Dehnen

[1434] Dêhnen, verb. reg. act. die Länge und Breite eines Körpers durch Ziehen vergrößern; ausdehnen, in den niedrigen Mundarten recken. 1) Eigentlich. Das Gold lässet sich dehnen. Dehne deine Seile lang und stecke deine Nägel feste, Es. 54, 2. Einen Missethäter auf der Folterbank dehnen. 2) In engerer Bedeutung als ein Reciprocum, sich dehnen, seine Glieder ausdehnen, wie ein Fieberhafter oder Fauler; im gemeinen Leben sich recken, im Oberdeutschen sich ranzen, sich stranzen. 3) Figürlich, lange währen, von der Zeit. Die Nacht dehnt sich lang, Hiob 7, 4 nach Herrn Michaelis Übersetzung. Der Weg dehnt sich gar sehr, er will kein Ende nehmen. Ingleichen, von einem fehlerhaft langsamen Tone. Ein gedehnter schleppender Ton. Er dehnt die Wörter, daß einem angst und bange darüber wird. 4. Eine Sylbe dehnen, in der Sprachkunst, sie mit einer längern Verweilung der Stimme aussprechen, im Gegensatze des schärfen. Eine gedehnte Sylbe, im Gegensatze einer geschärften, welche von dem, was man in der Prosodie lang und kurz nennet, noch sehr verschieden sind. In Hausmann ist die erste Sylbe gedehnt, und die letzte geschärft; aber in der Prosodie sind beyde lang. So auch die Dehnung, im Gegensatze der Schärfung.

Anm. Bey dem Kero lautet dieses Zeitwort denan, bey dem Ottfried thenan, er sina hand to thenita, da streckte er seine Hand aus, bey dem Notker dennen, bey dem Tatian thenon, im Nieders. teinen, im Angels. athenan, im Schwed. taenja, im Isländ. thenia, im Slavon. czanu, im Griech. τεινω, und τανυω, im Latein. tendere und ehedem tennere; S. Dünn und Sehne. Die Niedersachsen haben noch ein anderes genau damit verwandtes Wort, welches tanen lautet, und besonders von dem Leder gebraucht wird. Leder tanen, Leder bereiten, weil solches mit vielem Ziehen und Dehnen verbunden ist, und womit das Angels. tannan, das Engl. tan, und das Franz. tanner, alle von der Bereitung des Leders, überein kommen. So alt nun dieses Wort auch ist, so scheinet es doch nur das Intensivum von ziehen, im Nieders. tehen, zu seyn, so wie sehnen von sehen,[1434] lehnen von legen u.s.f. Dehnen ist doch nichts anders als ein wiederhohltes starkes Ziehen. S. Ziehen und Zähe.

Die Deutschen Mundarten außer der Hochdeutschen haben zu diesem Activo auch ein Neutrum, welches im Oberdeutschen dohnen, im Nieders. aber dunen lautet, und ausgedehnet werden, aufschwellen, bedeutet, und wovon man ein neues Intensivum dunsen hat; S. Dunst. Von diesem Worte dunen heißen die leichten Flaumfedern der Vögel wegen ihrer großen Schnellkraft Dunen, und in dem Munde der Hochdeutschen zuweilen Daunen. S. Flaumfeder.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1434-1435.
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