Gefecht

[49] Gefecht (Kriegsw.), ist, allgemein betrachtet, der Zusammenstoß zweier feindlichen Parteien, wobei die Anwendung der Waffen die Entscheidung gibt. Im weitesten Sinne ist mithin auch die Schlacht ein G., im engsten Sinne auch das Duell (Zweikampf); doch versteht man gewöhnlich darunter den Kampf zweier Abtheilungen, welche bald groß, bald klein sein können, immer ober als untergeordnete Glieder der Hauptarmee erscheinen. Ein größeres G. nennt man wohl auch Treffen (dafür gebrauchte man ehemals oft das Wort Affaire), ein kleines, nur kurze Zeit währendes, Scharmützel; wenn der Zusammenstoß unvermuthet erfolgt, sagt man Rencontre. I. Obgleich der Zweck der G-e in den einzelnen Fällen ein ganz verschiedener sein kann, so wird doch stets das unmittelbarste Ziel die Überwindung od. Vernichtung des Feindes sein; insofern aber oft erst nach Lösung dieser Aufgabe der eigentliche Hauptzweck erreichbar wird, erscheint die Überwindung des Gegners meist nur als Mittel zum Zwecke. Der Charakter, die Bedeutung, Dauer u. Entscheidung der G-e haben sich im Laufe der Zeit mehrmals geändert, ebensowohl in Folge veränderter Bewaffnung u. Formation der Truppen, als in Folge der herrschenden Ansichten über die Verwendung derselben Im Wesentlichen kann man unterscheiden: Angriffs- od. Vertheidigungsgefechte; im ersteren soll dem Feinde eine gewisse Stellung entrissen werden, im zweiten ist der Zweck, eine bestimmte Stellung zu behaupten; eine der beiden Parteien muß stets angreifen, es können auch beide Parteien angriffsweise verfahren, nicht aber beide sich in der Vertheidigung halten. Der Charakter jedes G-s wird sich nach den besonderen Umständen richten, unter denen es unternommen wird, hauptsächlich nach dem Terrain der Absicht u. der Lage[49] der Gegner. Man unterscheidet in dieser Beziehung: Avant- u. Arrieregarde-, Rückzugs- u. Verfolgungs-, Einleitungs- u. Entscheidungs-, Recognoscirungs-, Ausfall-, Überraschungs-, Lokal- (Dorf-, Wald-, Brücken-) Gefechte etc. Jeder dieser einzelnen Fälle bedingt zwar verschiedene Regeln für seine Durchführung, doch müssen diese Gesetze u. Regeln schon in den allgemeinen für das G. enthalten sein. Da außerdem ein G. wohl nur als ein Act des ganzen kriegerischen Dramas anzusehen ist, so erhält es auch hierdurch meist noch eine eigenthümliche Färbung u. Bedeutung. In Rücksicht auf die zeitlichen Verhältnisse zerfällt ein jedes G. in drei Perioden: die Einleitung, die eigentliche Entwickelung u. die Entscheidung. Schon in der Einleitung bestimmen nicht blos der Zweck des G-s u. die verwendbaren Mittel, sondern auch zufällige andere Umstände, wie die Witterung, die Tageszeit, Stimmung der Truppen, Charakter der Anführer etc., die Maßnahmen, u. im Verhältniß dazu erscheint die Form der Aufstellung nur von untergeordnetem Werthe. Die anfängliche Aufstellung der Streitkräfte ist allerdings nicht ohne Einfluß auf das bevorstehende G., die allmälige Veränderung derselben u. die zweckmäßige Benutzung des Terrains in der Bewegung der Truppen sind aber von viel größerer Wichtigkeit. Der Zweck der Einleitung wird meist darin bestehen, sich im Terrain zu orientiren u. die Stärke, Stellung u. Absichten des Feindes in Erfahrung zu bringen. Fast ohne Ausnahme wird in neuerer Zeit die Einleitung eines G-s durch ein wohl unterhaltenes Schützenfeuer bezeichnet, unter welches sich Kanonenschüsse mischen, gleichsam, um den Feind herauszufordern, seine Absichten deutlicher zu verrathen; die größte Wichtigkeit erhalten einzelne Terrainpunkte, von denen aus die feindliche Stellung eingesehen werden kann. Sind in dieser Weise die nöthigen Erfahrungen gemacht, um die Disposition für einen allgemeinen Angriff entwerfen zu können, so findet der Übergang zu dem eigentlichen G., der Entwickelung, statt. Häufig ist dieser Übergang nur ein allmäliger, indem die nachrückenden Massen die leeren Zwischenräume der ersten Linie ausfüllen. Diese Periode der Entwickelung zerfällt bei allen größeren G-en in mehrere Momente, welche ihre Bezeichnung durch den Kampf um den Besitz wichtiger Terrainpunkte u. Abschnitte, als Dörfer, Höhen, Defileen, Gehölze etc. erhalten. Lebhaftes Geschütz- u. Gewehrfeuer soll die Widerstandskraft des Feindes brechen, es ist der eigentliche Zerstörungsact des G-s, die Zerstörung der feindlichen Streitkräfte mithin der Hauptzweck. Diese Zerstörung besteht theilweise in Allem, was physisch außer G. gesetzt ist, also Todten, Verwundeten, Gefangenen, theilweise aber auch in dem, was physisch u. moralisch erschöpft ist. Es offenbart sich also in dieser Periode das Bestreben, alle Vortheile, welche sich darbieten, so gut es die Verhältnisse gestatten, zu benutzen, um sich für den nun folgenden Entscheidungskampf ein Übergewicht zu verschaffen. Außer der Zerstörung der feindlichen Streitkräfte kommt daher auch der Besitz bes. wichtiger Terrainpunkte in Betracht (Stützpunkte der Flanken, dominirende Höhen, Schlüsselpunkte der Stellung, wohl auch eine gesicherte Rückzugslinie). Ist endlich das Übergewicht auf einer Seite (wohl auch nur auf einem wichtigen Punkte) herbeigeführt, so nahet die Entscheidung. Die wichtigsten Ereignisse erscheinen nun in wenige Minuten zusammengedrängt; das Denken tritt in den Hintergrund, Alles kommt auf entschlossenes Handeln an. Das Charakteristische des entscheidenden Moments ist in der größten Nähe u. Erbitterung der Kämpfenden zu suchen. Das Feuer erreicht Anfangs seine bedeutendste Heftigkeit; dann verstummt es, um dem Gebrauche der blanken Waffe Platz zu machen. Wenn bei den vorhergegangenen Gefechtsmomenten Geduld, ruhige Überlegung, Sparsamkeit in Verwendung der Kräfte in erster Linie standen, so müssen jetzt die höchste Kühnheit, Lebhaftigkeit u. die größte Anspannung, sowie Verwendung aller Kräfte ihre Stelle vertreten. Der Abzug des Feindes endlich vom Kampfplatze ist das Merkmal des Sieges. Soll jedoch dieser Sieg auch Früchte bringen, so muß demselben in der Regel eine energische Verfolgung des abziehenden Feindes folgen, damit derselbe hierbei auch möglichst große Verluste erleide, od. am baldigen Sammeln seiner Kräfte u. dem Wiederfestsetzen in der Nähe gehindert werde. Die taktischen Anordnungen zu den drei Perioden des G-s, die Gefechtsformen an sich, haben nur einen negativen Werth (sie sollen die vollkommen freie Bewegung, den günstigen Waffengebrauch der Truppen ermöglichen, die Waffenwirkung des Feindes möglich beschränken), von weit höherer Bedeutung erscheinen die Intelligenz des Anführers (auf dem entscheidenden Punkte u. im entscheidenden Moment hinreichende Kräfte zur Verfügung zu haben) u. die Energie, alle Kräfte zur Wirkung zu bringen. Im Allgemeinen läßt sich über die Verwendung der verschiedenen Truppengattungen im G. nur so viel sagen, daß die leichten Truppen das G. einleiten, die Linientruppen es auskämpfen, die Reserven entscheiden. Was die Fechtweise der Truppengattungen anlangt, so ist dieselbe (ohne Rücksicht auf specielle Fälle) von deren Bewaffnung, Ausrüstung u. sonstigen Eigenthümlichkeiten, sowie von denselben Dingen beim Gegner abhängig.

II. Das G. nach den verschiedenen Waffen. A) Die Infanterie soll mit der Feuer- u. blanken Waffe wirken, sie ist daher zur Vertheidigung, wie zum Angriff geeignet (Fern- u. Nahgefecht). Ihre Kampfstellung kann eine geschlossene (Colonne od. Linie) od. eine zerstreute (Tirailleurs) sein; bei der ersteren hat das Ganze mehr inneren Halt u. Kraft, die Reiterei ist weniger zu fürchten, die Einheit des Handelns wird erhöht; bei der letzteren ist das feindliche Feuer weniger zu fürchten, jeder einzelne Krieger kann mit größerer Freiheit handeln, das Terrain besser benutzen, die Schußwaffe mit mehr Erfolg gebrauchen. Wie überhaupt alle Truppen, wird die Infanterie für das G. eingetheilt in Avantgarde, Gros u. Reserve (entsprechend der Einleitung, Entwickelung u. Entscheidung des G-es). Die Eröffnung des G-es geschieht durch Tirailleurs mit ihren Soutiens, welche sich so aufstellen, daß sie das Gros möglichst gegen das feindliche Feuer sichern; eine Hauptsache ist, daß die Tirailleurs nur wirksam feuern, also nicht auf zu weite Entfernungen u. nicht zu rasch. Hinter der Avantgarde befindet sich das Gros aufgestellt, entweder in Colonne od. in Linie, u. noch weiter rückwärts die Reserve, möglichst gleich weit von allen Punkten der Gefechtslinie,[50] in Colonne. Wenn Infanterie gegen Infanterie kämpft, muß zunächst der angreifende Theil das feindliche Feuer zu vermeiden od. zu entkräften, der angegriffene Theil das seinige bis auf den entscheidenden Moment aufzusparen suchen. Der Angreifer muß entschlossen vorschreiten, die feindlichen Tirailleurs durch die eigenen Schützen im Schach halten; in den meisten Fällen gewährt ein Vorrücken in Bataillonscolonnen die größten Vortheile. Steht der Feind in Linie, so ist dessen Massenfeuer zu erwarten; die Schützen werden daher rasch vorgefordert, um mit möglichst lebhaftem Feuer die Linie zu erschüttern; die Colonnen setzen unterdessen ihren Marsch entschlossen fort. Steht der Feind selbst in Colonne, mit Schützen vor der Front, so müssen zunächst diese Schützen zurückgeworfen werden, dann rückt die Colonne vor, entwickelt sich rasch in Linie u. greift, nach Abgabe einer Salve auf die feindliche Colonne, entschlossen mit dem Bajonnet an. Es ist demnach als vortheilhaft anzunehmen, dem Gegner stets mit anderen Gefechtsformen zu begegnen, als die sind, welche er bei seiner Aufstellung gewählt hat. Oft wird jedoch überhaupt der Sieg derjenigen Partei zufallen, welche die größte Entschlossenheit zeigt, auch ohne daß ein wirklicher Zusammenstoß der Massen erfolgt wäre. Der Vertheidiger wird durch zahlreiche Schützen das Vorrücken des Feindes möglichst belästigen od. gar aufzuhalten suchen; gelingt ihm das nicht, so bleibt ihm nur der Ausweg in hinreichender Nähe eine Salve zu geben u. dann seinerseits mit dem Bajonnet sich dem Feinde entgegenzuwerfen. Dem weichenden Feinde wird ein lebhafter Kugelregen nachgesendet; ihm auf dem Fuße nachzufolgen, ehe die durch den Angriff nothwendigerweise gestörte Ordnung wieder hergestellt ist, kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn es gilt, ihm einen Terrainpunkt zu entreißen, den er festzuhalten bemüht ist. Infanterie gegen Cavallerie wird in der Regel sich defensiv verhalten müssen, um dann angriffsweise verfahren zu können, wenn dieselbe sich auf einen für sie ungünstigen Terrain befindet. In freier Ebene ist die Cavallerie der bei Weitem gefährlichste