Senāt

[831] Senāt (Senatus), 1) der Staatsrath in Rom, s.d. S. 268. A) Zur Zeit der Könige ein von den Königen gewählter Rath der Älteren (Senatores), welcher an sich ohne ausübende Gewalt u. Selbständigkeit war, aber in gewissen Fällen vom König gehört werden mußte, in anderen nicht füglich von ihm umgangen werden konnte. Er soll schon von Romulus nach der Gründung Roms eingesetzt worden sein u. damals aus 100 Mitgliedern, nach der Vereinigung der Sabiner unter T. Tatius mit den Römern aus 200 bestanden haben; daß aber, wie Andere meinen, von diesen immer 100 aus dem Stamme der Ramnes, ebensoviel aus dem der Tities u. endlich später unter Tarquinius Priscus, wo 300 Senatoren erwähnt werden, ebenfalls 100 aus den Luceres gewählt worden sein, beruht keineswegs auf sicheren Zeugnissen der Alten. Denn der König erwählte u. ergänzte (Lectio u. Sublectio) den S. ganz nach eigenem Ermessen aus den Vollbürgern Roms, ohne daß die Curien irgend ein Recht dabei hätten geltend machen können. Ebenso konnte er jeden Senator wieder absetzen, wodurch dieser wieder zum Privaten wurde. Indeß war der König auf der anderen Seite, da er auf Wachsen der Aristokratie Rücksicht nehmen u. vermeiden mußte bei den mächtigeren Familien anzustoßen, in seiner Wahlfreiheit einigermaßen beschränkt. Die Senatoren führten den Ehrennamen Patres u. blieben, wenn nicht von Rechtswegen, doch thatsächlich in der Regel auf Lebenszeit im Rathe. Wenn einer gestorben war, so hatte der König einen bejahrten, erfahrenen, würdigen Mann an dessen Stelle zu setzen. Der König berief den S., wenn es ihm beliebte, u. dieser mußte erscheinen; er fragte von den Senatoren um Rath, wen er wollte, u. keiner durfte ungefragt antworten,[831] er war aber auch keineswegs gebunden dem gegebenen Rathe zu folgen u. konnte in gewissen Fällen ohne Zuratheziehen des S-s handeln. Indessen wäre es als Mißbrauch seiner Macht erschienen, wenn er bei wichtigen Angelegenheiten nicht den Rath der Alten befragt hätte. Solche Angelegenheiten waren namentlich Auflegen von Frohnden u. außerordentlichen Leistungen, Verfügung über erobertes Gebiet, Aufnahme in die Bürgerschaft, Erklärung des Krieges, Schließung von Frieden, Verträgen u. Bündnissen. Bei anderen, z.B. bei Heerführung u. wichtigen Rechtshändeln, wurde der S. nicht zugezogen u. höchstens im letzteren Falle Einzelne aus demselben um Rath befragt.

Die Stellung des S-s B) in der Zeit der Republik blieb im Ganzen dieselbe, nur daß, weil ihm jetzt jährlich wechselnde, verantwortliche Magistrate, die Consuln, welche aus dem S. hervorgingen u. nach der Niederlegung ihres Amtes in denselben zurückkehrten, gegenüberstanden, seine Macht nothwendig wachsen mußte. Nachdem unter der Willkürherrschaft des Tarquinius Superbus die Reihen der Senatoren gelichtet waren, wurde mit der neuen Republik der S. wieder zur Zahl von 300 Mitgliedern theils aus den Rittern, theils schon aus den Plebejern ergänzt, u. fortan war die Anrede an den S. Patres (et) conscripti. Seit der Gracchischen Zeit war die Zahl der Senatoren nicht mehr fest; eine Lex Sempronia vermehrte den S. auf 600 Mitglieder; Sulla behielt diese Zahl bei; in der letzten Zeit der Republik, in den Tagen Ciceros, wenigstens über 400 Senatoren. Die Wahl der Senatoren (Lectio senatus) ging auf die Censoren über, welche ein Verzeichniß (Album senatorum) zu entwerfen hatten u. durch die Lex Ovinia darauf hingewiesen waren stets ohne Unterschied der Stände die würdigsten zu wählen; ausgeschlossen waren aber die Söhne von Libertinen (wenn auch in Folge der Bürgerkriege solche in denselben gekommen waren, so wurden sie doch durch die ersten Censoren nach Sulla alsbald wieder daraus entfernt). Ferner war zum Gradus senatorius wahrscheinlich schon im Alterthum u. später durch die zu Ende der Republik gegebene Lex Villia