Haus

[97] Haus, 1) ein zur Wohnung, Arbeit od. Versammlung der Menschen dienendes Gebäude, das nach seiner verschiedenen Bestimmung auch verschiedene Benennungen bekommt. Im Allgemeinen lassen sich diese Häuser eintheilen in: a) Wohnhäuser mit den verschiedenen dazu gehörigen Wirthschaftsgebäuden; b) Gewerbe- u. Fabrikgebäude, als: Schmieden, Mühlen, Spinnereien etc.; c) öffentliche Gebäude: Kirchen, Schulen, Universitätsgebäude, Gerichts- u. Rathhäuser, Börsen, Hospitäler, Gefängnisse, Schauspielhäuser, Bäder, s.d. a.; 2) so v.w. Hausflur; 3) die zu einer Familie gehörenden Personen; daher 4) so v.w. Geschlecht, od. auch Zweig eines Geschlechtes; 5) so v.w. Handelshaus; 6) die Abtheilungen der Landstände, so Herrenhaus, Abgeordnetenhaus; in England H. her Gemeinen, das Unterhaus des englischen Parlaments, s. Großbritannien (Geogr., Gesetzgebende Gewalt); 7) in Frankreich Anstalten, wo Kleriker od. Weltleute sich in die Einsamkeit zurückziehend, gemeinschaftlich leben, so H. der Einsamkeit in Montauban, s. St. Josephsorden; Häuser der Stille u. Einsamkeit, gestiftet 1664 von Ludwig Eudo Kerlivio in Vannes, für Kleriker aller Art, welche sich für einige Zeit dem Geräusch der Welt entziehen u. nach bestimmten Regeln frommen Betrachtungen obliegen wollten. Diesem Beispiel folgten später Weltleute aller Stände u. überließen sich den Übungen des St. Ignatius. Diese Anstalten fanden nicht nur Nachahmungen in sehr vielen Städten Frankreichs, sondern ein Fräulein von Francheville stiftete in Bannes 1667 eine ähnliche Anstalt für ihr Geschlecht, welche gleiche Verbreitung fand; in manchem Haus übten sich 3–500 Personen. Mit den Jesuiten verloren auch sie ihr Ansehen, tauchten unter der Restauration wieder auf, aber ohne nachhaltigen Anhang zu finden; Häuser der Zuflucht von St. Karl, gestiftet 1703 in Metz u. in einigen Städten Frankreichs nachgeahmt, für Zurückgezogenheit in einsames beschauliches Leben, Aufnahme Armer, Freischulen für Kinder, Verpflegung Kranker; erheben sich jetzt an einzelnen Orten wieder; 9) Astrologische Häuser (Dodekademoria), waren bei der sogenannten Nativitätstellung mit einem großen Amte bekleidet u. von den Sterndeutern auf folgende Weise bestimmt worden: man theilte den Äquator in zwölf gleiche Theile u. zog durch diese Theilungspunkte u. durch den Nord- u. Südpunkt des Horizonts eben so viele Kreise; durch diese letzteren wurde nun die Himmelssphäre in zwölf Theile, himmlische Häuser, zerlegt. Diese heißen: das erste Haus Horoskopus, das zweite Anaphora, das dritte Thea, das vierte Hypogäum, das fünfte Agathitychi (Bona fortuna), das sechste Kakilychi, das siebente Dysis, das achte Epikataphora, das neunte Theos, das zehnte Mesorania, das elfte Agathodämon (Eudämon, Bonus genius), das zwölfte Kakodämon. Das zweite, fünfte, achte u. elfte Haus hießen mit gemeinschaftlichem Namen Anaphoras Das erste Haus fing man an zu zählen von dem Morgenhorizont gegen den untern Theil des Mittagskreises. Es waren also stets sechs Häuser über u. eben so viel unter dem Horizonte. In sehr alten Kalendern finden sich Tafeln, um den Anfang eines jeden dieser Häuser leicht zu finden; sie führen die Überschrift Tempus a meridie. Ferner hieß Thema die Lage der zwölf Häuser gegen den Horizont eines auf der Erdoberfläche gegebenen Ortes für den Augenblick der Geburt eines Menschen, dem man das Schicksal aus den ersten der zwölf Häuser zu bestimmen hatte.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 97.
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