Age, die

[182] Die Age, plur. die -n, in der Landwirthschaft, die kleinen zerbrechlichen Stacheln, die so wohl von den Ähren des Getreides im Dreschen, als auch von dem Flachse im Brechen und Schwingen abgesondert werden, und auch wohl in der verkleinernden Form Ageln, und in Niedersachsen Acheln genannt werden. In Strasburg heißen sie Aigle, in der Wetterau die Anen, zu Augsburg die Äge, im Holsteinischen die Eilen, in Thüringen die He#ben, im Erzgebirge Hecheln. Wenn die Agen von dem Getreide mit den Hülsen des ausgedroschenen Kornes vermischt sind, so bekommen sie auch den Nahmen der Spreu, und in Niedersachsen des Kaffes, so wie die Agen, von dem Flachse und Hanfe im Nieders. Scheve heißen, ohne Zweifel von schaven, schaben. Die Spitzen selbst aber an den Getreideähren werden in Oberdeutschland auch Ahnen, Äge, Aglest, Aun, in der Lausitz Gracheln, in Meißen Hachein, in der Schriftsprache und bey den neuern Botanicis Grannen, im Hennebergischen Ännen, in Niedersachsen Einen und um Bremen Eien genannt.

Anm. Agen, Fränk. und Alemann. Agena, Goth. Ahana, Griech. αχνα, αχνƞ, Lat. Achne, und Acus, -eris, Angels. Egle, Eglan, Schwed. Agn, Engl. Awn, bedeuten insgesammt die langen dünnen Stacheln an den Getreideähren, und zuweilen auch die Spreu, und gehören zu einem weitläuftigen Geschlechte von Wörtern, in welchen der Begriff der Spitze oder Schärfe der Hauptbegriff ist, die daher auch so wohl in der Deutschen, als auch in andern Sprachen ihren gemeinschaftlichen Ursprung nicht verläugnen können. In einer alten Deutschen Bibel vor Luthern bedeutet es einen Splitter, und ist daselbst zugleich männlichen Geschlechts: was siehest du den Agen in deines Bruders Auge? Matth. 7, 3. S. auch Ahl, Art, Ecke, Egel, Igel u.a.m. Im Singular kommt es ganz natürlich nicht so oft vor, als im Plural, ohne daß man ihm deswegen jenen absprechen dürfte.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 182.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: