B

[677] B, der zweyte Buchstab des Deutschen Alphabetes, welcher mit den Lippen ausgesprochen und wegen seiner Leichtigkeit von den Kindern am ersten und liebsten hervor gebracht wird. Die gewöhnlichste Aussprache desselben hält das Mittel zwischen den mit ihm verwandten p und w; das ist, das b wird weicher als das p und härter als das w ausgesprochen. Nur am Ende eines Wortes oder einer Sylbe nähert es sich dem erstern: z.B. Sieb, Leib, Staub, Dieb, Trieb, Siebmacher, leiblich, Liebling, Triebfeder. Ist aber ein e weggeworfen, so behält es auch hier seine weichere Aussprache, z.B. Hebopfer, Knäblein, Weiblein u.s.f. weil diese Wörter eigentlich Hebeopfer, Knäbelein, Weibelein heißen sollten. Am weichesten wird dieser Buchstab ausgesprochen, wenn er in einfachen Wörtern in der Mitte zwischen zwey Selbstlautern stehet, wo er wenig von dem w unterschieden ist, wie in leben, geben, bleiben, Körbe, Hiebe. In den wenigen einfachen Wörtern, in welchen dieser Buchstab doppelt vorkommt, findet diese weiche Aussprache gleichfalls Statt, wie in Ebbe, Krabbe; kommen aber zwey b durch die Zusammensetzung zusammen, wie in abbrechen, so wird das erste hart, das andere aber gelinde ausgesprochen. S. die Orthogr. Th. 1, S. 155.

Da diejenigen Buchstaben, welche mit einerley Sprachwerkzeugen vorgebracht werden, in allen Sprachen sehr gern mit einander verwechselt zu werden pflegen: so ist solches in der Deutschen auch dem b, f, v, w und p widerfahren. Beyspiele davon findet man in den Schriften der ältern und mittlern Zeiten fast in allen Zeilen. Ob nun gleich die Schreibart seitdem beständiger und gleichförmiger geworden ist, so sind doch noch einige Überbleibsel dieser Verwechselung zurück geblieben; z.B. Gift, von geben, Wapen, von Waffen u.s.f. So schreibt man auch wohl noch jetzt Ingber und Ingwer, Zittwer und Zittber, Wittwe und Wittib. So sehr die Niederdeutsche Mundart diesen Buchstaben liebt, so sparsam gehet die rauhere Oberdeutsche mit demselben um, indem sie fast gar kein Anfangs-B kennet, sonder Par, Pär, Purk, Paum u.s.f. für Baier, Bär, Burg, Baum, spricht, und wenn sie sich selbst überlassen wird, auch schreibet. Das b, welches im Oberdeutschen so gern dem m nachschleicht, als Lamb, frommb, umb, Ambt, nimmbt u.s.f. ist im Hochdeutschen längst verbannt worden.

Das Anfangs-b ist nicht alle Mahl ein Stammbuchstab, sondern oft nur die Ableitungssylbe be, welche ihr e verloren; ein Umstand, welcher für die Wortforschung sehr wichtig ist. Man sehe, was von der Abstammung der Wörter bang, barmherzig, bleiben, Blut, Brücke und hundert anderer angemerket worden.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 677.
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