Ahnden (1)

[185] 1. Ahnden, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, eine dunkele Empfindung von einer künftigen Sache haben. Es wird auf gedoppelte Art gebraucht. 1) Als ein persönliches Verbum. Was ahnden sie? was sagen sie? Göthe. Ein kleiner Anfangsversuch[185] an dem man aber, was noch dahinten sey, ahnde und rathe, Herd. Daher haben denn auch einige das Particip. Präf. gebraucht. Meine ahnende (andende) Angst hatte nicht falsch geweissaget. Mit ahnender Betrübniß, Schleg. Da diese ganze persönliche Form mehr Nieder- als Hochdeutsch ist, so gilt dieses vornehmlich auch von dem Participio. 2) Am häufigsten unpersönlich, mit der dritten Endung der Person. Es ahndet mir nichts Gutes, oder mir ahndet nichts Gutes. Das hat mir lange geahndet. Meinem Herzen ahndete ein Unglück.


Es ahnt mir, Schlesien verliere seine Schwäne;

Ich sah sie, sah ich recht, vorlängst nach Norden fliehn,

Günth.


Anm. Bey den Niedersachsen bedeutet es auch Empfindung, Begriffe von etwas haben; z.B. das Kind ahnet die Schläge noch nicht, hat noch keine Begriffe davon. Eben dieselben schreiben und sprechen gern ahnen, und die gröbern Mundarten aunen, so wie sie das d und t in der Mitte vieler andern Wörter aus Trägheit verschlucken; z.B. been, für beden, oder Hochdeutsch bethen, döen, für tödten, höen, für hüten u.s.f. Indessen ist es doch in diesem Worte bey ihnen nicht allgemein, denn man findet bey ihnen auch aanden. Es ist also ein Fehler, wenn manche Hochdeutsche die Niedersächsische Bequemlichkeit nachahmen und gleichfalls ahnen schreiben und sprechen; zumahl da sogleich erhellen wird, daß das d zur Wurzel gehöret. Denn Frischens Ableitung von an, und Ihre's von ohne, so daß die Empfindung des Mangels der Stammbegriff sey, sind viel zu künstlich und unwahrscheinlich. Es ist vielmehr glaublich, daß in dem vorhin gedachten Niedersächsischen aanden, Begriff von etwas haben, empfinden, der Stammbegriff verborgen liegt, und dann kann man mit Wachtern immer das alte Nordische Ande, Aund, Geist, für das Stammwort annehmen, welches noch jetzt im Isländischen Ond, im Dänischen aber Aand lautet. Ahnden kommt in der Bedeutung der dunkeln Empfindung des Zukünftigen bey den Fränkischen und Alemannischen Schriftstellern, so viel ich weiß, nicht vor, wohl aber das gleichbedeutende Suanon, welches noch in Niedersachsen üblich ist, S. Schwanen, ingleichen das folgende.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 185-186.
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