Beißen

[825] Beißen, verb. irreg. neutr. et act. Imperf. ich bíß, Supin. gebissen; mit den Zähnen drücken oder verwunden. Im ersten Falle wird es als ein Neutrum mit haben und mit dem Vorworte auf, in dem letztern aber, oder als ein Activum, mit dem Accusativ verbunden.

1. Eigentlich, von Menschen und Thieren. Der Hund biß ihn in den Fuß. Einen in den Backen beißen. Sich auf die Zunge oder auf die Lippen beißen, das Lachen zu unterdrücken. Auf einen Stein, einen Knochen beißen. Nach jemanden beißen, ihn beißen wollen. Um sich beißen. Die Zähne zusammen beißen, aus einer heftigen unangenehmen Empfindung auf einander drücken. In einen sauern Apfel beißen müssen, figürlich, sich zu einer unangenehmen Sache entschließen müssen. Bey den Jägern, welche dieses Wort nicht gerne gebrauchen, ist statt dessen fangen üblich. S. dieses Wort. Im gemeinen Leben wird dieses Wort aus Unwissenheit von einigen Thieren gebraucht, die eigentlich nur durch Stechen verwunden; z.B. die Flöhe beißen ihn. In das Gras beißen. S. in der Anm. 2. Figürlich. 1) Zerbeißen. Ich kann es nicht beißen. 2) Essen, nur in dem niedrigen Ausdrucke, nichts zu beißen noch zu brechen haben, Mangel an der höchsten Nothdurft leiden 3) Eine scharfe, zusammen ziehende körperliche Empfindung verursachen. Der Pfeffer beißt auf der Zunge. Der Rauch beißet in die Augen. Der Essig beißt, ist sehr scharf. Ingleichen von einer stechenden oder juckenden Empfindung. Es juckt und beißt mich auf der Haut. S. Beitzen. 4) Durch Spötterey eine unangenehme Empfindung des Gemüthes erregen, in welcher Bedeutung vornehmlich das Participium üblich ist. Ein beißender Scherz. Beißende Lieder, Spöttereyen u.s.f. 5) Qual, Angst, Unruhe verursachen, besonders von dem Gewissen. Mein Gewissen beißt mich nicht, macht mir keine Vorwürfe. S. Gewissensbiß. 6) Sich beißen, im gemeinen Leben, sich zanken.

Anm. Beißen lautet bey dem Ottfried bizen, bey dem Notker pizzen und peizen, und bedeutete ehedem so wohl mordere, als auch essen, ja überhaupt, mit einem jeden scharfen oder spitzigen Werkzeuge verletzen. Mit bizenten fuerton, mit scharfen Schwertern, Ottfr. B. 1, Kap. 19. Der Zischlaut in der Mitte ist der Oberdeutschen Mundart eigen. Alle übrigen haben statt dessen ein t. Nieders. biten, Holländ. byten, Dän. bide, Angels. bitan, Engl. to bite, Schwed. und Isländ. bita, in Bretagne bwytta. Vielleicht gehören auch das Griech. παττω in kleinen Bissen essen, und das Hebr. pathath, mit den Zähnen zermalmen, hierher. Die im gemeinen Leben übliche Redensart, ins Gras beißen, oder ins Gras beißen müssen, umkommen, sein Leben verlieren, welche vornehmlich von Soldaten gebraucht wird, welche in einem Treffen umkommen, gehöret vermuthlich nicht hierher, sondern zu dem veralteten Zeitworte baißen, herab lassen, herab steigen, ingleichen fallen, von welchem in dem Lateine der mittlern Zeiten bassus für niedrig sehr üblich war, wovon noch das Franz. bas abstammet. In Strykers Gedichte auf Carls des Großen Spanischen Feldzug kommt erpaissen für fallen, umkommen, mehrmahls vor. Z.B. Er mues vnsamft erpaissen, Sect. 23. An einem andern Orte: Vnz si erpaisten darnider, ingleichen Er erpaist gahes darnider.[825] In Heinr. von Ofterdingen Heldenbuch bedeutet beyßen, ingleichen in das Gras beyßen, vom Pferde steigen. Z.B.


Er beyßte von dem Rosse

Hinnieder auf das Landt,

Bl. 118.


Da beyßt Wolf Dieteriche

Wohl nieder in das Gras,

Bl. 144.


S. auch Beitzen, ingleichen Böschung.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 825-826.
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