Ansprechen

[374] Ánsprêchen, verb. irreg. (S. Sprechen,) welches in doppelter Gattung üblich ist.

I. Als ein Neutrum, mit haben, laut werden, einen Ton von sich geben, aber wohl nur allein von musikalischen Instrumenten. Wenn die Canzellen in den Orgeln Risse bekommen, so sprechen oft die Nebenpfeifen zugleich mit an.

II. Als ein Activum.

1. Mit Worten anzeigen. In dieser Bedeutung kommt es nur noch bey den Jägern vor, wo man einen Hirsch, oder eine Sau anspricht, wenn man anzeiget, daß man sie gesehen habe. Ingleichen nennen, doch auch nur bey den Jägern. Im dritten Jahre wird ein junges Schwein nicht mehr Frischling angesprochen, genannt. In der Brunst wird das Schwein ein Keiler, die Sau eine Bache, oder das Schwein für einen Keiler, die Sau für eine Bache angesprochen. Zu frey heraus ansprechen, eben daselbst, zu voreilig urtheilen. Daß das einfache sprechen ehedem auch so viel als nennen, ingleichen mit Worten ausdrücken, bedeutet habe, ist an seinem Orte gezeiget worden.

2. Zu einem sprechen, die Rede an ihn richten, ihn anreden. 1) * Überhaupt, für anreden, Nieders. anspreken, welche Bedeutung aber im Hochdeutschen veraltet ist, ob sie gleich im Oberdeutschen häufig vorkommt. 2) Insbesondere, mit verschiedenen Nebenbegriffen. (a) * Grüßend anreden. Ich will mit wenig Volk kommen, friedlich, daß ich dich anspreche, 1. Maccab. 7, 28. Da sprachen sie einander an, und blieben über Nacht da bey einander, Kap. 11, 6. Daß ich euch sehen und ansprechen möchte, Apostelg. 28, 20. Ingleichen für besuchen, zu einem gehen, in welcher Bedeutung es unter andern im Schwabenspiegel Kap. 9, 2. vorkommt. In beyden Fällen ist es im Hochdeutschen gleichfalls veraltet, nachdem es im gemeinen Leben durch das Wort zusprechen verdränget worden. Doch sagt man noch bey einem ansprechen, auf der Reise einen kurzen Besuch bey ihm abstatten, bey ihm einsprechen. Er hat unter Weges bey mir angesprochen, Ich wußte nicht, daß er bey mir ansprechen würde. (b) Bittend ansprechen. Einen um etwas ansprechen. Einen um ein Almosen, um eine Gefälligkeit, um ein Darlehn ansprechen. (c) * Fordernd ansprechen. Einen ansprechen, ihn vor Gericht fordern, ihn verklagen. Etwas ansprechen, es in Anspruch nehmen, ein Recht daran zu haben behaupten; im mittlern Latein. [374] adclamare. Einen um etwas ansprechen, gerichtlich belangen. Auch diese Bedeutung kommt nur noch zuweilen in den Gerichten vor. Ehedem war sie in Ober- und Niederdeutschland häufiger, und in dem erstern ist sie es noch. S. Haltaus h. v. wo auch die im Hochdeutschen gleichfalls nicht mehr üblichen Wörter, Ansprecher, Kläger, Ansprechiger, Beklagter, ansprechig, worauf Anspruch gemacht wird, und ansprechiglich, erkläret und erläutert werden. Völlig veraltet aber ist die R.A. einen kämpflich ansprechen, ihn heraus fordern, welche im 13ten Jahrhunderte in Schwaben gänge und gebe war. Nur die Jäger sagen noch von den Saubellern oder Findern, daß sie eine Sau auf dem Lager ansprechen, wenn sie selbige anbellen, und dadurch gleichsam heraus fordern, welches auch verbeilen oder verbellen genannt wird. (d) Das Feuer ansprechen, für besprechen, im gemeinen Leben.

Anm. Opitz sagt an einem Orte, wo er von Thieren spricht:


Das spitzt ein starkes Horn, der spricht die Klauen an.


Ich gestehe gern, daß dieser Gebrauch des Verbi ansprechen, mir völlig unbekannt ist. Vielleicht enthält er ein eben so ungewöhnliches und widersinniges Bild, als die erste Hälfte des Verses, wo wohl niemand das Spitzen der Hörner vertheidigen wird.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 374-375.
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