Feind der Infanterie; jede noch so kleine Unordnung einer Infanteriecolonne kann bei der großen Schnelligkeit, mit welcher die Cavallerie heranzukommen vermag, mm Verderben führen. Dabei ist nicht immer einzig u. allein das Einhauen, der Stoß selbst zu fürchten, meist bereitet schon der moralische Eindruck bei dem raschen Herannahen der Cavallerie die Wahrscheinlichkeit des Gelingens des Angriffes vor. Schon daraus geht hervor, daß festes Zusammenhalten, Ruhe, höchste Aufmerksamkeit die einzigen Bedingungen sind, welche die Infanterie von der Gefahr zu retten vermögen. Kleinere Infanterieabtheilungen formiren gegen Cavallerie auf der Ebene Knäule, größere Abtheilungen das Quarré; dadurch, daß die Quarrés sich in Schachbretform (en échiquier) aufstellen u. die Bataillone sich so gegenseitig unterstützen, ist die Gefahr großer Cavallerieangriffe wesentlich vermindert worden. In allen Fällen aber ist es Regel, daß die Quarrés ihr Feuer auf Cavallerie nur dann erst abgeben, wenn die größte Sicherheit des Treffens voraussichtlich ist; ist ein Quarré zersprengt, so müssen möglichst wieder einzelne Knäule gebildet werden. Um die Salve auf die Cavallerie wirksamer zu machen, wird mit Erfolg eine zweite Kugel in den Lauf gethan. Im durchschnittenen od. bedeckten Terrain ist die Cavallerie der Infanterie wenig od. gar nicht gefährlich; Tirailleurs sind gegen blänkernde Cavalleristen im Vortheil, bes. wenn sie kaltblütig genug sind, um ihren Schuß immer erst in der Nähe abzugeben. Gegen Artillerie kann die Infanterie füglich nur offensiv verfahren; Schützen nähern sich der Artillerie bis auf wirksame Schußweite u. suchen dieselbe, nachdem die Particularbedeckung der Batterie aus dem Felde geschlagen ist, so zu beunruhigen, daß sie zurückgehen muß. Bei der heutigen Vervollkommnung der Feuerwaffen muß der Infanterie ein gewisses Übergewicht über die Artillerie zugestanden werden. Wenn Infanterie sich gegen Artillerie zu vertheidigen hat, so besteht ihr bester Schutz darin, daß sie durch sorgfältige Benutzung aller Deckungen des Terrains sich gegen die Wirkung der Artilleriegeschosse sicher zu stellen sucht.

B) Die Cavallerie ist ihrer Natur nach stark in der Offensive u. schwach in der Vertheidigung, sie muß daher stets die Nähe des Feindes suchen, dagegen alle Verhältnisse, wo sie unthätig dem feindlichen Feuer ausgesetzt ist, möglichst vermeiden. Darnach erhält das G. der Cavallerie seinen eigenthümlichen Charakter; nicht mit dem Feuergewehr, sondern mit der blanken Waffe hat sie den Sieg zu entscheiden, ein festgeordneter, rascher Angriff macht das Wesen ihrer Taktik aus. Cavallerie gegen Infanterie greift dieselbe womöglich in der Flanke an, während sie die Fronte nur beschäftigt; in die Infanterie in Quarrés formirt, so richtet sie ihren Angriff auf die Ecken derselben. Sie unternimmt diesen Angriff nur, wenn die Infanterie schon geraume Zeit gefeuert hat, welches Feuer sie ihr durch Blänker ablocken sucht, od., wenn die Infanterie (durch Artilleriefeuer) in Unordnung gebracht ist. In der Regel erfolgt der Angriff auf ein Quarré escadronsweise en échelons, od. die einzelnen Escadrons mit halben od. ganzen Escadronsdistancen hinter einander. Wird der Angriff der ersten Escadron abgewiesen, so löst sich diese in Blänker auf u. formirt sich wieder hinter den anderen Escadrons, u. die zweite u. folgenden versuchen ebenso den Angriff. Dringt