Bescheidenheit, die

[896] Die Bescheidenheit, plur. car. 1. * Das Vermögen, Gutes und Böses, Nützliches und Schädliches gehörig zu unterscheiden, Einsicht, Wissenschaft, Kenntniß. In dieser im Hochdeutschen veralteten Bedeutung heißt es noch 1 Petr. 1,5,6: in der Tugend Bescheidenheit, und in der Bescheidenheit Mäßigkeit, wo es im Griech. lautet, ἑν τƞ αρετƞ δε τƞν γνωσιν. S. Bescheid.

2. Mäßigung der Begierde und Leidenschaft, so wohl, 1) Überhaupt.


So wöll wir euch ein Sach sagen

Darab ir billich werd tragen laid,

Doch hof wir es bschech mit Bscheidenheit,

Theuerd.


Die Liebe trauert zwar, doch mit Bescheidenheit,

Günth.


Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung ziemlich selten geworden. 2) Als auch, (a) Die Fertigkeit, seine Ansprüche auf Verdienst und darin gegründete äußere Vorzüge zu mäßigen. Die Bescheidenheit richtet sich genau nach dem Verdienste, das sie vor sich hat, sie gibt jedem was jedem gebühret; aber die schlaue Höflichkeit gibt allen alles, um von allen alles wieder zu erhalten, Less. Ein eitler Mann ist zwar höflich aber nie bescheiden, ebend. Aber wissen sie auch, daß die Bescheidenheit tadelnswürdig ist, bald man sie bis zum Mißtrauen gegen sich selbst treibet? Weiße. (b) Die Neigung und Fertigkeit, sich seines Rechtes nicht nach der Schärfe zu bedienen, seine gegründeten Forderungen zu mäßigen. Wie würdig ist diese liebenswürdige Bescheidenheit, deine übrige Tugend zu schmücken!

Anm. Ehedem bedeutete dieses Wort auch noch, theils einen beschiedenen oder bestimmten Theil, theils aber auch eine Bedingung, wovon Frisch Beyspiele angeführet hat.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 896.
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