Dominikaner- oder Prediger-Orden

[120] Dominikaner- oder Prediger-Orden. Sein Stifter ist Dominikus,[120] geb. 1170 zu Calaruega im altkastilischen Bistum Osma; er erhielt eine wissenschaftliche Bildung, wurde Domherr zu Osma, als welcher er zur Bekehrung von Mohammedanern und Ketzern ausgesandt wurde. Als Begleiter seines Bischofs lernte er die verkommenen kirchlichen Zustände Südfrankreichs kennen, deren Folge die Ausbreitung der Katharer (Ketzer) oder Albigenser und der Waldenser war. Cistercienser Äbte reisten gerade jetzt im Lande herum, die Ketzer zu bekehren, fanden aber, da sie die Bedürfnisse des Volkes nicht verstanden und als vornehme reiche Herren auftraten, kein Gehör. Nun traten der Bischof Diego von Osma und Dominikus mit ihnen in Verkehr, bereisten in der schlichtesten Kleidung wie Bettler das Land, predigten dem Volk das Evangelium und namentlich die Briefe des Apostels Paulus. Nachdem die Cistercienser und der Bischof in ihre Heimat zurückgekehrt waren, war Dominikus auf sich selbst gestellt. Zu Prouille im Bistum Toulouse gründete er zuerst ein Asyl für Mädchen, die erste seiner Stiftungen; dann erhielt er für sich und seine Gefährten ein Haus zu Toulouse geschenkt, wo die Missionsprediger einen Mittelpunkt fanden. Als dann freilich Innocenz III. Nordfrankreich zu einem Kreuzzuge gegen die Ketzer aufrief, hörte die wandernde Missionspredigt auf, und Dominikus erhielt die Aufgabe, die Verdächtigen und Gefangenen des falschen Glaubens zu überführen. Als er nach dem Kriege in Rom um die Gewährung eines eigenen Ordens einkam, war soeben der Beschluss gefasst worden, keine neuen Orden mehr zuzulassen; die zahlreichen neuen Ordensbildungen des 11. und 12. Jahrhunderts hatten die Kurie ermüdet. So sah sich Dominikus genötigt, eine Gesellschaft von Kanonikern nach der Regel des heiligen Augustin zu bilden, mit Anlehnung an die Regel der Prämonstratenser: Stillschweigen, fast unaufhörliches Fasten, keine Fleischspeise, Armut; als Tracht die der Domherren, langer schwarzer Rock und kurzer, weisser Überwurf ohne Gürtel. Nach Innocenz III. Tode anerkannte Honorius III. im Jahre 1216 den Orden der Prediger oder Fratres praedicatores und bestätigte ihn durch eine Bulle. Das Wappen des Ordens wurde ein Hund, der wachsame Gefährte des Hirten mit einer brennenden Fackel im Maule. Das erste Kloster blieb das zu Toulouse; schnell wurden andere gegründet; von dem Pariser Kloster im Hause von St. Jacob erhielt der Orden den in Frankreich verbreiteten Namen Jakobiner. In Rom reformierte Dominikus die Nonnenklöster nach seiner Regel und wurde wegen seiner Verdienste um die Diener und Hofleute des Papstes zum magister sacri palatii ernannt, ein Amt, das immer noch von einem Dominikaner verwaltet wird, und in dessen Händen die oberste Büchercensur liegt. Im Jahre 1219 wurde die Domherrentracht mit derjenigen der Kartäuser vertauscht: weisser Rock, weisses Skapulier mit spitziger weisser Kapuze, darüber beim Ausgehen schwarze Kutte und Kapuze. Erst 1220 wurde auf dem ersten Generalkapitel in Nachahmung der Franziskaner der Grundsatz der völligen Besitzlosigkeit und tägliche Erbettelung der nötigsten Nahrungsmittel festgesetzt. Die Organisation des Ordens stellt Prioren, Provinziale und Definitoren und einen General an. Dominikus starb zu Bologna 1221 und wurde 1233 heilig gesprochen. Gleich den Franziskanern giebt es auch unter den Dominikanern einen dritten Orden, Tertiarier, auch Orden de poenitentia St. Dominici.

Der Grundsatz der evangelischen Armut, der bei dem Gründer des Franziskanerordens das treibende Prinzip war, war für Dominikus und[121] seinen Orden bloss Mittel zum Zweck und wurde deshalb schnell aufgegeben. Dagegen waren sie sehr einflussreich durch ihren Verkehr mit den bürgerlichen Ständen, wie sie denn auch ihre Klöster selbstverständlich in den Städten gründeten. Die Bettelorden sind recht eigentlich die Mönchsorden des Bürgertums gewesen. Hauptaufgabe jedoch der Predigermönche blieb, die Wahrheit des christlichen Glaubens innerhalb u. ausserhalb der christlichen Kirche durch Widerlegung und Bekämpfung aller Andersdenkenden zu verteidigen und über der Reinheit der christlichen Lehre zu wachen. Zu einem tiefern sittlichen Einstehen für dieses Prinzip nach dem Beispiel des von den Dominikanern am meisten verehrten Apostels Paulus konnte es natürlich nicht kommen, da sie sich sofort in den Dienst des Papstes und der herrschenden Kirche stellten. Ihr Gebiet wurde die Inquisition (Konrad von Marburg), die Censur und die Scholastik; den ersten Lehrstuhl erhielten sie 1228 zu Paris, als infolge von Streitigkeiten die Lehrer der Universität sich auf einige Zeit aus der Stadt entfernt hatten; bald folgten ihnen die Franziskaner in dieses Gebiet. Die beiden Orden wurden, stets miteinander in Streit (vgl. den Art. Scholastik), bis zur Reformation die Träger der scholastischen Theologie; als Thomisten, Skotisten, Nominalisten und Realisten zankten sie sich herum; besonders galt es für die Dominikaner, die von den Franziskanern verteidigte Lehre der unbefleckten Empfängnis Mariä zu widerlegen. Wie tief schliesslich das sittliche Bewusstsein des Ordens gesunken war, zeigt der bekannte Ketzerhandel im Predigerkloster zu Bern vom Jahr 1509; auch des Ablasshandels nahmen sie sich an; Tetzel hat ihrem Orden angehört. Andererseits sind auch bedeutende Männer aus ihrer Mitte hervorgegangen: Albertus Magnus, Thomas von Aquino, Meister Ekhard, Johann Tauler, Heinrich Suso, Savonarola, Las Casas, Vincens von Beauvais waren Dominikaner.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 120-122.
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