Benehmen

[850] Benêhmen, verb. irreg. act. (S. Nehmen,) welches auf doppelte Art üblich ist.

1. Auf die dem Vorworte be und den damit zusammen gesetzten Verbis gewöhnliche Art, da es mit der vierten Endung allein verbunden wird. In dieser Bedeutung kommt es aber nur in den Münzen und bey einigen Metallarbeitern vor, und heißt alsdann so viel als beschneiden. Die Münzen benehmen, sie so lange beschneiden, bis sie das gehörige Gewicht bekommen. Daher die Benehmschere, die Schere, womit solches geschiehet; ingleichen diejenige Schere, womit die Kupferschmiede die Zaine durchschneiden. Die Benehmwage, worauf die Münzen bey dem Benehmen gewogen werden.

2. Für das einfache nehmen, so oft solches mit der dritten Endung der Person, und der vierten der Sache verbunden wird, so daß das Vorwort be nur die Alemannische Verstärkung ist. Allein in dieser Bedeutung hat der Gebrauch das Wort benehmen nur auf gewisse besondere Fälle eingeschränkt, die man nicht nach Gutdünken vermehren darf. Besonders wird es gebraucht, 1) so oft die Hinderung des freyen Gebrauches einer Sache ausgedruckt werden soll. Einem das Licht benehmen. Durch dieses Haus wird uns die freye Aussicht benommen. Der Dampf benimmt mir den Athem. Dadurch ward ihm die Sprache, der Schlaf benommen. Einer Stadt die Zufuhre benehmen. Einem alle Gelegenheit zu fliehen, die Gewalt etwas zu thun benehmen. Es ist mir der Zutritt zu ihm benommen. Es ist ihm aller Vorwand, alle Ausflucht benommen worden. Warum benimmst du dir dadurch alle Gelegenheit Gutes zu thun. Hierdurch[850] wird ihm nichts benommen, entzogen. Das benimmt der Sache nichts, schadet ihr nichts. Ingleichen, 2) durch Gründe von der Unrichtigkeit einer Sache überzeugen. Einem seinen Zweifel benehmen. Dadurch ist mir alle Hoffnung benommen worden. Ich habe ihm seine Furcht, seine Sorge benommen. Man muß ihm seinen Argwohn, seinen Verdacht benehmen. Diese Gedanken müssen den Leuten benommen werden. So auch die Benehmung.

3. Sich benehmen, sich in einer Sache verhalten oder betragen. Wir wollen sehen, wie er sich dabey benehmen wird. Sich gut, schlecht benehmen. Wir haben euer Benehmen mit Mißfallen vernommen, in den Kanzelleyen.

Anm. Bineman, beneman, war schon dem Ottfried, Notker und Willeram bekannt, und wurde von ihnen für nehmen auch in solchen Fällen gebraucht, wo es jetzt nicht mehr üblich ist. Z.B. Inan tode binam, er entriß ihn dem Tode, Ottfr. B. 4, Kap. 3. Einem ein Amt, das Leben benehmen u.s.f. sind im Oberdeutschen noch üblich, in welcher Mundart dieses Wort auch zuweilen noch mit der zweyten Endung der Sache gebraucht wird; z.B. benimm mich aller vergeblichen Sorgen. Sich mit etwas benehmen bedeutet im Niedersächsischen so viel, als sich damit beschäftigen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 850-851.
Lizenz:
Faksimiles:
850 | 851
Kategorien: