Michael

[232] Michael (v. hebr.), Name, bedeutet: wer ist wie Gott? I. Engel: 1) Bei den nachexilischen Juden einer der sieben Erzengel, Vertreter u. Beschützer des Jüdischen Volkes u. als solcher in der jüdischen Mythologie dem Sammael gegenübergestellt; er soll auch mit Satan über den Leichnam Mosis, an welchem dieser wegen des an dem Ägyptier begangenen Mordes ein Recht haben wollte, gekämpft haben. Die Offenbarung Johannis stellt ihn mit dem Drachen (d.i. Satan) siegreich kämpfend dar, u. die Christen nahmen ihn später zum Schutzengel für ihre Kirchen u. feierten ihm das Michaelisfest (s.d.).

II. Fürsten. A) Kaiser: a) Byzantinische Kaiser: 2) M. I. Rhangabes, Anfangs Kuropalates unter Nikephoros I., Gemahl von dessen Tochter Prokopia, wurde nach dessen Tode mit Übergehung des Staurakios 811 Kaiser u. regierte bis 813, wo er von Leo V. gestürzt wurde u. mit seiner Frau u. seinen fünf Kindern ins Kloster ging; er st. 845 als Mönch; s. Byzantinisches Reich II. A). 3) M. II. Psellos, der Stammler, geb. zu Amorium in Phrygien; half Leo V. auf den Thron, glaubte sich nicht ganz belohnt u. machte eine Verschwörung gegen den Kaiser; des Hochverraths überwiesen, wurde er zum Feuertode verurtheilt, aber 820 nach Leo's Ermordung befreit u. auf den Thron gesetzt; er st. 829; s. ebd. Er war vermählt erst mit Thekla, dann mit Euphrosyne; sein Nachfolger war sein Sohn aus erster Ehe Theophilos. 4) M. III. der Trunkenbold, Enkel des Vor., Sohn des Theophilos, geb. 836, wurde nach dem Tode seines Vaters 842 unter Vormundschaft seiner Mutter, Theodora, auf den Thron erhoben u. regierte bis 867, wo ihn 24. Septbr. Basilius ermorden ließ. Von seiner Gemahlin Eudokia hatte er keine Kinder; sein Mörder folgte ihm, s. ebd. 5) M. IV. der Paphlagonier, früher Geldwechsler, Lieblingskämmerer der Kaiserin Zoë, nach Romanus' III. Tode 1034 deren Gemahl u. Kaiser; er regierte bis 1041, wo er abdicirte u. ins Kloster ging; er st. Ende 1041; s. ebd. II. B). 6) M. V. Kalaphates (so genannt von dem Geschäft seines Vaters, welcher Schiffe ausbesserte), Sohn des Stephanos u. der Maria, Schwester des Vor., folgte 1041 dem Vor., seinem Oheim, als Kaiser, regierte nur 4 Monate u. wurde dann vom Volk gestürzt, geblendet u. ins Kloster gesteckt; s. ebd. 7) M. VI. Stratiotikos (der Kriegerische), ein alter Soldat, wurde von Theodora zu ihrem Nachfolger 1056 erwählt, verlor aber 1057 die Krone durch Isaak Komnenos u. st. im Kloster, s. ebd. 8) M. VII. Parapinakes (so genannt, weil er bei einer Theuerung den Getreidepreis erhöhte u. das Maß verkleinerte), Sohn des Kaisers Constantin Dukas, folgte 1067 mit seinen Brüdern Andronikos u. Constantin unter ihrer Mutter Eudokia seinem Vater; er wurde 1078 vom Throne gestoßen u. in ein Kloster geschickt, s. ebd. II. C). 9) M. VIII. Paläologos I., Sohn des Andronikos Paläologos, wurde nach dem Tode des nikäischen Kaisers Theodoros Laskaris II. 1259 Vormund von dessen Sohn, Johann Laskaris, u. Regent, machte sich als solcher bei allen Klassen der Unterthanen beliebt u. wurde vom Volke 1260 zum Mitkaiser ausgerufen; er sah das Jahr darauf durch seinen Feldherrn u. Cäsar, Alexios Strategopylos, Constantinopel den Lateinern wieder entrissen, nahm daselbst seinen Sitz, vereinigte sich mit der Lateinischen Kirche u. verfolgte die Griechen; er st. 1282, s. Nikäa u. Byzantinisches Reich II. E); ihm folgte sein Sohn Andronikos II. 10) M. IX. Paläologos II., Enkel des Vor., Sohn von Andronikos II.; wurde von seinem Vater 1294 jung zum Mitregenten angenommen, befehligte erst in Asien, dann in Thessalonien u. st. 1320, noch vor seinem Vater. b) Kaiser von Trapezunt: 11) M., regierte 1344–1349, wo er abgesetzt wurde; s. Trapezunt (Gesch.). B) Könige u. andere Fürsten: a) Könige von Polen: 12) M. Thomas Koributh, Sohn des Woiwoden Wiesnio Wiecki, geb. 1638, ein Abkömmling der lithauischen Herzöge; wurde 1669 zum König gewählt u. st. 1673 in Lemberg (s. Polen Gesch.); er war ein sehr schwacher Fürst u. vermählt 1660 mit Eleonore, Tochter des Kaisers Leopold. b) Von Portugal: 13) M. Maria Evarist (gewöhnlich Dom Miguel), Sohn des Kaisers Johann VI. von Portugal u. der Charlotte von Spanien, geb. am 26. Octbr. 