Ansetzen

[369] Ansètzen, verb. reg. welches in zweyerley Gattung üblich ist.

I. Als ein Activum, eine Sache an die andere setzen, der andern setzend nähern, und zwar,

1. In eigentlicher Bedeutung. Den Stuhl zu nahe an die Wand ansetzen. Einen Topf ansetzen, an das Feuer. Das Glas ansetzen, an den Mund, um zu trinken. Ein Instrument ansetzen, an den Mund, um zu blasen. Sich einen Blutigel ansetzen. Die Klauen ansetzen, einschlagen. Die Lanze, den Spieß ansetzen. Das Eisen ansetzen, oder nur schlechthin ansetzen, in den Bergwerken, das Eisen an das Gestein setzen, und figürlich, anfangen zu arbeiten. Die Feder ansetzen, anfangen zu schreiben. Acht Wochen lang habe ich keine Feder ansetzen dürfen, habe ich nicht schreiben dürfen. Den Rocken oder Weitzen ansetzen, in der Landwirthschaft, eine Art des Mähens, S. Anhauen.

Hierher gehöret auch das Reciprocum sich ansetzen, für, sich anlegen, sich an einer Fläche fest setzen, oder an derselben zum Vorscheine kommen. Den Weinstein setzt sich in den Fässern an. Die Speise setzet sich in dem Topfe an, wenn sie nicht umgerühret wird. Es haben sich viele Krystallen an dem Rande angesetzet.

2. In weiterer Bedeutung, zwey Körper mit einander verbinden, da es denn ein allgemeiner Ausdruck ist, der die Art der Verbindung unbestimmt lässet. So bedeutet ansetzen bey den Schneidern und Nähterinnen, so viel wie annähen. Einen Ärmel ansetzen, noch ein Stück daran setzen. Bey den Feuerwerkern, die Ladung eines Geschützes, einer Rakete u.s.f. fest anstoßen; im Hüttenbaue, das Erz und die Beschickung zum Schmelzen auftragen; bey den Buchbindern, die Deckel an die Bücher leimen, wo das Wort auch wohl metonymisch gebraucht wird, die Bücher mit Pappendeckeln, mit Bretern ansetzen.

3. In figürlicher Bedeutung. 1) Anschreiben, anrechnen. Einem etwas ansetzen. Wie hast du mir das angesetzet? Das ist zu hoch, zu theuer angesetzet. Ich habe es ihnen bereits angesetzet, auf ihre Rechnung gesetzet. Ingleichen, schätzen, taxiren. Wir sind in der Steuer sehr hoch angesetzet. Eben so wurden in dem Lateine der mittlern Zeiten assedare, assedere und assidere gebraucht. 2) Bestimmen, fest setzen, doch nur von der Bestimmung einer künftigen Zeit zu einem Geschäfte. Einen Tag ansetzen. Einen Tag zu etwas ansetzen. Ich habe ihm eine Stunde angesetzet, in welcher ich ihn sprechen will. 3) Zu einem gewissen Gebrauche, in einer gewissen Absicht hinsetzen. Bauern ansetzen, seßhaft machen, einsetzen. Bäume ansetzen, anpflanzen. Essig ansetzen, Bier oder Wein hinsetzen, damit es zu Essig werde. Dinte ansetzen, die nöthigen Stücke dazu mit einander vermischen. Vielleicht gehöret hierher auch das Ansetzen, in der Bedeutung der Schmelzhütten, da man das Auftragen der Erze und der Beschickung zum Schmelzen darunter verstehet. 4) Um Geld betriegen. Einen ansetzen. Diese Bedeutung ist im Oberdeutschen sehr üblich, im[369] Hochdeutschen aber, wenigstens in der Sprache des täglichen Umganges, wenig bekannt.


Wer die geile Thamar küßt,

Und sein Ziel dabey vergißt,

Setzt mit leerem Dunst und Wahn

Niemand, als sich selber an,

Gryph.


Ansetzen kommt in dieser Bedeutung einiger Maßen mit dem Lat. insidere überein, welches auch nachstellen bedeutete. Arripuitque locum et sylvis insedit inquis, heißt es bey dem Virgil, Äneid. B. II. Auch das Griech. ενεδραν war für nachstellen gewöhnlich, und das Schwed. und Isländ. Saetta haben noch eben dieselbe Bedeutung.

II. Ein Neutrum, welches mit dem Hülfsworte haben verbunden wird. 1) Sich mit Ungestüm nähern, feindlich anfallen. An den Feind ansetzen. Die Reiterey setzte muthig an. Das Schwed. ansåtta ist auf gleiche Art üblich, und Ihre bemerket dabey, daß auch das Griech. εφεζεσθα und κατεζεσθα eben dieselbe Bedeutung gehabt. In weiterer Bedeutung, eine Handlung mit Anstrengung anfangen. Er setzte drey Mahl an, eine Last zu heben. 2) Fortdauern, sich in die Länge erstrecken, doch nur in der bergmännischen R.A. das Erzt setzt an, bleibt beständig vor Ort, dauert ununterbrochen fort, im Gegensatze des Absetzens. 3) Fett erzeugen. Ein Thier setzt gut an, wenn es gehörig fett wird. 4) Empfangen, doch nur von einigen Thieren. Die Stute hat angesetzet.

Das Hauptwort die Ansetzung kann in allen Bedeutungen des Activi gebraucht werden.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 369-370.
Lizenz:
Faksimiles:
369 | 370
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika