Beschreyen

[906] Beschreyen, verb. irreg. act. S. Schreyen. 1) An oder gegen etwas schreyen. So sagt man in den Rechten von einem neu gebornen Kinde, daß es die vier Wände beschrien habe, wenn dessen Geschrey deutlich in dem Hause vernommen worden, welches als ein Beweis angesehen wird, daß das Kind lebendig zur Welt gekommen ist, und dadurch das Recht zur Erbfolge bekommen hat; außer welcher Redensart das Verbum in dieser Bedeutung wohl nicht weiter üblich ist. 2) Mit einem Geschreye, d.i. laut, öffentlich, vorfordern. So wurden ehedem flüchtige Verbrecher beschrien, wenn sie vor Gericht öffentlich drey Mahl vorgeladen wurden. Diese Bedeutung ist im Hochdeutschen veraltet. 3) Über etwas schreyen. Einen Übelthäter vor Gericht beschreyen, Zeter über ihn schreyen, welche Bedeutung nur noch in der Gerichtssprache einiger Orte üblich ist. Im gemeinen Leben sagt man auch wohl zuweilen, etwas beschreyen, laut darüber weinen. Hierher gehöret auch das Mittelwort beschrien, in der figürlichen aber nachtheiligen Bedeutung, für übel berüchtigt. Nero ist wegen seiner Grausamkeit in der ganzen gesitteten Welt beschrien. 4) Mit Worten bezaubern, besonders durch übermäßige Lobeserhebungen, in der Kunstsprache des Aberglaubens, welches man in Oberdeutschland auch berufen nennet. Ein Kind beschreyen. Das Kind ist beschrien. Von diesem Aberglauben rühret auch der alte Gebrauch des Deutschen Pöbels her, alle Lobsprüche auf Kinder und Vieh mit einem Gott behüte es! zu begleiten; wofür die alten Griechen αβασκαντως, die Römer aber praesiscine sagten.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 906.
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