Bange

[714] Bange, bänger, bängste, adj. et adv. welches die Empfindung einer schmerzhaften Furcht ausdruckt.

1. In eigentlicher Bedeutung, in welcher es als ein Adverbium gebraucht, und mit den Verbis seyn, werden und machen verbunden wird. Die beyden ersten stehen alsdann impersonaliter mit der dritten Endung der Person, das letztere aber erfordert die vierte Endung. Es ist ihm angst und bange. Es ist mir bange um ihn. Dafür ist mir nicht bange. Es ist mir doch bange bey der Sache.


Für Görgen ist mir gar nicht bange,

Gell.


Es wird mir bange. Wird dir schon bange? Gell. Einen bange machen, ihn angst und bange machen. Der Gebrauch mit dem Verbo thun, es thut mir bange, ich sehne mich darnach, ist provinziell und niedrig.


Heut aber zeuch getrost aus Leipzigs Lustgefilden;

Dir kann kein Paradies so sehr nicht bange thun,

Günth.


2. Figürlich, in welcher Bedeutung dieses Wort nur als ein Adjectivum gebraucht wird. 1) Was diese schmerzhafte Furcht verursacht. Die bange Einsamkeit. In den bängsten Nöthen, Schleg. Bange unglückliche Stunde, o, erscheine nie. 2) Was mit derselben verbunden ist. Aus banger Vorsicht, Haged. 3) Was solche empfindet, oder verräth.


Bald schickt ein banges Reich an ihn Gesandten ab,

Haged.


Ein banger angstvoller Blick.

Anm. 1. In der ersten adverbischen Bedeutung werden die Verba seyn und werden in der Niedersächsischen Mundart persönlich gebraucht, ich bin bange, ich werde bange; welche Wortfügung sich denn auch zuweilen in das Hochdeutsche mit einschleicht, wo sie aber alle Mahl fehlerhaft ist.


Was hör ich? ist dein Herz denn unaufhörlich bang?

Schleg.


Der Bös ist unter Hütten und unter Kronen bang?

Dusch.


In Verbindung mit dem Verbe machen setzen einige die dritte Endung der Person, statt der vierten, einem bange machen. Du hast mir ganz bange gemacht, Cron. Diese Wortfügung ließe sich rechtfertigen, wenn bang ein Substantiv wäre, wie man in andern Fällen sagt: einem Angst, Furcht, Freude, Schande u.s.f.[714] machen. Frisch gibt es auch wirklich für ein Substantiv aus. Allein, da solches erweislich unrichtig ist, so wird sich auch die dritte Endung so wenig vertheidigen lassen, als wenn man sagen wollte, einem zornig, lustig, traurig u.s.f. machen.

Anm. 2. Die Abstammung dieses Wortes, welches in den alten Deutschen und verwandten Mundarten selten und fast gar nicht vorkommt, ist noch ungewiß. Wachter leitet es sehr sinnreich von πƞγνυμι, adstringo, ab; Frisch mit eben so weniger Wahrscheinlichkeit von Bann, welches eigentlich ein Einschließen, Binden, bedeutet. Mit mehrerm Grunde kann man es zu dem alten ango, angst, oder auch zu enge, rechnen, weil die Bangigkeit wirklich mit einer Beengung oder Beklemmung der Brust verbunden ist. Das voran gesetzte b kann die Vorsylbe be seyn, welche ihren Vocal auch in vielen andern Fällen wegwirft. Das e am Ende ist um der gelinden Aussprache des g willen nothwendig, weil bang nicht anders als bank gesprochen werden kann, so wie man das g in lang, Gesang u.s.f. spricht. Ehedem wurde bange auch von andern Leidenschaften als der Furcht gebraucht; z.B. von der Sehnsucht:


Die Künigin zu sehen ist mir pang,

Theuerd. Kap. 98.


In einigen gemeinen Mundarten hat man auch das Verbum sich bängen, sich ängsten, welches aber im Hochdeutschen eben so wenig üblich ist, als das Bey- und Nebenwort bangsam, für bange, und das Substantiv Bangsamkeit, für Bangigkeit.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 714-715.
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