Carthago

[718] Carthago (Gesch.). C. wurde nach Einigen 50 Jahre nach Troja's Zerstörung von einem gewissen Tzeros od. Karchedon; nach Andern um 150 nach Troja's Fall; nach gewöhnlicher Sage 878 v. Chr. von einer phönicischen Königstochter, Dido (Elissa), gegründet u. zum Unterschied von der naheliegenden phönicischen Factorei (Utika) Karthachadtha (d.i. Neustadt) genannt, woraus die Griechen Karchedon, die Römer Karthago (denn so schrieben sie den Namen) machten. Nach der Sage kam Dido mit vielen Tyriern u. 80 auf Kypros geraubten Jungfrauen hierher u. hat die Einwohner, ihr ein Stück Land zu überlassen, welches mit einer Kuhhaut bespannt werden könnte. Als ihr dies gewährt war, ließ sie die Haut in ganz seine Riemen zerschneiden u. umzog damit ein großes Stück Land Nun ließ sie die Burg Byrsa (das Fell, daher die Sage von der Kuhhaut, während in der Wirklichkeit Byrsa nur eine griechische Verderbung des punischen Bozra [Burg] ist) bauen. Auf das Wachsthum der Stadt eifersüchtig, begehrte Hiarbas, König von Mauretanjen, Dido zur Gemahlin, um C. mit seinen Staaten zu vereinigen. Um ihn nicht zu heirathen, entleibte sie sich. Nach poetischer Fiction tödtete sich Dido aus Gram über die Treulosigkeit des Äneas, der zu Dido in das neugegründete C. gekommen u. von ihr geliebt worden sein, sie aber verlassen haben soll, s. Äneas. Früh sandten die Carthager Colonien aus u. bedeckten nach u. nach (700–600 v. Chr.) die Küsten von Nordafrika, von Südspanien u. die Inseln im Mittelmeere mit ihren Factoreien; Iviza, die Balearen, Corsica, wo sie mit den Etruskern in Verbindung kamen, Sardinien u. die Westküste von Sicilien wurde von ihnen besetzt. Himilko u. Hanno wurden um die Mitte des 6. Jahrh. v. Chr. in das Atlantische Meer auf Entdeckungen, jener nach Norden, Hanno gegen Süden geschickt u. gründete in Westafrika Colonien, wie Thymiaterium, Gytta, Akra, Melite, Arambe, auf der Insel Kerne u.a. Nach neuesten Untersuchungen ist es nicht unwahrscheinlich, daß carthagische Schiffe weit gegen Westen bis nach Mexico gelangten od. verschlagen wurden. Zur Beschützung ihres Handels u. ihrer Colonien rüsteten die Car. thager eine Kriegsflotte ans u. lieferten, um die Herrschaft auf dem Mittelmeere zu behaupten, mit den Etruskern den Phokäern das erste Seetreffen im Sardinischen Meere (536 v. Chr.). Seitdem wurde C. ein kriegerischer Handelsstaat, dessen Tendenz nach Alleinhandel u. ausschließlicher Meerherrschaft ging. Um ihrem Colonialwesen Sicherheit u. ihrem Handel Alleinvortheile zu verschaffen, schlossen sie mit Rom zwei Commerz- u. Handelstracte (344 v. Chr.), worin sie beide Male das östliche von C. liegende Promontorium Mercurii (j. Cap bono) als die Grenze von Roms Schifffahrt zur Bedingung machten. Zu gleicher Zeit erweiterten sie ihr Gebiet in Afrika u. befreiten sich von der Zinspflichtigkeit gegen die Eingeborenen. Ihr Krieg gegen Kyrene, dessen Wachsthum sie stets mit Eifersucht angesehen u. es daher feindlich behandelt hatten, wurde durch den Opfertod der Philäni (s.d.) geendigt. Sicilien reizte zunächst ihre Begierde, aber hier stießen sie auf die Griechen, u. [718] Syrakus widersetzte sich ihnen muthig; daher 480 bis 306 v.Chr. die 6 Sicilischen Kriege (s.d. 2), die mit abwechselndem Glücke geführt wurden. Bei dem letzten derselben kam König Pyrrhus von Epirus ins Spiel, u. C. verband sich gegen diesen mit den Römern, welches Bündniß jedoch das gegenseitige Mißtrauen beider Völker eher förderte als milderte. Im Verlauf des letzten Sicilischen Krieges hatte sich Bomilkar, im Einverständniß mit Agathokles, der Herrschaft in C. zu bemächtigen gesucht u. war mit 1500 Soldaten in die Stadt gedrungen; er wurde besiegt u. 308 auf dem Markte zu C. gekreuzigt. Um festen Fuß auf Sicilien zu behalten, mußten die Carthager suchen, die Römer von dieser Insel abzuhalten, deren Besitz hingegen diese nach der Einnahme von Tarent als Mittel zu neuen Eroberungen betrachteten. Hieraus entstanden die 3 Punischen Kriege; der erste derselben, 265 bis 241, drehte sich bes. um Sicilien; C. wurde besiegt, mußte Sicilien u. alle zwischen ihm u. Italien gelegenen Inseln räumen u. 21/2 Millionen Rthlr. zahlen, s. Punische Kriege. 