Augenschein, der

[564] Der Augenschein, des -es, plur. car. das Anschauen, die unmittelbare Besichtigung einer Sache. Etwas in Augenschein nehmen, und, wenn von hohen Personen die Rede ist, nach der übertriebenen Höflichkeit der Hofsprache, etwas in hohen oder höchsten Augenschein nehmen, es mit Aufmerksamkeit besehen.[564] Der Augenschein lehret es, oder gibt es. Auf Augenschein fahren, in den Bergwerken, eine Grube besichtigen. Einen Augenschein, eine gerichtliche Besichtigung, Ocular-Inspection, vornehmen, oder einnehmen. Ein Beweis auf Augenschein, in den Rechten.

Anm. Ehedem bedeutete dieses Wort noch, 1) den Glanz der Augen, oder die Augen selbst, in welchem Sinne es den Dichtern des vorigen Jahrhundertes sehr geläufig war.


Du rissest dir mein Herz hinzu

Mit deiner scharfen Augenscheine,

Opitz.


Dein Augenschein, mit seiner schönen Zier,

Der wolle nun auf deinen Knecht doch sehen,

Opitz. Ps. 119, 68.


2) Den Anblick, die Gegenwart.


– O Herr worauf ich richte

Den ganzen Sinn, das ist dein Augenschein,

Opitz.


In der Bedeutung einer gerichtlichen Besichtigung ist in Oberdeutschland, wenigstens in der Schweiz, auch der Plural die Augenscheine üblich. In dem Canton Glarus hat man ein besonderes Augenscheingericht, dessen Verrichtung mir aber nicht gewiß bekannt ist. Das zusammen gesetzte beaugenscheinigen, in Augenschein nehmen, sollte man immer den Kanzelleyen überlassen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 564-565.
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