Siebenbürgen [1]

[26] Siebenbürgen (genennt nach den 7 Gerichtsstühlen, in welche das Land nach der Einwanderung der Deutschen im 12. Jahrh. getheilt wurde, s. unten S. 29: lat. Transsilvania, von den Magyaren Erdély. d.i. vor dem großen Walde, von den Romänen Ardealn, d.i. Waldland genannt), Großfürstenthum[26] u. österreichisches Kronland, begrenzt im Norden von Ungarn u. der Bukowina, im Osten von der Moldau, im Süden von der Walachei u. im Westen von der Banater Militärgrenze u. Ungarn, hat gegenwärtig 997,74 geographische QM. Flächeninhalt. S. ist ein von den Karpaten fast quadratisch umzogenes Hochland, welches sich größtentheils gegen Westen u. Südwesten abdacht. Die dasselbe im Süden absperrenden schmalen u. wilden Siebenbürgischen Alpen (Transsilvanischen Alpen haben im östlichen Theile den Csukas 6040 Par. Fuß hoch), Bucsecs (7740 Par. F.), Königstein (6910 F.), westlicher im Fogarascher Gebirge die Butianu (7740 F.), den Negoi (7824 F.), Surul (7064 F.), im Cibingebirge, westlich vom Durchbruch der Aluta die Fromoassa (6970 F.), den Konzu (3733 F.), die Schwarze Koppe (6600 F.), den Surinan (6341 F.), u. im Streelgebirge den Retyczai (5196 F.). Über diese südliche Kette führen die Pässe Tömös, der Rothe Thurmpaß od. die Karolinenstraße (in 1085 F. Höhe), der Vulkanpaß u. der Paß von Törzburg. Der niedrigste ist der Gebirgszug der westlichen Seite, doch erreichen in seinem mittleren. Theile, dem Siebenbürgischen Erzgebirge, der Muntelimara 5600 F. Höhe u. westlich davon der Bihar 5672 F., der Vulkan 3872 F., der Hajto 3193 F., der Piatra Csaki 3713 Fuß. Pässe sind hier das Eiserne Thor (in 1550 F. Höhe), der Paß von Slatina u. der von Teregova. Im nördlichen Höhenzuge stehen im Laposchgebirge der 4414 F. hohe Gutin u. der 5601 F. hohe Czibles, im Rodanergebirge das 6967 F. hohe Kuhhorn u. der 6272 F. hohe Wurwu-Omlui. Der östliche, 30 Min. lange Zug endlich, welcher mit dem 6725 F. hohen Pietroberge beginnt, hat im Györgyöergebirge den Nagyhagymas (5529 F.), im Berecykergebirge den Lakolzas (5490 F.) u. im Csikergebirge den Büdös (3495 F.), sowie in dem in das Innere des Landes reichenden Gebirgszuge den Mezöhavas (5477 F.) u. den Hargitta (5424 F.). Über diesen östlichen Zug führen der Ojtoz-Paß als die Hauptstraße zur Moldau, der Borgo-Paß (od. Kaiser- od. Franzensstraße genannt) als Straße von Pesth nach dem Pruth u. der Rodnapaß. Das innere, von den genannten Randgebirgen umgebene Hochland im Mittel von 1400 Par. Fuß Höhe, besteht aus Thälern, welche durch lange, wellige Rücken mit kegelförmigen Kuppen von einander getrennt sind; im Süden desselben erstreckt sich eine breite Kette mit dem 5113 Fuß hohen Godianu, außer ihr zwei andere mit dem Steinberg (2331 F.) u. dem Kitserir (2103 F.). Die wichtigsten Thäler sind das der Szamos, der Maros, der Weißen Korös, der Nera-Czerna u. der Aluta; das schönste ist das von Armeniern bewohnte Thal von Györgyo, außer ihm noch berühmt das von Borszek, beide unweit der Quellen der Maros u. Aluta. Flüsse sind die Maros (der wichtigste, von Klausenburg an schiffbar) mit dem Gold. führenden Aranyos u. den beiden Kokel, die Körös, die Szamos mit der Bistricz, welche zur Theiß gehen, u. die Aluta, die sich in die Donau ergießt. Von den Seen sind der Hodoth-, St. Annen- u. Piritschkerste, von Sümpfen der Höllenmorast bemerkenswerth. Das Klima ist nach den Gegenden verschieden; es herrschen strenge Winter, heiße Sommer, lange u. warme Herbste. Der fünfte Theil des Landes ist Ackerboden, welcher aber nicht gleichmäßig benutzt wird; die größten u. zugleich fruchtbarsten Strecken liegen in den Gegenden von Karlsburg, Klausenburg, Fogarasch, Maros-Vasarhely; es wird Mais, Weizen, Roggen, Hafer, Hanf, Flachs, Obst, Wein (fast im ganzen Lande, der beste in den Thälern der Maros, Szamos, das Kokel), Melonen, Tabak (berühmt der von Szemeria u. Batiz) gebaut. Die Wälder, welche den dritten Theil des Landes einnehmen, bestehen meist aus Eichen u. Buchen, doch auch aus Schwarzholz, wie die Fichtenwaldungen, welche den ganzen 48 QM. großen Bezirk Györgyo Szt. Miklos bedecken; die größten Wälder sind in den Districten von Udvarhely u. Retteg. Große Weiden- u. Wiesenflächen nehmen fast 1/4 des Landes ein u. finden sich bes. in den Gegenden von Karlsburg u. Fogarasch. Die Viehzucht, welche den Ackerbau bedeutend überwiegt, liefert bes. schöne Pferde, gutes Rindvieh, welches, sowie die Schafe, den größten Theil des Jahres in die Moldau, Walachei u. Dobrudscha zur Hutweidung getrieben wird, im südlichen Theile Büffel, bes. Schafe (das Zigajschas mit kurzer, krauser, seiner Wolle u. das Zurkanschas mit langer u. grober Wolle), Schweine, Ziegen, viel Geflügel (bes. Gänse u. Enten), auch Bienenzucht wird getrieben; die Flüsse sind fischreich (Welse, Aale, Hechte, Karpfen, Muränen, Forellen). Der reiche Wildstand besteht in Roth- u. Schwarzwild, Gemsen, einzelnen Wölfen u. Bären, Auer- u. Haselhühnern, wilden Tauben, vielen Raubvögeln etc. Bes. reich ist S. an Mineralien; es ist das goldreichste Land Europas, der ergiebigste Goldbergbau wird im westlichen Theile zwischen den Flüssen Aranyos u. Maros, bes. in dem Dorfe Verespatak, getrieben; das Land lieferte 1855_: 3467 Mark Gold = 690,672 Thlr. Außerdem gibt der Bergbau Silber, Kupfer, Blei, Spießglanz, Quecksilber, Eisen (137 Eisenwerke, die größten Gruben in Gyalar u. Govasdia; Hauptniederlage des Eisens ist Vajda-Hunyad), Tellur, Schwefel, Alaun, Kreide, Salz (in Maros Ujvar), Steinkohlen (im Karlsburger u. Hatzeger Bezirke), Braunkohlen, Bergkrystalle (sog. Siebenbürgische Diamanten bei Osdola). Unter den zahlreichen Mineralquellen sind die besuchtesten Borszek, Baassen, außerdem Reps, Rohrbach, Zaizow, Kovaszna, Elöpatak, Zovany u. v. a. Die Industrie steht noch auf einer niedrigen Stufe, sie liefert Leinwand, Baumwoll- u. Wollenwaaren (bes. Tuch u. Decken), Leder, Hüte, Schnuren, Papier, Glas, Fayencewaaren, Maschinen, chemische Producte, Siebe, Korbflechtereien, Holzwaaren, Pottasche, Kerzen, Zucker u.a. Die bedeutendste Fabrik- u. Handelsstadt ist Kronstadt. Der Handel führt Colonial-, feinere Fabrikwaaren u.a. ein; Getreide, Vieh, Salz, Metalle etc. aus; er liegt in den Händen der Griechen u. Armenier. Ansehnlich ist der Transito zwischen der Türkei u. Ungarn. Man mißt u. rechnet meist