die erste Schwadron in die Infanterie ein, so unterstützen sie die herbeieilenden folgenden. Hier u. bei dem G. von Cavallerie gegen Cavallerie kommt der Angriff en échelons u. noch mehr der en muraille immer weniger vor. Bei Cavallerie gegen Cavallerie entscheidet bes. der Nachdruck des Angriffs. Auf die Güte, Kraft u. Größe der Pferde kommt daher auch viel an, auch darauf, daß der Angriff nicht zu zeitig beginnt. Auch das Überflügeln ist wichtig, u. man sucht daher beim Angriff dem Feinde immer einen Flügel abzugewinnen Leichte Cavallerie pflegt schwere nicht gleich Anfangs anzugreifen, sondern sie durch Blänker zu beschäftigen, ihre Blänker zu werfen u. ihr in die Flanke zu kommen etc. Hat die schwere Cavallerie sich hierdurch zu Angriffen auf einzelne Abtheilungen verleiten lassen u. ist sie hierauf aus einander gekommen u. in Unordnung gerathen, so attaquirt sie alle Abtheilungen, sich vereinigend, auf einmal. Schwere Cavallerie ist hier meist im Nachtheil. Schwere Cavallerie hat sich vornehmlich geschlossen zu halten u. ihre Flanken zu decken. Thut sie dies u. braucht man die Cavallerie massenweise zu Angriffen[51] in Colonnen von Escadrons- od. doppelter Escadronsbreite, so kann man selbst mit schlechter Cavallerie Großes ausrichten. Hat Cavallerie den Feind geworfen, so verfolgt sie ihn mit Blänkern u. formirt, immer avancirend, ihre Escadrons wieder. Selbst geworfen, suchen die Offiziere die am weitesten fliehenden Leute wieder zu sammeln. Gegen Artillerie attaquirt die Cavallerie entweder in großen Schwärmen, od. in Linie od. Colonne, wo sie so schnell wie möglich den Raum, wo ihr die Kartätschen am meisten schaden können, zurückzulegen versucht. Vertheidigung der Cavallerie kann nur im Zusammenhang mit anderen Waffengattungen geschehen, u. auch hier muß sie sogleich wieder zum Angriff übergehen. Reiterei gegen Fußvolk kann eigentlich nie in den Fall der Vertheidigung kommen, allerdings sind einzelne seltene Fälle vorgekommen, wo sehr gutes Fußvolk schlechte Reiterei in Linie mit dem Bajonnet angriff u. warf, allein auch hier wirkte mehr das Ungewohnte, Überraschende. Reiterei gegen Reiterei wird stets unterliegen, wenn sie den Gegner stehend erwartet. Sie muß daher, an Zahl physisch od. moralisch schwächer, wenn der Feind den Galopp beginnt, Kehrt machen u. sich rückwärts zur Seite ausweichend od. im excentrischen Rückzug nach mehreren Seiten, in mehreren Abtheilungen zurückziehen, od. ist sie stärker, od. meint sie es moralisch zu sein, ihm im Gegenchoc entgegen gehen. Dabei muß die letzte Strecke auch im Carrière zurück gelegt werden. Überflügelung des Gegners wird hierbei wahrscheinlich entscheiden. Beim Choc muß sie stets eine Abtheilung zurücklassen; bei der Vertheidigung ist dies um so nöthiger, damit, wenn der Gegenchoc mißlingt, die Reserve die Verfolgenden attaquiren u. vielleicht werfen kann. Cavallerie gegen Artillerie kann sich nur durch Aufstellung in einer gegen Kugeln gedeckten Falte des Terrains sichern, welche sie um so leichter finden wird, da sie ihrer Natur nach sehr beweglich ist u. im Nothfall einige hundert Schritt schnell herbeieilen kann. Findet sie aber kein solches Terrain, so bleibt ihr nichts übrig, als das Feuer ruhig auszuhalten, u. wenn einige Kugeln eingeschlagen sind, die Stellung zu ändern, um den Feind in seiner Richtung irre zu machen, od. die Geschütze, welche sie geniren, zu nehmen.