240 brach der Libysche Krieg mit den, nicht nach Versprechen bezahlten Miethvölkern aus u. wüthete fast 31/2 Jahre lang im Herzen C-s, bis ihn Hamilkar Barcas dämpfte. 218–202 folgte der Zweite Punische Krieg, der in Spanien u. Italien mit großer Kraft u. von Seiten der Carthager, bes. unter Hasdrubal u. Hannibal, mit größtem Glück geführt, aber in Afrika durch die Schlacht bei Zama unglücklich für C. geendigt wurde, s. Punische Kriege. Durch den Frieden verlor C. alle seine auswärtigen Besitzungen, u. sowohl dadurch, als auch durch das Aufblühen von Rhodos u. Alexandria wurde sein Handel gelähmt. Beim Dritten Punischen Kriege, 149–146, fanden die römischen Consuln die tapferste Gegenwehr bei der Belagerung C-s, eroberten es aber unter Scipio u. zerstörten es 145 v.Chr., s. Punische Kriege. Die Zerstörung dauerte 17 Tage. 122 v.Chr. führte C. Gracchus eine Colonie, die erste außer Italien, nach C. u. ließ es wieder zum Theil aufbauen, doch wird dies von Mehreren bezweifelt, u. jene Colonisirung soll nur ein, an bösen Augurien gescheiterter Plan u. Vorschlag gewesen sein. Als Marius vor Sulla aus Rom fliehen mußte, suchte er auch in C-s Trümmern einen Zufluchtsort. Jul. Cäsar wollte C. wieder herstellen; doch erst Augustus schickte 3000 römische Colonisten hin, welche die Stadt in einiger Entfernung von der alten Stadt wieder aufbauten. Unter Marc Aurel brannte Neu-C. ab, wurde aber als Colonia Aurelia Carthago wieder aufgebaut. Die beiden Gordiane erhoben sie zur Hauptstadt ihres kurzen Reichs. Darauf wurde C. der Sitz eines Bisthums u. gedieh durch politische Ruhe, bis es 311 n.Chr. vom Kaiser Maxentius niedergebrannt wurde. In C. wurden im 4. u. 5. Jahrh. mehrere Concilien (Carthaginiensische Concilien) gehalten, deren wichtigste sind: 348 (349), zur Unterdrückung der Donatisten, gegen Wiedertaufe u. Erhebung der Selbstmörder zu Märtyrern; 397, wo Entsetzung der Geistlichen, die sich weltlichen Gerichten unterwürfen, beschlossen u. schon Apokryphen des A. T. zu den kanonischen Büchern gerechnet wurden; 412, wo des Pelagianers Cölestius Lehre verdammt wurde; 418, Verurtheilung der Pelagianer u. Verbot der Appellationen nach Rom, welches 419 in Angelegenheit des Apinarius gegen den römischen Gesandten Faustinus, 421 u. 425 wiederholt wurde. Die späteren Concilien zu C. waren beim Verfall der Afrikanischen Kirche unter den Arianischen Vandalen u. auch nach ihrer Befreiung von diesen nicht mehr von Bedeutung. Als die Vandalen Afrika 439 erobert hatten, erhob Genserich C. zur Hauptstadt des Vandalischen Reichs. Nach dem Sturze dieses Reichs durch Belisar 533 wurde von Byzanz zu ihrer Wiederherstellung viel gethan u. sie nach dem damaligen Kaiser Justiniana genannt. 647 wurde sie von den Arabern unter Hassan, Feldherrn des Khalifen Abdul Melik Ben Mervan, zerstört u. blieb seitdem in Trümmern liegen, von denen sich wenig bis auf die neueste Zeit erhalten hat, zumal im Mittelalter ganze Ladungen von Marmorblöcken von hier zum Bau anderer Städte, selbst nach Europa zum Bau christlicher Kirchen geschafft wurden, wie denn z.B. die Kathedrale von Pisa mit den Trümmern carthagischer Paläste u. Tempel verziert worden sein soll. In der Nähe erhob sich später Tunis; auf der Stelle des alten C. stehen jetzt die Dörfer Sidi Bou Said, el Mersa, Dowar es-Schat, Malga, Sidi Daud u. das Fort St. Louis (wo Ludwig der Heilige begraben ist). Besucht u. beschrieben wurden die Trümmern von C. in neuerer u. neuester Zeit: 1727 von Th. Shaw (s. dessen Beobachtungen über mehrere Theile der Levante, Oxf. 1738, Fol.); 1807 von Chateaubriand (s. den 3. Theil von dessen Itinéraire) u. von dem Dänen Falbe (Recherches sur l'emplacement de Carthage, Par. 1833); von Estrup (Lineae topographicae Carthaginis), Kopenh. 1821; von Dureau de la Malle (Rech. sur la topogr. de Carth., ebd. 1835); von dem Engländer Sir Greenville T. Temple (Excursions in the Mediterranean, Algier and Tunis, Lond. 1835, 2 Bde.); Geschichte der Republik C., Frankf. 1781, 2 Thle.; Fr. Münter, die Religion der Carthager, Kopenh. 1816, u.A. ebd. 1821, mit Kupfern u. Beil. dazu ebd. 1822, zweite Beil. ebd. 1826; A. F. Kopp, Bemerkungen über einige punische Steinschriften aus C., Heidelb. 1826.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 718-719.
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