kreuz. Am 1. Juli 1270 ging Ludwig unter Segel, um Tunis zu erobern; denn dazu war er von seinem Bruder Karl bewogen worden, welcher mit Sicilien auch die gegenüberliegende nordafrikanische Küste zu besitzen wünschte. Er eroberte zwar eine kleine Stadt u. das Schloß Carthago, aber eine Seuche raffte die Hälfte des Heeres weg, u. der König selbst starb den 24. Aug. 1270. Am nächsten Tage langte ein sicilianisches Hülfsheer an, Ludwigs Sohn u. Nachfolger, König Philipp III., setzte den Krieg gegen Tunis, fort, u. der Sultan Abu Abdallah wurde zum Frieden gezwungen (den 30. October 1271), in welchem er versprach, die Kriegskosten zu bezahlen, allen Christen freie Religionsübung u. den christlichen Kaufleuten freien Handel zu gewähren, auch an den König von Sicilien einen jährlichen Tribut zu entrichten.

Die Fürsten Europas waren durch das Mißlingen fast aller K. u. den Tod Ludwigs IX. abgeschreckt, ferner K. zu unternehmen, u. nur den Ritterorden der Johanniter, der Tempelherren, der Kreuzherren u. des St. Lazarus blieb es überlassen, die bisherigen Eroberungen zu erhalten, doch beschleunigte Eifersucht u. Uneinigkeit den Verlust des Gelobten Landes. Zwar belagerten die ägyptischen Sultane 1262 Antiochien ohne Erfolg, zerstörten aber schon 1263 das Kloster zu Bethlehem u. den Tempel zu Nazareth u. verbreiteten ihre Verheerungen über das ganze Gebiet von Akkon. 1265 eroberten sie Arsuf, 1266 das Castel Sophet, 1268 Jaffa u. Antiochien, 1271 Hasn-el Akrad etc. Nur kurze Zeit hemmten der mit Eduard von England errichtete Waffenstillstand u. die Einfälle der Mongolen die Fortschritte der ägyptischen Waffen. Zwar brachten die Tempelherren 1281 den Moslemen bei Markab eine Niederlage bei, allein nichts desto weniger wurde 1285 Markah u. 1288 Tripolis von den Ägyptiern erobert u. zwischen dem König Heinrich von Cypern u. dem Sultan Malek al Mansur ein zweijähriger Waffenstillstand geschlossen. Unverhofft forderte der Papst Nikolaus IV. zu einem neuen Kreuzzuge auf. Da der Sultan Kali die, wegen der in Ptolemais gegen den Waffenstillstand erfolgten Hinrichtung 13 arabischer Kaufleute verlangte Genugthuung nicht erhielt, wurde auch die letzte christliche Besitzung. Ptolemais, 18. Mai 1291 von dem Heere des ägyptischen Sultans Malek al Aschraf erstürmt u. geschleift, u. die letzte Eroberung der K. war verloren.

Obschon der Hauptzweck der K., Eroberung des Heiligen Landes, nicht erreicht u. das Leben von gegen 7 Mill. Menschen erfolglos aufgeopfert war, so hatten doch die K. den größten Einfluß auf die Cultur u. die politischen Verhältnisse Europas. Die allgemeine Begeisterung führte die Völker Europas in nähere Verbindung mit einander u. eine selbständige Entwickelung der Nationalitäten wurde vorbereitet. Die K. hatten Europa Gelegenheit gegeben, den Orient kennen zu lernen, u. einen reichen Zuwachs neuer Kenntnisse gebracht; das Ritterthum war zur äußersten Blume gestiegen, die geistliche Macht erhob sich über die weltliche, der Schifffahrt, dem Handel u. den Gewerben waren durch die Bekanntschaft mit dem Orient neue Wege gebahnt, die Städte erlangten durch die Abwesenheit des Adels u. den Gottesfrieden Macht u. Reichthum, die Klöster mehrten sich u. wurden zum Theil Krankenpfleganstalten, die Ritterorden (s.d.) nahmen dort ihren Anfang. Dagegen brachten die K. auch viel Übeles, Pest, Aussatz u. andere Krankheiten kamen aus dem Orient, Aberglaube u. abenteuerliche Kriegslust wurden befördert u. die Gewalt der Päpste stieg; das Leben der Geistlichen, welche zum Theil die Waffen geführt hatten, wurde roher u. verdorbener, dos Schisma zwischen der Griechischen u. Römischen Kirche schlimmer. Auch ist durch die päpstlichen Legaten, welche den Kreuzheeren beigegeben wurden, die Entstehung der Bischöfe in partibus infidelium veranlaßt worden.

Vgl. Albertus Aquensis, De passagio Gotofredi de Bullione et aliorum principum (geht bis 1121), herausgegeben von Reiner Reinerus, Helmst. 1584; Fulcherius, Gesta peregrinantium Francorum (bis 1124); Wilh. Syrius, Historianerum in partibus transmarinis gestarum; Jak. Bongars, Gesta Dei per Francos etc., Hannov. 1611, 2 Thle., Fol.; J. K. Maier, Versuch einer Geschichte der K. u. ihrer Folgen, Berl. 1780 f., 2 Bde.; Fr. Wilken, Geschichte der K., Lpz. 1807–32, 7 Bde.; Heeren, Versuch einer Entwickelung der Folgen der K. für Europa, Gött. 1808 (Historische Werke, 2. Thl.); J. C. L. Haken, Gemälde der K., Frankf. a. O. 1808–20, 3 Thle.; Regenbogen, Commentarius de fructibus, quos humanitas, libertas, mercatura etc. perceperint e sacro bello, Amsterd. 1809; K. W. F. von Funk, Gemälde aus dem Zeitalter der K., Lpz. 1821–24, 4 Thle.; J. Michaud, Bibliothéque des Croisades, Par. 1830, 4 Bde.; C. Mills History of the Croisades, Lond. 1820, 3 Bde.; J. Michaud, Histoire des Croisades, Par. 1812, 6. Aufl. 1840 ff., 6 Bde. (deutsch von F. H. Ungewitter, Quedlinb. 1827–32, 7 Bde.); H. von Sybel, Geschichte des ersten Kreuzzugs, Düsseld. 1841; Sporschil, Geschichte der K., Lpz. 1843.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 806-810.
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Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

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