Freundschaft

[708] Freundschaft, 1) die gegenseitige Anhänglichkeit, welche Personen von übereinstimmenden Gesinnungen für einander empfinden u. durch Handlungen, welche auf Förderung gegenseitiger Zufriedenheit u. Wohlseins gerichtet sind (Freundschaftsdienste, Freund schaftserzeugungen) bethätigen. Sie gründet sich auf das Bedürfniß des Gemüths, mit Andern in Gemeinschaft zu leben u. zu wirken, u. sie hat einen hohen Werth, indem sie zur ganzen geistigen Entwickelung, zur sittlichen Bildung, zur Erhöhung der Lebensfreuden u. zur Milderung der Leiden viel beiträgt. Die F. wird gewöhnlich in der Jugend geschlossen u. erhebt sich hier wegen des wärmeren Ingendgefühls zu einer Höhe, die meist immer in den späteren Jahren bleibt. Bei der Wahl des Freundes darf nicht die Gewohnheit des täglichen Umgangs, nicht die Überraschung u. nicht eine gewisse Dienstfertigkeit entscheiden, vielmehr hat man ernst u. besonnen zu beobachten u. auf die Stimme des Herzens zu hören. Ebenso wichtig ist es aber auch, die wahre Freundschaft zu bewahren, wofür die christliche Sittenlehre eine Menge Regeln angibt. F. heißt auch 2) der Umgang u. das Zusammenleben mit Personen, deren Neigung auf Einen Zweck gerichtet ist, zu dessen Verfolgung blos Selbsucht antreibt, der aber ohne Verbindung Mehrerer nicht erreicht werden kann. Es bezieht sich daher auch F. auf Familienverbindungen, sofern ein Familieninteresse ein gemeinschaftliches ist, eben so auf gesellige Cirkel für Lebensgenuß aller Art, die daher auch als freundschaftlicher Cirkel sich als eine Gemeinschaft betrachten. Ein Freundschaftsbündniß ist dann auch schon eine solche, förmlich od. stillschweigend geschlossene Übereinkunft, in welcher die Leistung gegenseitiger Hülfe u. Unterstützung bedungen ist. – Geachtet war die F. unter den Völkern des Alterthums, bes. bei Griechen u. Germanen. Die großartigsten, durch Aufopserungswilligkeit der Freunde ausgezeichneten F-en kommen zumeist in dem Jugendalter der Nationen, den heroischen Zeiten, vor, wo man sich zur Ausführung von Großthaten vereinigte. In der spätern Zeit der Philosophie wurde F. bei den Griechen auch noch warm empfohlen, namentlich in der Pythagoreischen Schule, welche so reich an F-n war, daß man sie Pythagoreische F-en nannte; daher heißt Pythagoras der erste Gesetzgeber der F.; Aristoteles widmete der F. 2 (das 8. u. 9.) Bücher der Ethik. Auch unter den Römern wnrde F. hoch geachtet, u. Cicero schrieb ein eigenes Buch De amicitia, so von den spätern Griechen auch Lucian den Toxaris, worin er einen Wettstreit zwischen einem Griechen (Marsippos) u. einem Skythen (Toxaris) dargestellt, welches Volk höhere Begriffe von F. habe u. schönere Beispiele echter F. aufweisen könne. Bei den germanischen Völkern wurden F. auf Leben u. Tod, häufiger zwischen ganzen Gesellschaften geschlossen, s. Blutbrüderschaften, deren ähnliche auch schon in Griechenland, bes. bei den Thebanern in dem Hieros Lochos vorkommen, woraus in Griechenland dann die Hetärien (s.d.) entstanden Als allegorische Göttin galt die F. (lat. Amicitia. gr. Philia) als eine Tochter der Nacht u. des Erebos u. wurde dargestellt mit unverhüllter Brust, neben ihr die vereinigten Grazien. In der christlichen Sittenlehre ist es zuweilen bezweifelt worden, ob die F. als eine Pflicht bezeichnet werden könne, da sie im Neuen Testamente nicht ausdrücklich geboten wird. Die meisten Moralisten erklären sie aber für eine Pflicht, hauptsächlich weil sie ein Förderungsmittel der Sittlichkeit überhaupt ist, u. weil Christus selbst als Vorbild der edelsten Freundschaft erscheint. Als Beispiele edler u. hochherziger, auch von der Poesie verherrlichter F-en gelten die Davids u. Jonathans, die Damons u. Phintias, die Ludwigs von Baiern u. Friedrichs von Österreich (s. da.) Vgl. Stäudlin, Vorstellungen u. Lehren von der F., Hannov. 1826.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 708.
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