annalis das vollendete 30., nach anderen das 27. Lebensjahr (Aetas quaestoria) erforderlich. Kein Senator durfte einen Erwerb treiben, u. eine Lex Claudia von 218 v. Chr. verbot sogar, daß ein solcher ein mehr als 300 Amphoren fassendes Schiff in See habe. Auch ein bestimmter Census war für den Senatorenrang nothwendig, ob aber in Rom der Census equester ausreichte, was für die ältere Zeit das wahrscheinlichere ist, od. ob ein besonderer Census senatorius angenommen war, was namentlich seit der Lex Sempronia judiciaria möglich wäre, durch welche die beiden Range mehr von einander geschieden wurden, steht dahin, ist aber für die Kaiserzeit gewiß. Ergänzt wurde der S. aus den gewesenen Consuln, Prätoren u. Ädilen, welche als solche den Senatssitzungen beigewohnt hatten, u. nur, wenn dieser jährliche Zuwachs nicht ausreichte, wurden andere Männer hinzugenommen, welche namentlich im Kriege sich bes. ausgezeichnet hatten; sonst wurde von den Censoren ohne besonderen Grund keiner derjenigen übergangen, welche durch Bekleidung eines Curntischen Amtes Anrecht auf Sitz u. Stimme im S. hatten. Die Bekleidung eines niederen Amtes, des Tribunats od. der Quästur, gab allerdings wohl einen factischen Anspruch auf einen Platz im S., insofern im obigen Falle die censorische Auswahl vorzugsweise auf diese Männer sich lenkte, aber keineswegs eine rechtliche Anwartschaft. Dagegen hatten die Censoren das Recht nach dem von ihnen geführten Sittenrichteramt von fünf zu fünf Jahren, unter Angabe eines Grundes (Subscriptio), unwürdige Senatotoren auszustoßen. Dies nannte man Nota censoria, wodurch oft die bedeutendsten Männer, welche früher Consulat u. Dictatur bekleidet hatten, entfernt wurden (senatu movere, ejicere). Der erste der Senatoren, d.h. derjenige, dessen Namen bei der Recitatio (s. unten) zuerst verlesen wurde, hieß Princeps senatus; meist wurde dazu der älteste Censorius, d.h. der gewesenen Censoren, genommen, ohne daß jedoch diese Ehrenstelle ein Geschäft od. einen besonderen Einfluß mit sich gebrachthätte. Alle Senatoren waren unter einander gleich, nur daß gemeiniglich die älteren größeres Ansehen hatten; u. auch die zehn ersten (Decem primi, Deni principes) bildeten nicht eine Decurie etwa höherer Geltung, sondern waren wahrscheinlich bloße Ehrennamen der zehn ältesten Senatoren. Die Censoren loosten unter einander um das Recht der Lectio senatus. Der Erloofte hatte, doch wohl nicht unabhängig von seinen Collegen, das Album senatorum (s. oben) zu entwerfen u. den Princeps senatus zu bestimmen u. dann die Liste von der Rednerbühne zu verlesen (Recitatio senatus). Den S. zu versammeln stand zunächst den Consuln u. denjenigen Beamten zu, welche consularische Gewalt in Händen hatten, also außer dem Dictator noch den Decemviri legibus scribendis, den Tribuni militares consulari potestate, dem Interrex, dem Praefectus urbis, dem Praetor (später blos dem Praetor urbanus) u. in späterer Zeit auch den Volkstribunen, welche Letztere überhaupt seit der Zeit ihres Bestehens das Recht hatten an den Senatsversammlungen theilzunehmen, jedoch ohne mit abzustimmen, sondern nur gegen gefaßte Beschlüsse zu interveniren (s. Tribunus plebis). Es scheint Sitte gewesen zu sein, daß derjenige, welcher den S. berief, vor der Versammlung opferte u. die Auspielen befragte. Die Senatoren hatten am Markt einen Platz (Senaculum), wo sie sich gewöhnlich einfanden, u. wenn eine Versammlung nöthig war, vom Präco in die Curie eingeladen wurden. Später wurde durch ein Edict die. Senatssitzung auf einen bestimmten Tag vorher angesagt. Wenn schnell eine Versammlung nöthig war, wurden zu diesem Zwecke Präconen an die Senatoren gesandt. Die Senatoren waren verpflichtet zu erscheinen, konnten sogar wegen Nichterscheinens bestraft werden; ja oft durften sie sich, wenn wichtigere Besprechungen über den Staat vorlagen, nicht über eine Meile von der Stadt entfernen u. brauchten überhaupt besonderen Urlaub, wenn sie außer Italien gehen wollten. Sonst aber wurde es mit dem Erscheinen nicht allzu streng genommen, u. eine Entschuldigung genügte. Als Ort der Zusammenkünfte diente in alter Zeit ein Gebäude an der Porta Capena, seit Tullius Hostilius bis zum Untergang der Republik die von jenem König an dem Comitium erbaute Curia Hostilia, später die Curia Julia u. die Tempel des Castor, des Jupiter, der Concordia. Außerdem, wenn eine Sitzung des S-s außerhalb der Stadt nothwendig war, wenn ein Feldherr, welcher das Imperium nicht[832] verlieren wollte, eine solche berief od. wenn eine Gesandtschaft angehört werden sollte, welche die Stadt nicht betreten sollte, so wurde sie im Tempel der Bellona od. des Apollo vor der Porta Carmentalis gehalten. Immer aber bedurfte es wenigstens in dieser Zeit eines durch die Auguren abgegrenzten u. geheiligten Raumes (Templum). Die Senatoren saßen in der Versammlung auf Snbsellien in der durch die Recitatio angegebenen Reihenfolge, die Magistrate höheren Ranges auf der Sella curulis. Die Zeit der Senatssitzungen war nicht an bestimmte Tage gebunden, doch wählte man dazu gern die Kalenden, Nonen u. Iden u. andere Festtage, während an den Dies comitiales (s.u. Comitia S. 296) dieselben verboten waren u. die Dies atri (s.d.) lieber gemieden wurden. Ein giltiges Senatsconsult sollte nur zwischen Sonnenauf-. u. Untergang abgefaßt werden, indessen kam es auch in dringender Noth zuweilen vor, daß in der Nacht der S. versammelt ward (so nach der Entdeckung der Catilinarischen Verschwörung). Während der Versammlung hatte außer den Senatoren u. Magistraten Niemand Zutritt zur Curie, außer etwa die Diener jener (Scribae, Lictores u. Viatores), od. wenn Privatpersonen od. Auguren über etwas Auskunft geben sollten. Senatsverhandlungen. Wer den S. berufen hatte, zunächst auch das Recht des Vortrages (Relatio ad senatum). Nach den Worten: Quod bonum, felix, faustum, fortunatum sit (s. d) trug dieser entweder in einer ausführlichen Rede od. in einfachen kurzen Worten den Gegenstand der Berathung vor u. forderte die Senatoren auf ihre Meinung zu sagen (Sententiam rogare). Nach Erledigung der Sache konnten auch andere Magistrate, u. zwar solche, welche auch den Senat hätten berufen können, über etwas Anderes Vortrag halten (verba facere, mentionem facere de alia re). Nach dem Vortrage wurden nun die Senatoren befragt u. zwar nach Ordnung des Ranges der von ihnen verwalteten Ämter. Also zuerst die Consulares, dann die Praetorii, Aedillcii etc. Vor allen wurden, wenn solche vorhanden waren, die für das nächste Jahrdesignirten Consuln befragt. Auch war es eine Auszeichnung, wenn der referirende Magistrat einen Consularen außer der Reihe zuerst um seine Meinung fragte. Sonst blieb die in der ersten Senatsverhandlung des Jahres angenommene Reihenfolge des Befragens in der Regel das ganze Jahr hindurch. Die übrigen Senatoren wurden, wie sie in der Curie saßen, nach der Reihe bis zum letzten befragt (perrogare senatum). Das Befragen geschah nominatim, d.h. der Fragende richtete sich an jeden der Senatoren mit den Worten: Dic. N. N., quid censes? worauf der Befragte seine Meinung in der Form von censeo, placet, decerno sagte, entweder in kurzen Worten od. in längerer Rede, worin er auch vom Gegenstand abschweifen u. so die Verhandlung in die Länge ziehen konnte, so daß kein Beschluß gefaßt werden konnte. War der Gegenstand der Berathung schon vorher bekannt, so brachten die Senatoren wohl ihren Ausspruch schriftlich mit u. lasen ihn in der Versammlung vor. Auch konnte man sich dem Ausspruch des vorhergehenden anschließen (Assensio), od. es konnten mehre Senatoren, welche gleicher Meinung waren, zusammentreten (pedibus in sententiam ire, solche hießen Senatores pedarii) u. gemeinschaftlich ihre Sentenz abgeben. Nachdem Alle ihre Meinung abgegeben u. der Vorsitzende dieselben sämmtlich referirt hatte (Pronuntiatio sententiarum), kam es zur Abstimmung, welche durch die Discessio, das Aufstehen u. Zusammentreten zu Gruppen, geschah, von denen jede eine Meinung vertrat. Die Majorität entschied. Der auf diese Weise sich ergebende Beschluß des S-s hieß Senatus auctoritas u., nachdem er aufgezeichnet war, Senatus consultum, welcher, wenn mehre Sachen zur Sprache gekommen waren, die einzelnen Decreta in sich schloß. Verhindert konnte ein Beschluß werden entweder theilweis durch die Worte eines Senatoren: Divide relationem, wenn derselbe nicht der ganzen Sentenz, sondern nur einen Theil derselben beistimmen wollte, od. ganz, u. zwar wenn der Vorsitzende ohne vollständiges Umfragen einen Beschluß per discessionem fassen wollte, od. wenn die Zahl der anwesenden Senatoren zu gering war (zu gewissen Zeiten waren mindestens 150, zu anderen 200 nöthig), um einen endgiltigen Beschluß zu fassen, durch die Worte: Numera senatum. Auch wenn ein Senatsbeschluß durch Intercession der Volkstribunen od. durch Formenfehler vereitelt wurde, ward er doch schriftlich niedergelegt u. hieß Senatus consulti auctoritas, wo dann am Schluß die Namen der intercedirenden Tribunen od. der Grund, warum es bei der Auctoritas geblieben war, beigefügt wurden. Der Vorsitzende faßte nach Entlassung des S-s in der Curie mit einem Comité aus denen, welche für diesen Beschluß gestimmt hatten, u. deren Namen darüber gesetzt wurden, zugleich mit Beifügung des Tages, an welchem, u. des Ortes, wo die Versammlung stattgefunden hatte, unter Zugrundlegung des aufgenommenen Protokolls, das Senatsconsult ab, welches dann, in Stein od. Erz gegraben, in dem Staatsarchiv aufbewahrt wurde (solche Senatsbeschlüsse sind noch mehre erhalten, s. Senatus consultum). Auch gab es geheime Senatssitzungen, wo blos Senatoren anwesend sein durften, u. der hier gefaßte Beschluß hieß Senatus consultum tacitum. Die Verwaltung u. Berathung des S-s erstreckte sich namentlich auf Leitung der auswärtigen Angelegenheiten in Rücksicht auf Kriegsführung (Kriegserklärung, Ernennen von Feldherren, Bestimmung der Truppenaushebung, Kriegssteuer, Friedensschluß), Gesandtschaftswesen u. Verleihung von Auszeichnungen an fremde Könige; auf die inneren Angelegenheiten u. zwar Aufsicht über das Religionswesen (Cultus, Anordnung von Spielen u. Festen, Weihe neuer Heiligthümer etc.), über die Finanzen (die Verwaltung u. Verwendung der Staatseinkünfte zu Bauten, für Kriegsführung, Spiele etc.), über die Provinzialverhältnisse (Ausrüstung von Statthaltern, Untersuchung der Provinzialbeschwerden), über alle Magistrate, welche die Beschlüsse des S-s auszuführen hatten; auf die Gesetzgebung nur insofern, als die Gesetzesvorschläge, welche den Comitien vorgelegt werden sollten, vorher die Auctoritas des S-s haben mußten. Zuweilen konnte auch, namentlich in Zeiten großer Gefahr, der S. den Consuln unbeschränkte Gewalt verliehen mit der Formel: Videant consules, ne quid detrimenti respublica capiat od. dergl. Was sonst das Verhältniß des S-s zu den Consuln betrifft, so war es formell allerdings ein abhängiges, in Wirklichkeit aber war der S. die oberste, auch die Magistrate beherrschende Regierungsbehörde, indem er, wenn die Consuln sich[833] nicht fügen wollten, ihnen durch die Volkstribunen Strafe androhen ließ od. einen Dictator ernannte. Die Tracht der Senatoren bestand außer den goldenen Ringen, in der Tunica laticlavia, einem mit breiten Purpurstreifen verbrämten Untergewand, u. Calceus senatorius, einem Schuh mit dem halbmondförmigen Elfenbeinschmuck (Lunula). Später trat zu dem Vorrecht dieser Tracht noch die Proedria im Theater u. Circus.

C) Unter den Kaisern wurde der S. von diesen mehr u. mehr abhängig; doch stand bis zur Zeit Constantins des Großen die Ausübung der Souveränetät, welche zur Zeit der Republik in den Händen der Comitien gelegen hatte, dem S-e zu. Die Kaiser herrschten rechtlich nur durch den S.u. so, daß dieser ihre Handlungen vertrat u. bestätigte. Der Umfang der Befugnisse des S-s erweiterte sich, denn neben den obenerwähnten Geschäften erhielt er die Wahl der Magistrate, Gesetzgebung u. höchste Gerichtsbarkeit. Dafür mußte er aber das Recht über Krieg u. Frieden zu entscheiden dem Kaiser überlassen. Aber alle Ämter, Würden u. Befugnisse des Kaisers waren diesem erst durch den S. übertragen, welcher die Acta principis durch seinen Schwur darauf anerkannte u. das Recht hatte den Kaiser zu ernennen u. wieder abzusetzen. Die Gerichtsbarkeit war zwar nicht förmlich dem S-e übertragen, doch hatte schon Augustus, indem er die bedeutendsten Processe dem S-e zuwies, diesen selbst gleichsam zum ersten Gerichtshof erhoben, welcher nun in Folge namentlich zu entscheiden hatte über alle Capitalsachen der Senatoren, sowie deren Frauen u. Kinder, Verbrechen gegen den Staat u. die Person des Kaisers, Klagen gegen Provinzialstatthalter u. alle Criminalprocesse von größerer Bedeutung. Die Zahl der Senatoren, welche Augustus zunächst auf 600 festgesetzt hatte, wuchs bis 900, ja endlich gab es deren mehr als 1000. Auch das gesetzliche Alter derselben wurde auf 25 Jahre herabgesetzt; es trat ferner ein bestimmter Senatorencensus ein von 400,000 bis zu einer Million Sesterzen, es bildete sich ein besonderer Ordo senatorius u. auch die Söhne der Senatoren erhielten zugleich mit der Toga virilis den Latus clavus, das Insigne der Senatoren, u. die Erlaubniß den Senatssitzungen beizuwohnen; der Ordo senatorius war fortan die Pflanzschule des S-s, wie es vorher der Ordo equester gewesen war. Die Wahl geschah ebenso wie die Einreihung in die verschiedenen Klassen des S-s u. die Ausstoßung aus demselben durch den Kaiser. Das Album senatorum wurde noch bekannt gemacht, in welchem der Kaiser als Princeps senatus obenan stand. Die Sitzungen fanden jetzt regelmäßig des Monats zweimal statt (Senatus legitimus), an den Kalenden u. Iden. Daneben gab es jedoch auch außerordentliche Senatssitzungen (Senatus indictus). Harte Strafen drohten dem, welcher die Sitzung ohne Entschuldigung versäumte, doch genügte als solche schon das 60. Lebensalter überschritten zu haben. Die zur Beschlußnahme nöthige Zahl anwesender Senatoren war jetzt gewöhnlich 400, doch schon unter Augustus war für bestimmte Fälle eine bestimmte Zahl festgesetzt, später genügte oft schon eine Frequenz von 50–70 Mitgliedern. Berufung u. Vortrag hatten, wie vorher, die Consuln, Prätoren u. Tribunen. Durch die tribunicische Gewalt aber, welche die Kaiser hatten, stand diesen auch das Recht zu, in jeder Sitzung einen Gegenstand zum Vortrag zu bringen, auch wenn sie nicht präsidirten, ein Recht, welches später zum Jus tertiae, quartae, quintae relationis ausgedehnt wurde. Gewöhnlich ließen sie ihre Anträge (Oratio principis, Epistola principis) durch ihre Quästoren vorlesen. In solchen Fällen stimmten dann auch die Consuln mit. Als Ort war ein Templum nicht mehr nothwendig, wie es in der Zeit der Republik gewesen war. Auch war der Zutritt zu den Versammlungen jetzt dem Praefectus praetorii, den Freigelassenen des Kaisers u. den Söhnen der Senatoren gestattet. Das Umfragen geschah wie früher, das Abstimmen über Wahlen mit Täfelchen. Das Protokoll wurde von den Scribae geführt unter Aufsicht eines Senatoren (ab actis senatus), bei geheimen Sitzungen vom Senator selbst, das Senatsconsult von den Quästoren im Archiv aufbewahrt. Mit der steigenden Macht des Kaisers sank die des S-s mehr u. mehr. Auch die Gerichtsbarkeit wurde bald durch die Appellation an den Kaiser aus den Händen des S-s in die des Praefectus urbis u. des kaiserlichen Gerichts gespielt. Schon Augustus hatte sich aus den Senatoren ein Consilium principis erwählt, in welchem die Verwaltungsgegenstände zur Vorberathung gebracht wurden. Später wurden viele Gegenstände nur von diesem berathen, u. der S. erfuhr nichts davon, bis unter Hadrian die Gesetzgebung u. Gerichtsbarkeit ganz vom S. auf dies Consilium überging. Die Räthe desselben waren schon nicht mehr ausschließlich Senatoren, sondern wurden oft aus dem Ritterstand gewählt. Der S. durfte noch, jedoch mit bedeutender Einschränkung durch das Heer, wenn der Kaiser ohne Bestellung eines Nachfolgers gestorben war, diesen wählen u. öffentlich bestätigen. Außerdem hatte er nur noch das Recht Ehren u. Insignien zu decretiren, z.B. Triumphalinsignien, Statuen, Apotheosen. Der S., welchen Constantin in Constantinopel errichtete, war von ebensowenig politischer Macht, als der in Rom, u. von der einstigen Hoheit u. Würde des S-s blieb nichts übrig als der Name u. die Tracht. Nachdem der S. endlich auch sein Recht den Herrn zu wählen an den orientalischen Kaiser mit klaren Worten abgetreten hatte (476 u. 479), wurde der ganze Rath durch die Eroberung Roms von Totila (553) aufgehoben u. die einzelnen Senatoren geächtet. In der von den Franken im 8. Jahrh wiederhergestellten Republik gab es auch wieder einen S. (s. Rom S. 293), welcher aber erst seit den siegreichen Volksunruhen unter Arnold von Brescia u. Cola Rienzi im 12. u. 14. Jahrh. einige B. deutung erhielt (s. Rom S. 293 f.). – Auch gab es 2) in vielen Städten Italiens schon seit alter Zeit einen S., welcher, wie in Rom, den Dictatoren od. Prätoren berathend zur Seite stand. Nachdem diese Städte römisch geworden waren, bestand der S. dennoch fort u. erscheint namentlich in Municipalstädten (Senatus municipalis in Colonien, Präfecturen u. Provinzialstädten des Occidents, wie des Orients. Man nennte diesen Senatus ordo decurionum, später Ordo, endlich Curia; die Senatoren Decuriones, später Curiales. Die Zahl derselben war je nach der Größe der Städte verschieden, Wahl u. Verhandlungen waren den römischen ähnlich. So verschieden je nach dem Verhältnisse der einzelnen Städte zu Rom die Competenz derselben war, so wurden sie in der Kaiserzeit mehr u. mehr ausgeglichen. Namentlich hatten sie alle, doch unter römischer Oberaufsicht, die Leitung der Wahlen[834] ihrer Magistrate u. Priester, sowie die Aufsicht über die städtische Verwaltung. 3) Nach manchen neueren Staatsverfassungen die Bezeichnung für eine höhere Behörde, welche dem Landesherrn als berathendes Collegium (Staatsrath) für die wichtigsten Angelegenheiten, namentlich in Gesetzgebungsfragen zur Seite steht, wie z.B. der Französische Senat (s.u. Frankreich S. 501), der Reichsrath in Rußland (s. Russisches Reich S. 500) u. für das ehemalige Königreich Polen (s. Seim); 4) in manchen Städten, bes. in den freien Reichsstädten, das Organ der vollziehenden Gewalt, welches die Stadt in allen äußeren u. inneren Angelegenheiten vertritt. Über die Wahl u. Zusammensetzung des S-s entscheiden die besonderen städtischen Verfassungen, s. Bremen S. 266, Frankfurt S. 479, Hamburg S. 896, Lübeck S. 555; 5) die Abtheilung einer größeren, collegialisch organisirten Gerichtsbehörde zur Aburtheilung einer gewissen Gattung von Rechtssachen, daher z.B. Civil-, Criminalsenat als die Abtheilung für Civil-, für Criminalsachen etc.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 831-835.
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