1802, Liebling seiner Mutter, wurde er unter deren Leitung u. nach deren politischen u. religiösen Ansichten erzogen u. war ein entschiedener Gegner des constitutionellen Princips, das nach seiner u. seiner Familie Rückkehr 1821 aus Brasilien, wohin er seit der Invasion der Franzosen in Portugal 1807 geflohen war, die Oberhand bekam. Er stiftete daher 1824 eine Verschwörung gegen die von seinem Vater begünstigte Constitution, u. fast wäre der Anschlag geglückt, da bereits einige tausend Mann Truppen für M. gestimmt waren u. die Person des Königs sich in den Händen der Verschworenen befand: als der französische Gesandte, Hyde v. Neufville, welcher an der Spitze des diplomatischen Corps sich Zugang zu dem König verschaffte u. von[232] diesem die Versicherung erhielt, daß Alles ohne sein Wissen geschehen sei. Der König begab sich an den Bord eines im Tajo liegenden englischen Schiffes, die Königin u. M. wurden verbannt, u. Letzter schiffte sich am 14. Mai nach Nantes ein, von wo er nach Wien ging, wo er mehre Jahre lebte. Nach seines Vaters Tode, 1826, gab Kaiser Dom Pedro von Brasilien durch Decret vom 3. Juli 1827 seiner Tochter Donna Maria da Gloria den Thron von Portugal u. bestimmte, daß M. die Königin, seine Nichte, heirathen, dabei aber die Constitution aufrecht erhalten sollte. M. kam nun nach Lissabon, leistete den Eid auf die Constitution u. übernahm als Regent die Regierung, aber nach wenigen Tagen hob er die Constitution Dom Pedros auf, erklärte sich durch Decret vom 30. Juni 1828 zum König u. regierte ganz souverain, fand aber von keiner europäischen Macht, außer von Spanien, Anerkennung als König, worauf seine Braut Donna Maria da Gloria, welche schon nach Lissabon unterwegs war, auf die Nachricht von dem Vorgefallenen gar nicht landete, sondern über London nach Rio Janeiro zurückkehrte; 1832 machte Dom Pedro eine Contrerevolution, u. M. wurde endlich unter englischer Mitwirkung gestürzt u. verpflichtete sich in Folge der Übereinkunft zu Evora-Monte vom 26. Mai 1834, Portugal zu verlassen, s.u. Portugal (Gesch.). Er schiffte sich am 1. Juni auf einem englischen Kriegsschiffe in Sines ein u. ging über Genua nach Rom, lebte dort einige Jahre, vermählte sich den 24. Sept. 1851 mit der Prinzessin Adelheid von Löwenstein-Wertheim-Rochefort (Rosenberg, geb. 1831) u. lebt seitdem meistens auf der Löwensteinschen Besitzung Heubach bei Miltenberg; seine Descendenz s.u. Portugal (Geneal.). c) Großfürsten u. Czare von Rußland: 14) M. Jurjewitsch, Sohn des Großfürsten Juri (Georg) I. von Rußland; sollte seinem Bruder Andreas nach dessen Ermordung 1174, nebst beider Bruder Wsewolod, eigentlich folgen, wurde aber von ihren Neffen, Rostislaw, Mistislaw u. Iäropolk, aus Wladimir vertrieben; 1175 schlug er, von den Wiadimireru unterstützt, seine Neffen entscheidend u. nahm von dem Thron wieder Besitz, starb aber schon 1176. 15) M., Sohn Wsewolods des Rothen, Fürsten zu Tschernigow; wurde von seinem Vater 1207 zum Fürsten von Perejaslaw eingesetzt, jedoch bald wieder vertrieben u. folgte später seinem Vater in Tschernigow, wurde 1225 Fürst von Nowgorod, dankte aber hier bald wieder ab, um nach Tschernigow zurückzukehren; 1226 wurde er wieder Fürst von Nowgorod, aber bald wieder vertrieben. 1239 gelangte M. zum Besitz von Kiew u. trat Tschernigow an Mitislaw Glejowitsch ab; als er 1245 zum Tatarkhan Batu ging, um demselben zu huldigen, wurde er in dessen Lager enthauptet, weil er sich weigerte, ein Götzenbild anzubeten. 16) M. Jaroslawitsch, geb. 1271, Sohn des Großfürsten Jaroslaw III. von Wladimir; wurde Fürst in Twer, 1304 selbst Großfürst u. 1317 im Lager des Tatarenkhans Usbek hingerichtet, weil er verdächtig war, seines Bruders Georg gefangene Gemahlin, die Tochter Usbeks, ermordet zu haben, s. Russisches Reich (Gesch.). 17) M. Fedorowitsch Jurief Romanow, der erste aus dem Hause Romanow, geb. 1596, Sohn Fedor Nikititsch Romanows, wurde wegen seiner Abstammung von einer Tochter des Czaren Iwan Basilowitsch 1613 in Moskau zum Czar erwählt u. regierte bis 1645, wo er starb; s. Russisches Reich.

