Brüllen

[1218] Brüllen, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben erfordert, und eine Nachahmung des natürlichen lauten Geschreyes des Löwen und des Rindviehes ist, von welchen es auch im Hochdeutschen nur allein gebraucht wird. Der Löwe brüllt. Das Brüllen des Löwen. Auch die Herden brüllen ihre Freude von den grasreichen Hügeln, Geßn. Figürlich wird dieses Wort auch in der höhern Schreibart von dem Krachen des Donners gebraucht, in welchem Verstande es schon Hiob 37, 4, vorkommt; aber wenn es in der Bibel mehrmahls von Gott gebraucht wird, so erwecket diese morgenländische Figur im Deutschen Nebenbilder, die dem höchsten Wesen unanständig sind.

Anm. Im Schwedischen lautet dieses Wort wråla, im Engl. to brawle, und im Dän. brole. Das Verbum rüllen, aus welchem es vermittelst des Vorwortes be entstanden ist, kommt noch bey dem Hans Sachs vor:


[1218] Anfieng sie zu schreyen und rüllen.


Um das Jahr 1477 findet sich auch in Schwaben das Wort Rühlüng für Geschrey, welches auch von dem Geschreye des Esels und von dem Wiehern der Pferde vorkommt. S. Frisch Wörterbuch v. Röcheln. Übrigens gibt es in den Mundarten und verwandten Sprachen noch mehrere Wörter, den Begriff des Brüllens auszudrucken. Von dem Rindviehe gebrauchen die Niedersachsen bölken (S. Bellen,) lauen, lögen (S. Löwe) und raren, Engl. to roar, Angels. raran, Franz. reer. S. auch Brummen. Notker hat von dem Brüllen des Löwen das Verbum ruhen, und die Hauptwörter Rivohit und Ruode, welche mit dem Latein. rugire und rugitus überein kommen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1218-1219.
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