C) Ihrem Wesen nach ist die Artillerie eine rein defensive Waffe; ihr Hauptzweck ist die Unterstützung der übrigen Truppen. Dieser Zweck wird theils durch die unmittelbare Zerstörung eines möglichst großen Theils der feindlichen Streitkräfte u. Deckungen, theils dadurch erreicht, daß die Artillerie das Feuer der feindlichen Geschütze auf sich zieht u. von den anderen Truppen ablenkt. Diese erhalten dadurch die nöthige Freiheit in ihren Bewegungen u. können den Sieg über den durch Geschützfeuer erschütterten Feind um so sicherer erringen. Bei einem glücklichen Ausgange des G-s dient sie zu einer kräftigen Verfolgung des Feindes; im entgegengesetzten Falle vermag sie mit ihr ein Feuer den nachdrängenden Feind aufzuhalten. Sie kann keinen Kriegszweck vollenden, aber ohne ihre Vorbereitung wird der Zweck selten erreicht; es gibt keinen Kriegszweck, welcher nicht durch Artillerie erleichtert werden könnte, sobald das Terrain nur ihre Anwendung gestattet. In Schlachten aber kann ihr, in große Massen formirt, noch die besondere Bestimmung zugewiesen werden, auf einem gewissen Punkte eine entscheidende, große Wirkung hervorzubringen. Die Artillerie kann sich ebenfalls der geschlossenen wie der zerstreuten Ordnung für das G. bedienen Gutes Treffen bleibt, bei großer Bewegungsfähigkeit, in beiden Arten der Kampfordnung die Hauptsache. Da die Artillerie, mit dem Feinde unmittelbar zusammengestoßen, nur geringen od. gar keinen Widerstand zu leisten vermag, so muß sie stets vom Zerstörungsobject entfernt bleiben u. darf sich niemals ganz allein überlassen sein, sie muß entweder in dem allgemeinen Truppenverbande, od. durch eine besondere Bedeckung den nöthigen Schutz erhalten. Vor dem Beginn des G-s setzt die Artillerie Alles in gehörigen Stand, schickt die Vorrathswagen, Feldschmiede, Munitionswagen bis auf den nöthigen Bedarf außerhalb des Kanonenfeuers zurück, schließt die Protz- u. Laffetenkästchen auf etc. Die Batterie hält sich dann möglichst verdeckt u. marschirt, wenn sie gebraucht wird, so schnell als möglich ans der Colonne in Linie auf, protzt eben so schnell ab (beides wo möglich auf einem vom Feinde nicht gesehenen Terrain) u. avancirt dann, wenn es das Terrain zuläßt, am Langtau. Auch aufmarschirt, maskirt man die Batterie bis auf die wirksame Schußweite durch Truppen. Am Punkt, wo man feuern soll, angekommen, stellt man wo möglich die Protze u., bei der reitenden Artillerie, die Reitpferde der Mannschaft gegen das Kanonenfeuer des Feindes gedeckt auf, ohne sie aber zu weit zu entfernen, od. andere Rücksichten einer guten Stellung zu vergessen. Die beste Aufstellung der Geschütze ist auf einer sauft nach dem Feinde ablaufenden Höhe; minder gut ist die in einer Ebene, am nachtheiligsten, bergauf schießen zu müssen. Harter, fester Boden, wie Viehweiden, Wiesen, Brache, ist für den Schuß am besten, am schlechtesten morastiger. Über ein Thal hinweg zu schießen, thut der Richtigkeit des Schusses Eintrag, wellenförmiges Terrain vor der Fronte schwächt die Wirkung der Kartätschen. Beim Debouché eines Defilés fährt man die Geschütze etwa 300 Schritt hinter ihm auf, um den Feind, wenn er aus ihm hervorkommt, mit Kartätschen zu beschießen. Kleine Hügel, Gräben etc. benutzt man, um die Geschütze wenigstens in etwas gedeckt aufzustellen, u. hilft hier guck mit dem Spaten nach. Das Geschütz steht, wenn man angreift, in mehreren Batterien auf einem Punkt u. beschießt sodann die Stelle, wo der