Markgraf

[899] Markgraf (Marchio), ursprünglich Graf in einer mit. Besatzung versehenen Grenzprovinz zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit, bes. gegen die Einfälle unruhiger Nachbarvölker. Außer der Bewachung der Grenzen u. dem Commando der Besatzung war ihnen auch die Verwaltung der Gerichte anvertraut; sie standen unmittelbar unter dem Kaiser, andere auch unter den Herzögen, so hatte Thüringen Anfangs blos M-en (Duces s. Gomites limitis Sorabici) u. wurde zum Herzogthum Sachsen gerechnet, wie Österreich zum Herzogthum Baiern. Die ersten Spuren von M-n findet man in der Einrichtung Karls des Großen, daß er alle seine Staaten in Grafschaften theilte u. die an den Grenzen durch eigene Befehlshaber (Praefecti, Custodes od. Comites limitum) verwalten u. die Grenzen in beständiger Aufsicht erhalten ließ. Gegen die Araber legte er die Spanische Mark u. gegen die Avaren die Markgrafschaft Kärnten an (778). Als die Ungarn, Normänner u. Wenden durch ihre öfteren Einbrüche Deutschland zu beunruhigen u. zu verheeren anfingen, stiftete Heinrich I. aus den gemachten Eroberungen die Markgrafschaften Österreich, Nordsachsen (Brandenburg), die Ostmark (Ober-Lausitz), Meißen, Schleswig (928–31), wozu Otto I. noch Ostsachsen (Nieder-Lausitz) fügte (939). Schleswig ging ein, als die Eider wieder Reichsgrenze wurde (1028), dagegen kamen die Markgrafschaften von Mähren (1086) u. Baden (1130) an dessen Stelle. Manche andere erloschen durch die Standeserhöhung ihrer Inhaber, so waren unter den Ottonen u. den fränkischen Kaisern Österreich, Steyermark u. Krain noch Markgrafschaften, aber unter Friedrich I. u. II. erhielten die dasigen M-en die herzogliche Würde, wie früher schon die M-en von Kärnten zu Herzogen waren erhoben worden u. später die von Meißen u. Brandenburg Kurfürsten wurden. Als ihre Bestimmung aufhörte u. sie ihr Amt seit dem 12. Jahrh. erblich machten, wurden sie förmlich mit dem Markgrafenthum belehnt. Ihrer Würde nach standen sie über den Grafen u. unter den Herzögen u. hatten im Fürstencollegium eine Virilstimme, wenn sie nicht schon vorher zu einer höheren Würde, wie Sachsen (Meißen) u. Brandenburg zur kurfürstlichen, gelangt waren. Es gab geographisch bis 1806 in Deutschland 9 Markgrafschaften, nämlich Baden, Brandenburg, Ansbach u. Baireuth, Meißen, Lausitz, Mähren, Burgau u. Hochberg; der Titel erhielt sich am längsten im Hause Baden für die nachgeborenen Prinzen. Auch in Italien, Frankreich u. England gab es M-en, ihre Würde sankjedoch mit der Zeit, u. sie bilden jetzt dort als Marcheses, Marquis u. Marquesses, in der Mitte zwischen Herzog u. Graf stehend, den Übergang vom höheren zum niederen Adel.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 899.
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