nach österreichischem Maß u. Gewicht, doch giebt es eine besondere Elle (276,30 Par. Linien), Erdjoch d.i. ein Ackermaß zu 1600 Quadratklaftern, Kübel d.i. ein Getreidemaß zu ungefähr 2 Metzen Wiener Maß. Einwohner: S. ist eines der am schwächsten u. ungleichmäßigsten bevölkerten Länder Österreichs; es hat 1,927,000 Ew. Den Confessionen nach unterschieden sich die Einw. 1857 in 237,742 römische Katholiken, 674,654 griechische Katholiken, 5633 armenische Katholiken, 670,896 nichtunirte Griechen, 276 nichtunirte Armenier, 196,375 Lutheraner, 312,223 Reformirte,[27] 48,118 Unitarier, 18,792 Israeliten. Nach den Nationalitäten bildeten 1861 die Magyaren u. Szekler die Mehrzahl (605,361), dann die Deutschen (239,706), Romänen (147,181), Zigeuner (53,578), Juden (18,792), Armenier (7866), Slaven (264). Die Ungarn u. Szekler von dunkler Hautfarbe, mit kleinen, lebhaften Augen, regelmäßigen Zügen u. dunklem Haar, leben mäßig; die Szekler tragen einen braunen, oft mit Schnüren besetzten Rock mit Stehkragen, weiße Tuchhosen u. Stiefeln, bisweilen Opanken (gebundene Schuhe aus Rindshaut), meist einen breiten Hut mit Krämpen, welche an der Seite aufwärts gebogen sind; die Frauen kurze Röcke, ein farbiges Mieder mit Busentuch, schmale Schürzen, rothe od. gelbe Stiefeln od. spitze Schuhe. Die Sachsen, von hellerer Gesichtsfarbe u. blond, tragen lange, blaue Röcke mit Stehkragen u. großen Knöpfen, einen breitkrämpigen, runden Hut, lange Weste, enge Tuchhosen, einen breiten Gürtel u. hohe Stiefeln; die Frauen weiße u. schwarze vielfaltige Röcke, die über die Schulter befestigt sind, ein dunkles, weites Leibchen mit weiten Ärmeln, schwarze Spitzenhauben od. Kopftücher, Zöpfe mit Bändern. Die Nationalspeisen der Sachsen sind Honklich u. Huibes (d.h. in der Pfanne gebackene Eier- u. Sahnenkuchen) u. Kuchen (aus Fleisch mit Stachel- od. Weinbeerbrühe bestehend). Die Romänen haben markirte Gesichtszüge, dunkle Augen, dichtes, schwarzes Haar, über den weißen Beinkleidern ein langes Hemd mit breiten Gürtel, einen dunklen kurzen Rock, Hut od. Pelzmütze, Opanken; die Frauen eine dicke wollene bunte Decke um die Hüften, langes Hemd mit weitem, am Handgelenk engen u. da mit einer gestickten Manschette versehenen Hemdeärmel, ein weißes Tuch über Kopf u. Hals; ihre Hauptnahrung besteht in Mamaliga od. Palukes (Maisbrei od. Polenta), Maisbrot, Schafkäse, Molken u. Zwiebeln. Die Sprache ist ungarisch, walachisch u. deutsch. Für die geistige Bildung sorgen die Universität in Kronstadt, eine Rechtsakademie in Hermannstadt, eine reformirte höhere Lehranstalt in Nagy-Enyed, evangelische u. katholische Obergymnasien in Hermannstadt, Kronstadt, Klausenburg, Udvarhely, Bistritz, Schäßburg, viele Untergymnasien u. Volksschulen; aber die Volksbildung ist ungenügend, u. der dritte Theil der schulfähigen Kinder bleibt ohne Unterricht. In Hermannstadt ist ein Nationalmuseum u. wissenschaftliche u. Kunstvereine. Landespatron ist St. Ladislaus. In kirchlicher Beziehung stehen die lateinischen u. armenischen Katholiken unter den Bischöfen von Karlsburg u. Großwardein, die griechischen unter dem Erzbischof von Blasendorf u. dem Bischof von Szamos-Ujvar, die nichtunirten Griechen unter dem Bischof von Hermannstadt, die Evangelischen Augsburger Confession unter dem Landessuperintendenten zu Birthälm, die Unitarier u. Juden unter den bezüglichen Landessuperintendenten in Klausenburg. Zu Folge des kaiserlichen Diploms vom 20. Octbr. 