Angriff erfolgen soll, concentrisch. Außerdem vertheilt man noch die Batterien auf der ganzen Linie. Stets läßt man eine Reserve von Geschütz u. wählt hierzu meist die reitende Artillerie u. die zwölfpfündigen Batterien. Das Feuern geschieht entweder langsam von einem Geschütz nach dem andern, wenn der Feind noch weit entfernt ist u. das G. nur hingehalten werden soll, od. schnell, wobei jedes Geschütz feuert, sobald das nebenstehende geladen hat, od. es geschieht in Zügen (zwei Geschütze), mit halben od. ganzen Batterien, letzteres namentlich, wenn die Geschütze maskirt standen u. durch ihr Gesammtfeuer überraschen sollen. In Betreff der Wahl der Zielpunkte steht die Regel fest, daß die Artillerie stets das beschießt, was dem allgemeinen Zwecke am nachtheiligsten ist; daher muß den Umständen gemäß verfahren werden. Hauptgrundsatz ist dabei: nur zu schießen, wenn man treffen kann, u., je näher der Feind, desto schneller, aber nie übereilt. Die Batterien[52] auf den Flügeln schießen bes. nach der Cavallerie, die Batterien der Mitte auf den projectirten Angriffspunkt. Womöglich müssen die Batterien sich flankiren, d.h. Kreuzfeuer gewähren. Können sie so aufgestellt werden, daß in ihrer wirksamsten Schußweite der Feind Terrainhindernisse langsam zu passiren genöthigt ist, so ist das sehr günstig. Der Weg zum Rückzug muß leicht sein u. nicht nach der Flanke gehen. Die eigentlichen Positionsgeschütze, die Zwölfpfünder, werden nur zur Vertheidigung des Punktes, welchen der Feind passiren muß, verwendet, sonst aber auf den Flügeln u. im Centrum aufgestellt; die sechspfündigen Batterien zwischen ihnen, die Haubitzen so, daß sie Punkte, wo sich der Feind hinter Ravins, Gebüschen u. dgl. verbirgt, mit Granaten bewerfen können. Eine Artilleriereserve, wozu bes. reitende Artillerie u. sonst sechspfündige Fußbatterien dienen, wird aufgestellt, um beweglich nach dem bedrohten Punkt zu eilen u. diesen zu schützen. Nöthigenfalls fahren sie in der Flanke des feindlichen Angriffs auf u. wehren diesen oft durch die unerwartete Bewegung ab. Jede Batterie wird von Cavallerie u. Infanterie, wo möglich von Beiden gedeckt u. muß bes. Acht auf die Flanken geben, da die Front meist hinlänglich durch das eigene Kartätschenfeuer der Artillerie gesichert ist. Artillerie gegen Infanterie feuert zuerst in der Entfernung von 1500 Schritt an mit Kugeln, dann bei Positionsgeschütz von 1000 Schritt an mit Shrapnels, von 800 Schritt an mit zwölflöthigen Kartätschen, von 600 Schritt an mit sechslöthigen u. von 400 Schritt an, bei Zwölfpfündern, mit dreilöthigen, von 300 Schritt an, bei Sechspfündern, mit zweilöthigen Kartätschen. Selten dringt die Infanterie, wenn nicht ungünstige Fälle eintreten, od. die Artillerie ohne Munition ist, bis zu den Geschützen vor. Ist das Terrain vor den Geschützen faltig, so werden zuweilen Tirailleurs sich in Weite des kleinen Gewehrschusses verbergen u. die Artilleristen tödten. In diesem Falle sendet man eigene Tirailleurs, wenn das Terrain es erlaubt über dieselben weg zu schießen, gegen die feindlichen Tirailleurs vor die Geschütze od. zwischen dieselben vor, od. man wirst die zwischen die Geschütze eingedrungenen Feinde durch die Bedeckung zurück. Infanterie, welche gegen die Flanken vordringt, weißt die Deckung der Geschütze zurück. Von Artillerie gegen Cavallerie gilt ziemlich dasselbe, nur hat die Cavallerie durch die Schnelligkeit Vortheile u. wird zuweilen zwischen die Geschütze