Beziehen

[998] Beziehen, verb. reg. act. (S. Ziehen,) dessen verschiedene Bedeutungen aus dem verschiedenen Gebrauche des einfachen Verbi ziehen erläutert werden müssen.

1. In der eigentlichen Bedeutung des einfachen Verbi. 1) Das Gehörige auf eine andere Sache ziehen. Ein Instrument mit Saiten beziehen. Eine Laute beziehen, d.i. mit Saiten. Das Bett beziehen, es mit dem nöthigen Überzuge versehen. 2) Umziehen. Das Bett mit Vorhängen beziehen. Einen Wald mit Netzen beziehen. In weiterer Bedeutung auch in dem Gartenbaue, eine Wand, ein Lufthaus beziehen, grün bewachsen lassen. 3) Überziehen.


Ein schreckliches Blaß beziehet

Ihr jugendlich Gesicht,

Weiße.


Ingleichen, als ein Reciprocum. Der Himmel beziehet sich, wird mit Wolken überzogen. Es siehet so bezogen aus.

2. Von ziehen, wandern, reisen. 1) Die Grenzen beziehen, einen feyerlichen Umgang halten, die Grenzen zu besichtigen. 2) Ein Haus, ein Zimmer, eine Wohnung beziehen, in dasselbe einziehen. 3) Einen Posten, eine Anhöhe beziehen, von Soldaten, sie einnehmen, besetzen, sich dahin verfügen.

3. Mit Krieg beziehen, wofür aber im Hochdeutschen überziehen gewöhnlicher ist.


Die Phryger zu beziehn und ihre Macht zu schlagen,

Opitz.


Mit Krieg hab ich bezogen

Die ganze schöne Welt,

Gleim.


4. Den Genuß einer Sache, besonders einer bestimmten Geldsumme, bekommen. Einen Wechsel beziehen. Die Gerichtsfälle beziehen. Die Prinzessinn bezieht jährlich sechs tausend Ducaten Pension.

5. Hinterlistig betriegen. Jemanden beziehen; in welcher Bedeutung auch die Niedersachsen ihr beteen gebrauchen.

6. Sich beziehen, heißt bey den Jägern so viel, als emfangen, trächtig werden, besonders von den Hündinnen. Das Nieders. beteen bedeutet überhaupt Kinder zeugen, und betagen, betogen, ist daselbst so viel als beerbt.

7. Sich auf etwas beziehen, sich darauf berufen. Er bezog sich dabey auf Zeugen. Ich beziehe mich auf dich. Ich beziehe mich auf mein voriges Schreiben. Ingleichen auf etwas verweisen. Alle Weitläuftigkeit zu vermeiden beziehe ich[998] mich auf das, was schon oben gesagt worden. Wie auch, in Verbindung oder Verhältniß mit etwas stehen. Eine Rede, deren Theile sich auf einen gemeinschaftlichen Hauptsatz beziehen. Worauf bezogen sich diese Worte? Ich weiß nicht, worauf sich das beziehet. Zuweilen auch als ein eigentliches Activum. Der Mensch beziehet alles auf sich, siehet alles so an, als wenn es in Verbindung mit ihm stände. In der engsten Bedeutung, seinen Grund in dem andern haben. So beziehen sich Obrigkeiten und Unterthanen auf einander.

Daher die Beziehung, in allen obigen Bedeutungen; besonders in der letzten. Gegenstände, welche auf unsere Glückseligkeit Beziehung haben, sich darauf beziehen, mit derselben in Verbindung stehen.

Anm. Bezihan kommt schon bey dem Ottfried vor; allein es bedeutet daselbst verziehen. In der letzten siebenten Bedeutung scheinet dieses Wort nicht zu ziehen, trahere, sondern vielmehr zu zeihen zu gehören, welches bey dem Ulphilas gateihan lautet, und unter andern auch sagen, hersagen, antworten, bedeutet. S. Zeihen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 998-999.
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