1860 wurde die nationale politischen. Justizverwaltung wieder hergestellt u. dem Lande eine selbständige innere Administration gegeben; mit kaiserlichem Handschreiben vom 21. Dec. 1860 u. kaiserlicher Entschließung vom 24. März 1861 wurden die früheren nationalen politischen Behörden u. die ehemalige administrative Eintheilung reactivirt. Die oberste Landesbehörde ist das königliche Gubernium in Klausenburg, welchem die Obergespane in den Comitaten, die Obircapitäne in den Districten, die Oberkönigsrichter in den Szekler- u. die Königsrichter od. Bürgermeister in den sächsischen Stühlen unterstehen, denen wieder die Oberstuhlrichter u. Vicegespane der Kreise, die Unterstuhlrichter der Comitatsbezirke, die Dullonen der Szekler u. die Inspectoren der sächsischen Bezirke untergeordnet sind. Versammlungen der Repräsentanten sind in den Comitaten die Marcalcongregationen, bei den Szeklern die Universitas nobilium, bei den Sachsen die Nationsuniversität, welcher der Graf der sächsischen Nation vorsteht. Eintheilung: ehemals in das hand der Ungarn, der Szekler u. der Sachsen, dann bis 1880 in zehn Kreise (Hermannstadt, Kronstadt, Udvarhely, Maros-Vasarhely, Bistritz, Dees, Szylagy-Somlpö, Klausenburg, Karlsburg, Broos), seit 1860 in 8 Comitate (Klausenburg, Inner-Szolnok, Doboka, Thorenburg, Kokelburg, Ober-Weißenburg, Unter-Weißenburg, Hunyad); 5 Szekler Stühle (Aranyos, Maros, Udvarhely, Csik, Haromszek); 9 sächsische Stühle (Hermannstadt, Broos, Mühlenbach, Reußmarkt, Mediasch, Schäßburg, Groß-Schenk, Leschkirch, Reps), u. 4 Districte (Fogaras, Naszod u. die beiden sächsischen Kronstadt u. Bistritz). Sämmtliche zerfallen wieder in Kreise u. Bezirke od. gleich in Bezirke. Landes hauptstadt ist Hermannstadt. Vgl. I. L. Marienburg, Geogr. des Großfürstenthums S., Hermannst. 1818, 2 Bde.; I. Leonhard, Lehrbuch zu Beförderung der Kenntniß von S., ebd. 1818; I. H. Benigni von Mildenberg, Handb. der Statistik u. Geographie des Großfürstenth. S., ebd. 1837, 3 Hefte; I. Lenk v. Treuenfeld, Siebenbürgens geogr., topogr., statist., hydrogr. u. orogr. Lexikon, Wien 18397 Scheint, Das Land u. Volk der Szekler, Pesth 1843, 2 Bde.; Wellmann, Reisebriefe aus dem Lande der Sachsen in S., Kronst. 1843; A. de Gerando, S. u. seine Bewohner; aus dem Französ. von I. Seybt, Lpz. 1845, 2 Thle.; Söllner, Statistikdes Großstfürstenthums S., Hermannst. 1858; Bielz, Handbuch der Landeskunde S-s, ebd. 1857; Salzer, Reisebilder aus S., ebd. 1860; Popin Ilariarn, Die constitutionelle Unabhängigkeit S-s, deutsch von Neigebauer, Bresl. 1862; Schuler von Libloy, Überblick der Literaturgeschichte S-s, ebd. 1857; Ackner, Mineralogie S-s, ebd. 1855; Neue Karten von Mersich, ebd. 1854; Bielz, ebd. 1854; Grimm, ebd. 1855.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 26-28.
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