Abschneiden

[97] Abschneiden, verb. irreg. act. S. Schneiden.

1) Durch Schneiden absondern, und zwar, (1) eigentlich, vermittelst des Messers, der Schere, der Säge und der Sichel. Haare, Wolle abschneiden. Gras, Getreide abschneiden. Ein Stück Brot, etliche Ellen von einem Stücke Tuch abschneiden. Sich die Kehle abschneiden. Ingleichen durch Schneiden kürzer machen, beschneiden. Sich die Nägel abschneiden. Eine Gans, ein Huhn abschneiden, demselben den Hals abschneiden. Etwas auf dem Kerbholze abschneiden, abrechnen. Abschneiden, oder ein Abschneiden halten, heißt daher bey den Tuchmachern und Walkmüllern so viel, als mit einander abrechnen, weil ihre Rechnungen noch auf Kerbhölzern geführet werden, die man alsdann abzuschneiden[97] pfleget. Der Tag da solches geschieht, wird daher auch ein Abschneidungs-Termin genannt. Mit der Säge abschneiden, bey den Tischlern und Holzarbeitern, für absägen. Einem den Lebensfaden abschneiden, für tödten, ist eine sinnbildliche R.A. aus der alten Mythologie, wo das menschliche Leben mit einem von den Parcen gesponnenen Faden verglichen wurde. (2) In figürlichem Verstande, (a) der Annäherung einer Sache, als eine Mittels der Wohlfahrt plötzlich berauben. Einem den Weg, den Zugang abschneiden. Einer Stadt das Wasser abschneiden, abgraben. Dem Feinde die Lebensmittel abschneiden, die Zufuhre derselben hindern. Durch Abwerfung einer Brücke dem Feinde die Flucht, den Rückweg abschneiden. Ein Corps, ein Regiment, ein Schiff abschneiden, denselben den Weg zur Hauptarmee, zur Flotte verrennen. Einem die Hoffnung, die Gelegenheit, die Ursache zu etwas abschneiden, plötzlich und gänzlich benehmen. In der äußersten Noth, da alle andere Zuflucht mir abgeschnitten war, Dusch. Ich glaubte, ihm dadurch alle seine eiteln Hoffnungen gänzlich abzuschneiden, ebend. Einem alle Ausflüchte, allen Vorwand abschneiden. Alles ist uns abgeschnitten, es sind uns alle Hülfs- und Rettungsmittel benommen. (b) Einem seine Ehre abschneiden, durch Verleumdung derselben berauben. (c) Sich aufschneiden, in seinem Fortgange plötzlich aufhören. So sagt man in den Bergwerken, die Erze schneiden sich ab, der Gang schneidet sich ab, wenn sie auf einmahl aufhören.

2) Durch Schneiden nachbilden. Eine Kappe, eine Haube abschneiden, von derselben ein Muster in Papier nachschneiden. Daher die Abschneidung in allen obigen Bedeutungen. S. auch Abschnitt. Anm. Bey dem Kero, dem ältesten Oberdeutschen Schriftsteller, heißt dieses Zeitwort abasnidan, und die heutigen Oberschwaben sprechen es noch jetzt abaschnidan aus.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 97-98.
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