III. Prinz: 18) Großfürst M. Paulowitsch, Sohndes Kaisers Paul I. von Rußland u. der Maria, geb. 28. Jan. (8. Febr.) 1798; machte mehre Reisen durch Italien, Frankreich, England etc. In dem Aufstand einiger Garderegimenter Ende 1825 in Petersburg zeichnete er sich durch Muth u. Besonnenheit aus, u. nebst den Anstrengungen seines Bruders, des Kaisers Nikolaus, war ihm hauptsächlich die Dämpfung dieses Aufstandes zuzuschreiben. Er wohnte 1828 als Chef des russischen Ingenieurcorps einem Theil des Türkenkrieges, namentlich der Belagerung von Braila bei, mitwelcher Festung er auch in der Nacht vom 18719. Juni die Capitnlation schloß. Auch an dem Kriege gegen den polnischen Aufstand nahm er persönlich Theil. Seitdem lebte er in Petersburg u. machte mehrmals Reisen nach Deutschland u. England u. st. 9. Sept. 1849 in Warschau. Er war vermählt seit 1824 mit Helene, Tochter des Prinzen Paul von Württemberg; s.u. Rußland (Geneal.).

IV. Patriarch: 19) M. Cerularius, seit 1043 Patriarch von Constantinopel, Feind der Lateiner u. Urheber des Schisma zwischen der Griechischen u. Lateinischen Kirche (s.u. Griechische Kirche I.) 1059 wurde er vom Kaiser Isaak Komnenos abgesetzt u. verbannt u. starb bald darauf.

V. Gelehrte: 20) M. Andreopulos, s.u. Syntipas. 21) M. Apostolios, s. Apostolios 1). 22) M. Attaliates, griechischer Jurist u. Historiker in der zweiten Hälfte des 11. Jahrh.; er schr.: Ποίημα νομικόν, im 2. Bande von Leunclavins Jus graeco-rom.; seine Geschichte, aufgefunden von Wlad. Brunet de Presle, gab zuerst Im. Bekker 1853 im 47. Band des Corpus scriptorum hist. byzant. heraus. 23) M. Ephesios, von ungewissem Zeitalter; er schr. u.a.: Scholien zu den kleineren physischen Schriften des Aristoteles, herausgeg. Vened. 1527. 24) M. Glykas, s. Glykas. 25) M. Plocheiros, griechischer Schriftsteller aus späterer Zeit; er schr.: Λραμάτιον, ein dialogisches Gedicht, eine Klage der Musen u. der Glücksgöttin enthaltend, herausgeg. von Morell, Par. 1598. 26) M. Psellos der Ältere, lebte nach der Mitte des 9. Jahrh.; er schr.: Περὶ λίϑων δυνάμεως, eine mineralogisch-medicinische Schrift; herausgeg. von Maussacus, Toulouse 1615, u. von Bernard, Leyden 1745. 27) M. Constantinos Psellosder Jüngere, lebte 1020–1105, war Lehrer der Theologie u. Philosophie in Constantinopel u. st. im Kloster; er schr.: Διδασκαλία παντοδαπή (theologische, philosophische, physische u. astronomische Gegenstände in Frage u. Antwort), zum Thei lherausgeg. von Wegelin, Augsb. 1611, im 10. Bd. von Fabricius Biblioth. gr.; Περὶ δυναμεων τῆς ψυχῆς, herausgeg. von Tarin, Par. 1619; Paraphrase zu Aristoteles Περὶ ἑρμηνείας, Vened. 1503, Fol., lateinisch 1542; Synopsis des Organon von Aristoteles, herausgeg. von Ehinger, Augsb. 1597; Commentar zur Physik des Aristoteles, lateinisch von Camotius, Vened. 1554, Fol.; Περὶ τῶν πέντε φωνῶν des Porphyrios, Bas. 1542; Περὶ ἐνεργείας δαιμόνων, herausgeg. von Gaulminus, Par. 1615, Kiel 1688 u.a. Vgl. Leo Allatius, De Psellis eorumque scriptis, Rom 1634.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 232-233.
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