Taktik

[210] Taktik (v. gr., Gefechtslehre). I. Landtaktik, die Wissenschaft u. Kunst, die verschiedenen Truppengattungen (Infanterie, Cavallerie u. Artillerie) sowohl in einzelnen Abtheilungen, als in größeren Massen aufzustellen u. gegen den Feind möglichst zweckmäßig zu verwenden. Die T. zerfällt in die niedere (Elementar-) T., wo die Stärke der Abtheilung nicht die eines Bataillons, einer Schwadron od. einer Batterie übersteigt, u. zu welcher die Logistik, die Berechnung der zu einer Bewegung nöthigen Zeit, gehört; u. in die höhere T., von der Stärke eines Bataillons, eines Regiments, mehrer Batterien bis zur Stärke eines Corps u. selbst einer Armee; hierher gehört die T. der verbundenen Waffen (Divisionstaktik). Man theilt die T. auch in reine T., welche die Ablichtung der Individuen nach den verschiedenen Waffengattungen begreift; als Vorbereitung hierzu dienen: Schwimmkunst, Fecht-, Turn- u. Reitkunst, Fuhrwesen; als Ausführung begreift sie die Ausbildung des Fußvolks, der Reiterei, der Artilleristender Pionniere zum Soldaten u. die Bildung u. Bewegung von Truppenhaufen bis zur Größe eines Bataillons od. Regiments; die angewandte T. begreift die Lehre von den Märschen, die Maßregeln dazu, die Instandsetzung der Wege, das Brückenschlagen etc.; die Lehre von den Lagern, Bivouacqs, Cantonnirungen, Positionen; die Lehre von dem Angriffe (Stellung, Bewegung, Verbindung der einzelnen Waffengattungen u. Gebrauch derselben nach dem Terrain), u. zwar in offener Schlacht u. auf Märschen, gegen Festungen, Schanzen, feste Positionen, Brücken, Dörfer, Häuser; die Lehre von der Vertheidigung; die Lehre von den Recognoscirungen; die Lehre von dem kleinen Krieg. Vgl. von Brandt, Grundzüge der T. der drei Waffen, Berl. 1859; G. von Berneck, Elemente der T. aller Waffen, ebd. 1858; C. v. Decker, Die T. der drei Waffen, ebd. 1851; C. W. Tönitz, T. der Infanterie u. Cavallerie zum Gebrauch für Offiziere aller Grade u. Waffen, Adorf 1859; von Quistorp, Grundzüge der T.. Berl. 1860; W. Rüstow, Allgemeine T., Zür. 1858; G. von Griesheim, Vorlesungen über die T., Berl. 1860; Renard, Considérations generales sur la tactique de l'infanterie en Europe, 1860. II. Seetaktik, die Wissenschaft von den Stellungen u. Bewegungen der Kriegsschiffe, deren Kampfplatz die Hohe See ist. Sie lehrt zuerst alle Manöver, welche nothwendig werden können, um den Feind anzugreifen, od. demselben erforderlichen Falls mit Klugheit auszuweichen. Weil aber Wind u. Wasser vielen Veränderungen unterworfen sind, welche die gemachten Anordnungen auf vielfache Weise stören, so zeigt die Seetaktik auch, wie solche Störungen auf die zweckmäßigste Weise gehoben u. die erforderlichen Anordnungen wieder hergestellt werden können. Die Manöver lassen sich theoretisch nach allgemeinen Regeln kennen lernen; allein ihre Anwendung bei den vorkommenden Gelegenheiten erfordert von einem Admiral od. Flottenführer Urtheilskraft, Geistesgegenwart u. Erfahrung. Die Hauptmanöver bestehen in der Marschordnung, Schlachtordnung od. Schlachtlinie, Jagdordnung u. Reträt- od. Rückzugsordnung, Entern u. Landungen. Die beiden Hauptgegenstände der Seetaktik sind: das Manövriren einzelner Schiffe, so weit es im Allgemeinen von Wind u. Wasser abhängt, u. das Manövriren ganzer Flotten, so weit, es nicht zu den einzelnen Ordnungen gehört, od. allgemeine taktische Bewegungen gegen den Feind; diese letztern sind: dem Feinde den Wind abgewinnen, ihn zum Gefechte zwingen, ihn umgehen wenn er luvwärts ist, umgehen wenn er leewärts ist, die feindliche Linie durchbrechen, das Durchbrechen zu verhindern, das Gefecht vermeiden, wenn man auf der Luvseite ist, das Gefecht vermeiden, wenn man auf der Leeseite ist.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 210.
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