Turan

[937] Turan, Collectivname für das Gebiet Asiens zwischen der Kirgisensteppe im Norden, dem Thian-Schan u. Belur-Tag im Osten, dem Hindukusch u. dem Nordrande Irans im Süden u. dem Kaspischen Meer im Westen, das Gebiet der Flüsse Amu- u. Sir-Darja zwischen: 36 bis 46° nördl. Br. u. 70 bis 91° östl. L. v. Ferro; etwa 36,000 QM.; zum größten Theile Tiefland, u. dieses zum größten Theil Wüste; nur der östliche, namentlich der südöstliche Theil Gebirgsland. Zu einem großen Theile liegt das Tiefland, welches westwärts mit der aralo-kaspischen Erdsenke in offenem Zusammenhange steht, noch unter dem Niveau des Meeresspiegels. Weite Flächen der Turanischen Steppe sind mit Kies, Seemuscheln od. Sand bedeckt, dabei reichlich mit Salz geschwängert, welches oft an die Oberfläche tritt, od. die Wasserlachen, Seen u. Steppenflüsse gesättigt hat. Culturboden nur in schmalen Streifen längs des Laufs der Flüsse; wo Bewässerung fehlt, bedeckt sich der Boden mit Salz- u. Stachelpflanzen. Das Klima trägt den continentalen Charakter: heiße Sommer, fast immer ohne Regen, der Winter streng, so daß es oft starkes Eis gefriert. Das weite Land zerfällt in, eine Anzahl Staaten, von denen Khokand, Derwaz; Pamer, Hissar, Khunduz, Bukhara u. Khiwa die hauptsächlichsten sind, über deren natürliche Beschaffenheit u. politische Lage das Nähere unter den einzelnen Artikeln nachzusehen ist. – Die Stellung des Tieflandes von T. zwischen Centralasien u. dem gerade hier offen liegenden Europa, die Lage der naturarmen Steppen neben üppigen Culturländern, haben von jeher seine geschichtliche Aufgabe bestimmt. Hier war von Alters her der Kampfplatz der cultivirten Völker des Südens (Iranier) u. Westens mit den nomadischen Barbaren des Nordens, hier der Zug der großen Handelsstraße zwischen dem mittlern u. östlichen Asien u. Europa, hier der politisch-mercantile Berührungspunkt umliegender Großstaaten. Von jeher hat T. Nomadenschwärme, denen die arme Heimath nicht genügte, über die Nachbarländer ausgeschüttet u. die große Uralo-kaspische Niederung wurde das Thor für die Völkerwanderung nach Europa. In uralter Zeit hatte hier das Zendvolk seinen Priesterstaat; hernach wurde das Tiefland hinter einander Bestandtheil des Persischen Reichs (Baktriana u. Sogdiana), der Monarchie Alexanders des Großen, der Staaten der Seleuciden; dann bestand hier (256–140 v. Chr.) ein selbständiges Baktrisches Reich. Das Neupersische Reich u. das Khalifat zählten T. zu ihren Provinzen. Bei der Zersplitterung des arabischen Weltreichs entstanden Herrschaften der Türken, welche schon seit Jahrhunderten in dem Lande sich ausgebreitet hatten u. nach denen es auch den Namen Turkestan (s.d.) trägt. Zweimal wurde die türkische Macht durch das Andringen der Mongolen vernichtet. Von 1227–1242 war T. der Mittelpunkt des Mongolenreichs Dschagatai (daher auch heute noch bisweilen mit diesem Namen belegt) unter dem gleichnamigen Sohne Dschingis-Khans, welcher in Bischbalig residirte; nach seinem Tode zerfiel das Reich, jede einzelne Provinz hatte ihren eigenen Khan, u. es soll einmal gleichzeitig deren 31 gegeben haben. Einer derselben, Schasuntu, führte um 1260 die Muhammedanische Religion ein, wodurch die Zerrissenheit des Landes noch größer wurde. Nachdem sodann 1360 Toglub Timur, als Nachkomme von Dschagatai, u. 1364 dessen Sohn Elias Khodschia vergeblich versucht hatten die Herrschaft wieder an sich zu reißen, wurde T. 1369 unter Timur, welcher in Samarkand residirte, der Kern des zweiten mongolischen Weltreichs. Da der Name Tataren, welcher eigentlich nur eine Abtheilung der Mongolen bezeichnete.[937] auch für das ganze Volkgebraucht wurde, hat T. von jenen Zeiten her den Namen der Großen od. Freien Tatarei (s.d.) erhalten. Seit dem 15. u. 16. Jahrh. hat der türkische Stamm der Usbeken sich der später in kleine Khanate zerfallenen Länder wieder bemächtigt. Noch jetzt bilden die Usbeken das herrschende Volk, welchem die Herrscherdynastien ausschließlich angehören.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 937-938.
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