Protokoll

[647] Protokoll (v. gr.), 1) ursprünglich die am Rande des zu gerichtlichen Geschäften bestimmten Papieres befindliche Annotation, welche den Namen des Comes largitionum (Oberaufseher über die kaiserlichen Einkünfte) u. die Zeit der Anfertigung der Charta enthielt (eine Art Stempelzeichen); jetzt 2) eine Schrift, in welcher das, was in Gegenwart einer zur Abfassung solcher Schriften verpflichteten öffentlichen Person sich zugetragen hat, von Erster niedergeschrieben worden ist. Betrifft die Niederschrift nur eine kürzere Aufzeichnung mit abgekürzten Förmlichkeiten, so wird die Schrift auch Registratur genannt. Die Wichtigkeit der P-e trat bes. mit der Einführung des Grundsatzes der Schriftlichkeit im Civil- u. Criminalprocesse hervor; außerdem werden P-e von den Notaren über die von ihnen angebrachten Rechtsgeschäfte, überhaupt bei jeder wichtigeren Verhandlung aufgenommen. Zur Gültigkeit des P-s gehört, daß derjenige, welcher es abgefaßt hat, hierzu die erforderliche Qualification besitzt. Bei gerichtlichen P-en wird eine besondere Verpflichtung der Beamten zur Protokollführung erfordert. Der Protokollführer (Protokollant) ist hierbei in der Regeleine vom Richter getrennte Person; doch kommt bei kleineren Gerichten es wohl auch vor, daß der Richter selbst das P. führt. Ein P. muß enthalten: die Angabe der Zeit u. des Ortes der Abfassung, den Namen dessen, welcher die Verhandlung geleitet hat, die Namen der anwesenden Betheiligten u. die genaue u. getreue Angabe des Verhandelten. Der Eingang des P-s enthält die Veranlassung der Verhandlung, wenn diese eine außerordentliche war; der Schluß wird durch gewisse Formeln (Actum ut supra, so geschehen wie oben), angedeutet, um keinen Zweifel darüber zu lassen, daß das P. wirklich geschlossen worden sei. Die Aufnahme muß regelmäßig an Ort u. Stelle, nach Beendigung der Verhandlung geschehen; nur bei Besichtigungen u. dergl., wo die sofortige Aufnahme mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, ist es nachgelassen, daß der Protokollant zuvörderst sich nur kürzere Notizen mache u. sodann das eigentliche P. mit Benutzung derselben zu Hause od. an Gerichtsstelle fertige. Das P. muß ferner den Interessenten vorgelesen od. doch zum Durchlesen vorgelegt u. von denselben genehmigt werden (eine besondere Unterschreibung Seitens derselben ist nicht nothwendig, aber zweckmäßig, um späteren Angriffen wider die Echtheit vorzubeugen). In der einmal aufgenommenen Niederschrift darf nichts Erhebliches ausgestrichen, zugesetzt od. verändert werden. Machen sich, z.B. in Folge der von Interessenten beim Vorlesen gemachten Ausstellungen, einzelne Nachträge od. Abänderungen des P-s nothwendig, so sind dieselben mittelst Randbemerkung an der betreffenden Stelle od. am Schlusse des P-s[647] anzubringen u. die Richtigkeit derselben in gleicher Weise, wie die des P-s selbst, durch Unterschrift des Protokollanten zu beglaubigen. Ein äußerlich fehlerfreies P. hat als öffentliche Urkunde die Vermuthung für sich, daß es der Wahrheit gemäß sei; doch schließt diese Präsumtion den Beweis des Gegentheiles, welcher sowohl durch Zeugen (z.B. die zugezogen gewesenen Urkundspersonen), als durch Urkunden geführt werden kann. Geberdenprotokolle nennt man im Criminalproceß gerichtliche Niederschriften, welche das Benehmen der vernommenen Person angeben, damit dadurch constatirt werde, ob die Aussagen derselben mit Unbefangenheit u. überhaupt so abgelegt worden sind, daß sie die Überzeugung von ihrer Glaubwürdigkeit gewähren können.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 647-648.
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