eindringen, öfter aber gefährliche Flankenbewegungen machen können. Die Cavalleriebedeckung muß sie aber zurückschlagen. Gegen Cavallerie wie gegen Infanterie wird aber die Artillerie um so mörderischer wirken, je näher in ihren Bereich sie dieselben kommen läßt. Sie darf daher nicht zu früh abfahren, um sich zurückzuziehen. Vielmehr muß sie noch 180 Schritt weit u. auch näher eine Salve geben, u. dann müssen die Artilleristen sich mit dem Ladezeug hinter die Bedeckung u. im Nothfall in die Quarrés flüchten. Doppelt nachtheilig ist es aber, gegen einen Cavallerieangriff aufzuprotzen u. abzufahren, denn bei diesem wird die Artillerie fast immer eingeholt. Artillerie gegen Artillerie sucht bes. den Gegner wirksam zu beschießen, wenn er noch in Bewegung ist u. eben in Schlachtordnung auffährt, od. beim Abprotzen der Geschütze die breite Seite derselben zeigt. Sie fährt damit nun so lange fort, als sich von Cavallerie u. Infanterie nichts als die Bedeckung des feindlichen Geschützes zeigt, geht aber, sobald sich eine Angriffscolonne des Gegners bildet, sogleich von dem Feuer gegen Artillerie ab, um sich ganz gegen jene zu wenden. Zieht sich Artillerie zurück, so fährt das Geschütz nach u. nach ab, das zuerst zurückgegangene nimmt dann rückwärts eine Stellung u. deckt den Rückzug des noch gebliebenen.

D) Allgemeine Regeln, welche eine bestimmte Gebrauchsweise der verbundenen Waffen für alle denkbaren Fälle vorschreiben, lassen sich nicht aufstellen, da bei dem Gange eines G-s so vielerlei Kräfte in Anschlag gebracht werden müssen, welche außerhalb jeder menschlichen Vorausberechnung liegen, daß meist nur an Ort u. Stelle u. im Augenblick der Entscheidung die zweckmäßigen Bestimmungen über Verwendung der einzelnen Waffen gegeben werden können. Hauptsächlich das Terrain entscheidet darüber, welche Truppengattung verwendet werden muß, dann aber auch die Maßnahmen des Feindes. Im freien, offenen Terrain wird bes. die leichte Cavallerie das G. eröffnen, unterstützt von reitender Artillerie; im coupirten Terrain Infanterie mit Artillerie. Im Allgemeinen läßt sich dann sagen, daß hauptsächlich diejenige Truppengattung, an welcher man dem Feinde überlegen ist, oft eine schnelle Entscheidung herbeizuführen vermag. Der richtige Gebrauch u. die Zusammenwirkung aller Waffen beseitigt jene Nachtheile, welche bei jeder der einzelnen Waffen od. bei der Verbindung von nur zwei derselben sich herausstellen, u. verleiht die größte Selbständigkeit u. Unabhängigkeit vom Wechsel des Terrains. Die Gefechtsweise der verschiedenen Truppengattungen wird aber auch hierbei wesentlich dieselbe sein, wie in dem G., welches sie selbständig durchführen. Die Lehre, welche die Regeln für das G. angibt, heißt Taktik, s.d., dort auch die bezügliche Literatur.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 49-53.
Lizenz:
Faksimiles:
49 | 50 | 51 | 52 | 53
Kategorien:

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Rameaus Neffe

Rameaus Neffe

In einem belebten Café plaudert der Neffe des bekannten Komponisten Rameau mit dem Erzähler über die unauflösliche Widersprüchlichkeit von Individuum und Gesellschaft, von Kunst und Moral. Der Text erschien zuerst 1805 in der deutschen Übersetzung von Goethe, das französische Original galt lange als verschollen, bis es 1891 - 130 Jahre nach seiner Entstehung - durch Zufall in einem Pariser Antiquariat entdeckt wurde.

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon