D

[1359] D, der vierte Buchstab des Deutschen Alphabetes, welcher sehr gelinde, gelinder als das th, so wie das Latein. d und Griech. δ ausgesprochen wird; daß, der, dein, Dach, du, beyde, Brüder. Doch weicht es von dieser gelladen Aussprache ab, so oft es am Ende einer Sylbe stehet, da es beynahe so hart wie das t lautet, Bad, blind, Wind, Bild, niedlich, schädlich, Tod, Herd; es müßte denn das d bloß durch eine Elision an das Ende der Sylbe gerathen seyn, in welchem Falle es seine gelinde Aussprache behält, wie in würdgen, für würdigen, tadlen, Tadler, für tadeln und Tadeler, Adler, für Adeler oder Adelaar. Freylich gibt es noch andere Wörter, besonders Diminutiva auf lein, wo es sehr gelinde ausgesprochen wird, wie in Bändlein, Mündlein, Kindlein, Hündlein, Händlein u.s.f. wozu man auch das Nebenwort blindlings rechnen kann. Allein hier rühret die weiche Aussprache vermuthlich daher, weil man in solchen Verkleinerungswörtern, besonders im Oberdeutschen, so gern ein e vor der Endsylbe einschiebet, Bändelein, Mündelein, Kindelein u.s.f.

Man siehet hieraus zugleich, daß man diejenigen Wörter, wo das d nothwendig weich lauten muß, nicht um ihr Schluß e bringen dürfe. Bürde, Erde, gelinde, geschwinde, Freude, Gnade, Heide, Lade, Sünde würden eine der Hochdeutschen Mundart ganz fremde Aussprache bekommen, wenn man das e unterdrücken wollte, ob man gleich im Oberdeutschen Bürd, Erd, gelind, Grad u.s.f. schreibt und spricht.

Dieser Buchstab wird im Hochdeutschen sehr selten verdoppelt, und Widder ist vielleicht das einzige Wort dieser Art. Um deßwillen ist auch die Sylbe, welche vor demselben hergehet, alle Mahl gedehnt, Boden, Faden, Feder u.s.f. Nur muß man die Gewohnheit einiger Mundarten, besonders der Schlesischen, welche diese und andere Wörter mit einem kurzen Vocal aussprechen, als wenn sie Bodden, Fadden, Fedder geschrieben wären, nicht mit in Rechnung bringen. Wohl aber lässet sich das d mit dem t verbinden, welches doch eigentlich nur in solchen Fällen geschiehet, wo ein e weggeworfen worden, abgewandt für abgewendet, er empfindt für empfindet. Hierher gehöret auch das Beywort todt, welches wirklich das Mittelwort von dem veralteten doen, toden, sterben, ist, und für todet stehet. Die Stadt, urbs, hat den langen Gebrauch für sich, aber bey Brot, Schwert und noch einigen andern ist keine begreifliche Ursache des dt vorhanden.

Die Substantiva, welche sich mit diesem Buchstaben endigen, haben kein gewisses Geschlecht. Man findet ihrer von allen Geschlechtern. In vielen ist das Schluß d das Merkmahl eines Abstracti, da es denn der Überrest der Sylbe de ist, wie in Jugend, Gegend und andern mehr: S. De. Andere Substantiva auf d sind ursprünglich Participia, und zwar so wohl von der gegenwärtigen Zeit, wie Freund, Feind, Hund, Abend, Wind, Mond, als auch von der vergangenen, wie Brand, Jagd u.s.f.

Die Deutschen haben diesen Buchstab mit dem Lateinischen Alphabete bekommen, und man findet ihn schon bey dem Kero in vollem Gebrauche. Nur die Fränkischen Schriftsteller thaten nachmahls etwas sparsam damit, indem sie zu Anfange der Wörter ein th schrieben, und das d in die Mitte verwiesen, wo[1359] dessen weiche Aussprache am merklichsten ist. So schreibt Ottfried beständig ther, thaz, thanne, thu, thoh, thenkan u.s.f. vermuthlich, weil er und seine Landsleute hier eine härtere Aussprache hören ließen, als sie dem d beylegen konnten. Der Alemannische Dialekt scheinet diesen feinen Unterschied, wenn ja einer gewesen ist, nicht gekannt zu haben, denn da findet man zu Anfange der Wörter entweder d oder t, und die Hochdeutschen haben ihn noch mehr vernachlässiget, indem in der Aussprache des th und t bey ihnen fast gar kein Unterschied ist. S. Th. Die weiche Niedersächsische Mundart macht unter allen Deutschen Mundarten den häufigsten Gebrauch von dem d. Sie spricht Dag, Dod, god, vergöden, gadden, Graden, für Tag, Tod, gut, vergüten, gatten, Gräthe, und da auch dieß für ihre zarten Sprachwerkzeuge noch zu hart ist, so wirft sie es oft gar weg, und da wird doen, vergoen, gaen, Graen, für tödten, vergüten, gatten, Gräthe. Die Hochdeutsche hält auch hier zwischen der Ober- und Niederdeutschen das Mittel.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1359-1360.
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