Drehen

[1540] Drêhen, verb. reg. act. 1. In einem Kreise, oder um einen Mittelpunct bewegen. 1) Eigentlich. Das Rad drehen, in eine kreisförmige Bewegung setzen. Die Erdkugel drehet sich um ihre Achse. Einem den Degen aus der Hand drehen, winden.


Wie, wenn die Erde kreißt, zerberstet, Dampf und Flammen,

In Wirbeln sich gen Himmel drehn,

Weiße.


In den Zusammensetzungen umdrehen und herum drehen ist diese Bedeutung noch häufiger. 2) Figürlich, vermittelst einer solchen Bewegung verfertigen. Ein Seil drehen. Fäden zusammen drehen. Kränze drehen.


In dir kann Flora nach Begehren

Sich tausendfache Kränze drehn,

Raml.


Wofür doch sonst in der edlern Sprechart winden und flechten üblicher ist. Besonders gebraucht man dieses Wort im gem. Leb. für drechseln, dem Holze und andern harten Körpern vermittelst des Umdrehens eine verlangte runde Gestalt geben. Vorzüglich ist es in diesem Verstande von denjenigen Künstlern üblich, welche in härtere Körper drehen, als das Holz ist. Becher, Teller, Kegel u.s.f. drehen. In Holz, in Bernstein, in Metall drehen. Ein Schachspiel aus Elfenbein drehen. Dahin gehört auch die im gemeinen Leben übliche figürliche R.A. einem eine Nase drehen, dessen Leichtgläubigkeit mißbrauchen, ihn bewegen, eine Unwahrheit zu glauben.


Der Einfalt Nasen drehn, den Schwachen hintergehn,

Opitz.


Ihr wollt mir, hör ich wohl, ein kleines Näschen drehn,

Wiel.


2. In weiterer und zum Theil figürlicher Bedeutung. 1) Hin und her bewegen. Die Augen und den Hals drehen. S. Wendehals. 2) Wenden, umwenden, eine andere Richtung geben. Der Wind hat sich gedrehet. Sein Glück hat sich gedrehet. Sein Glück drehet sich wunderlich. Einem den Rücken drehen, d.i. zukehren. Die Feinde dreheten sich gegen den linken Flügel. Sich drehen und wenden, figürlich, sich auf allerley Art und Weise von einer Verlegenheit zu befreyen suchen. Er drehet die Sache wie er will, er gibt ihr jede Gestalt, welche er[1540] will. Das Recht drehen, aus Recht Unrecht, und aus Unrecht Recht machen, das Recht zu seinem Vortheile mißbrauchen. S. auch Verdrehen. 3) Im gemeinen Leben wird das Mittelwort drehend auch häufig für schwindelig, der Wirkung des Umdrehens im Kreise, gebraucht. Drehend werden, schwindelig werden. Die Freude macht drehend, wirblicht, Less. Bey den Schafen ist es eine besondere Krankheit, welche sich durch den Schwindel und ein beständiges Umdrehen des Kopfes äußert, dergleichen Schafe im gemeinen Leben auch Dreher, und in Thüringen Drehlinge, genannt werden. S. Ringelig, ingleichen Schwindel.

Anm. Schon bey dem Willeram kommt gedrat für gedrechselt vor. Daß dieses Wort ehedem irregulär gewesen seyn müsse, erhellet aus dem Hauptworte Draht. Im Nieders. lautet dieses Zeitwort dreien, im Holländ. draien, im Dän. dreye, im Angels. thrawan, im Engl. to throw. Im Hochdeutschen spricht man drehen mit einem tiefen e aus, als wenn es drähen geschrieben wäre. Andere Mundarten lassen ein hohes e hören. Das Frequentativum von drehen ist drillen. S. dieses Wort.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1540-1541.
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