Thorn

[543] Thorn, 1) Kreis des Regierungsbezirks Marienwerder in der preußischen Provinz Preußen, 20,5 QM., 55,750 Ew.; 2) Kreisstadt u. Festung dritten Ranges (mit 8 Bastionen u. der Eckbastion Jungfernschanze, 3 Ravelins u. Lünetten, jenseit der Weichsel mit Hornwerk als Brückenkopf, auf der Insel Bazar Kempe ein Fort) darin, rechts an der Weichsel, mit hölzerner Brücke, besteht aus der alten u. neuen Stadt; ist Sitz des Landraths, Kreisgerichts, der Commandantur, Hauptzoll-, Post-, Telegraphenamt, Bankcommandite, Handelskammer, hat ein großes Schloß (1260 erbaut, 1420 durch die Bürger zerstört), 5 Kirchen (Johanniskirche mit dem Epitaphium des Copernicus), Gymnasium, Militärlazareth, Stadtkrankenhaus, Denkmal des Copernicus, Rathhaus aus dem 14. u. 16. Jahrh., schiefer Thurm, Fabriken von Tuch, Hüten, Seife, Stärke, Maschinen, Tabak, Pfefferkuchen, Leder; Steckrübenbau, Getreide- u. Holzhandel, Schifffahrt; Freimaurerloge: Bienenkorb; hat 14,000 Ew. (darunter 1875 M. Militär). – T. wurde 1231 von dem Landmeister Hermann Balk gegründet u. mit Deutschen, bes. Westfälern, bevölkert; bereits 1232 erhielt sie ihre Privilegien (Culmer Handveste) u. wurde 1263 Glied der Hansa. 1410 belagerten die Polen T. u. stürmten dreimal vergebens. Hier 1411 Friede zwischen Wladislaw von Polen u. Lithauen einer-, u. dem Deutschen Orden anderseits, s. Preußen S. 524. 1439 wurde T. wieder von den Polen vergebens belagert. 1454 empörte sich T. mit dem Landadel gegen den Deutschen Orden u. vertrieb die Ritter aus der Burg, worauf sich die Stadt dem König Casimir von Polen ergab; es kam zu dem zweiten Frieden von T. am 19. Oct. 1466, worin der Orden die Hälfte des Landes mit T. abtrat u. die andere Hälfte von Polen in Lehn nahm. 1557 nahm die Stadt die Lutherische Lehre an. 1595 hier Generalsynode der evangelischen Parteien, deren Conclusiones dem Consensus Poloniae von 1570 beigefügt wurden. 1629 schlugen die Einw. einen Sturm der Schweden unter Wrangel ab. 18. Aug. bis 21. Nov. 1645 Colloquium caritativum (Thorner Religionsgespräch) zwischen den katholischen, lutherischen u. reformirten Theologen wegen Verföhnung[543] der drei Confessionen, aber das Gespräch verfehlte seinen Zweck; doch wurde die aus diesem Gespräch hervorgegangene Declaratio thoruniensis ein symbolisches Buch für die reformirt-brandenburgische Kirche. 1655 eroberte Karl Gustav von Schweden T., mußte es aber nach langer Belagerung durch die Brandenburger u. Polen im December 1658 wieder verlassen. Unter Karl XII. ward T. 1703 belagert, zur Capitulation genöthigt u. geschleift. Bei der Frohnleichnamsprocession 1724 waren mehre Protestanten von einem Schüler des Jesuitencollegiums, welcher sie zum Niederfallen zwingen wollte, beleidigt worden; er wurde von den Stadtbehörden verhaftet, aber gegenseitig verhafteten die Jesuiten einen deutschen Studenten; darüber kam es zum Tumult, wobei das Jesuitenkloster gestürmt u. verwüstet wurde. Die Polen sprachen nun das Urtheil, daß der Stadtpräsident Rösner nebst 9 Personen enthauptet werden, der Magistrat künftig zur Hälfte aus Katholiken bestehen, die Hauptkirche den Katholiken übergeben, das evangelische Gymnasium aber 1 Meile von der Stadt verlegt werden solle, welches Urtheil auch den 7. December vollstreckt wurde (Thorner Blutbad). T. kam durch die zweite Theilung Polens 1793 an Preußen. Bei dem Vordringen der Franzosen 1807 erhielt der preußische General Lestocq Befehl T. zu räumen, u. die Franzosen befestigten es sogleich u. schlugen es zum Großherzogthum Warschau; 1813 mußte es, nachdem es vom russischen General Oppermann mit russischen u. preußischen Truppen eingeschlossen war, nach siebentägiger Beschießung capituliren. 1815 kam es wieder an Preußen u. spielte in dem polnischen Insurrectionskrieg 1831 als stiller Waffenplatz der Russen eine nicht unwichtige Rolle. T. ist Geburtsort des Copernicus. Vgl. Wernicke, Geschichte T-s, Thorn 1842, 2 Bde. 3) (Altthorn), Dorf dabei, rechts an der Weichsel, wo die Stadt vor 1255 stand, als sie an der jetzigen Stelle aufgebaut wurde; 200 Ew. 4) Marktflecken an der Itteren im Bezirk Roermond der niederländischen Provinz Limburg; 1160 Ew.; bis 1797 war hier eine Frauenabtei (sonst gefürstet u. zum Deutschen Reiche gehörig).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 543-544.
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