Der Trappisten-Orden

[219] Der Trappisten-Orden (Orden de la Trappe) Dieser durch seine unmenschliche Strenge so berühmt – oder berüchtigt gewordene Orden wurde von Bouthillier de Rancé (geb. zu Paris 1626, gest. 1700) gestiftet. Er, aus einem alten vornehmen Geschlechte, anfangs für den Kriegsstand, nachher aber für die Kirche bestimmt, ward, bei vielem Verstande und herrlichen Fähigkeiten, bald Domherr, Abt de la Trappe etc. auch 1654 Doct. der Theologie. Allein durch den Todt seines Vaters zu einem noch ansehnlicheren Vermögen gelangt, ergab er sich bald der Sinnlichkeit und fast allen Ausschweifungen, denen er theils zu Veret (seiner ererbten Baronie), theils zu Paris ungezähmt nachhing – nur außerordentliche Erschütterungen konnten auf diesen Wüstling in der Art wirken, als es nachher geschah. Durch mehrere sonderbare Zufälle, namentlich auch durch den unvermutheten Anblick einer seiner Geliebten, welche er insgeheim besuchen wollte, und da sie plötzlich gestorben war, und man ihr wegen Kürze des bleiernen Sarges den Kopf abgeschnitten und daneben gesetzt hatte, in diesem zerstummelten Zustande ganz unvorbereitet antraf, wurde Rancé furchtbar erschüttert: kein Wunder also, daß er nun auch in das entgegengesetzte Extrem verfiel, und den Entschluß faßte, sich ganz der Welt zu entziehen. Er legte alle seine Pfründen, bis auf die Abtei, nieder, verkaufte seine ansehnlichen Güter, verschenkte großen Theils das Geld, und von dem kleinen Ueberrest ließ er die verfallene Abtei la Trappe vom Cisterzienser Orden (in einem einsamen [219] Thale in le Perche an der Grenze von Normandie gelegen) ausbessern; und, nachdem er sein Gelübde 1664 abgelegt hatte, führte er nun als Abt die Klosterzucht der ehemahligen barbarischen Zeiten mit aller Rauhigkeit und Strenge ein, ja, er gab sich alle Mühe, dem ganzen Cisterzienser-Orden seine strengste Observanz aufzudringen – wiewohl vergebens. Der Ruf der Heiligkeit zog diesem Kloster, zum Spott der gesunden Vernunft, einen außerordentlichen Zufluß von Menschen zu, die sich hier in der Büße üben wollten; und obgleich sehr viele Widersacher gegen ihn auftraten, ja sogar er des Jansenismus beschuldigt wurde, so wußte er doch sich in jenem Rufe zu erhalten, so daß ihn viele fürstliche Personen, selbst der König Jakob von England nebst Gemahlin, besuchten, und sehr erbaut wieder hinweg gingen. Von andächtiger Wuth gegen sich selbst endlich ganz geschwächt, starb er auf Stroh und auf der Asche im Jahr 1700, und hinterließ den Ruhm, mitten in einem aufgeklärten Lande und in einem aufgeklärten Jahrhunderte eine abscheuwürdige Schule der Unmenschlichkeit gestiftet zu haben, die man sofort aus der Schilderung ihrer Lebensart näher wird kennen lernen.

Sie bringen täglich eilf Stunden in der Kirche mit stillem Beten zu; in der Zwischenzeit verrichten sie, der Abt so gut wie der gemeinste Ordensbruder, die härtesten, niedrigsten und beschwerlichsten Arbeiten. Sie speisen alle gemeinschaftlich in einem Saale, und zwar die gröbsten, unverdaulichsten Speisen von Wurzeln, Gemüsen etc. Keiner schlägt die Augen auf, keiner spricht ein Wort zu dem andern, und man glaubt eine Gallerie Bildsäulen zu sehen, die dann und wann durch die Kunst bewegt werden, denn nie – nie dürfen diese Halbmenschen unter einander sprechen; unverbrüchliches Verstummen ist eines ihrer heiligsten Angelöbnisse: nicht einmahl den Namen oder Geburtsort ihrer Mitordensbrüder wissen sie; nur der Superior ist davon unterrichtet, und bloß gegen diesen darf einer in dem Falle eines Gewissensscrupels sich mündlich entdecken. Der einzige Glückliche, welcher die edelsten – die Sprach-Organe ausüben darf, ist der Mönch, welcher die Fremden aufnimmt, oder herumführt. Nach der Mahlzeit gehen sie gemeiniglich in [220] den Garten, um an ihren eigenen Gräbern zu arbeiten, dann wieder in die Kirche, und von da im Sommer um 8, im Winter um 7 Uhr schlafen, stehen aber früh um 2 Uhr auf, um in die Mette zu gehen, und wieder den Tag so, und wieder so, und ihr ganzes Leben hindurch zu verbringen. Ihre Zellen empfangen das Tageslicht durch einige große Löcher, ihr Lager besteht aus einem Strohsacke, und sobald Einer von ihnen im Begriff ist zu sterben, wird er auf Stroh und Asche gelegt. – So ist das Leben dieser stummen Melancholiker, dieses dem Staate so unendlich schädlichen Ordens, beschaffen, dessen besondere Kasteiungen und Bußubungen, welche theils Verzweiflung, theils lange Weile eingeben, man sich in allen seinen Graden der Barbarei und Unmenschlichkeit leicht hinzu denken kann. – Doch dieser Unsinn ist zum Theil vertilgt; denn bei der Revolution, welche Frankreich traf, war auch die Zerstörung jenes Menschen verderbenden Instituts unter den heilsamen Folgen derselben. Allein es ist zu beklagen, daß diese Hyder dennoch ihr Gift weiter auszubreiten gesucht hat. – Jene ausgewanderten Ordensleute nahmen ihre Zuflucht nunmehr in andere Länder, z. B. nach England, Rußland etc. Auch in Deutschland bemühen sie sich unter dem Vorwande, dem Erziehungsgeschäfte sich zu widmen, jene Greuel fortzupflanzen, welche namentlich im Paderbornischen, wo sie durch den Weltpriester Leclerc (in seiner Darstellung: die enthüllten Trappisten. Frkf. a. M. 1803) bekannt gemacht wurden, den allgemeinen Unwillen erregten; und als Preußen die Paderbornischen Lande occupirte, wurde durch ein Publicandum (1. Nov. 1802) jenen Ordensleuten bei schwerer Strafe das Erziehungsgeschäft untersagt, und die Zurücksendung ihrer Zöglinge an die Aeltern derselben anbefohlen. Ein wichtiger Befehl, dem zur Ehre der Religion und Menschheit doch sehr viel Nachfolger zu wünschen wären!

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 219-221.
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