Einig

[1710] Einig, adj. et adv. welches vermittelst der Endsylbe ig, von dem Neutro des Beywortes ein gebildet worden, und nach dessen verschiedenem Gebrauche auch verschiedene Bedeutung hat.

[1710] I. So fern ein das Zahlwort ist, bedeutet einig etwas, welches nur das Eine seiner Art ist, obgleich wiederum mit mancherley Einschränkungen und Nebenbegriffen.

1. Eigentlich, was entweder in dem schärfsten Verstande, oder doch unter gewissen Umständen, nur Ein Mahl vorhanden ist; da es denn am häufigsten als ein Adjectiv gebraucht wird, aber im Hochdeutschen veraltet ist, indem einzig dafür eingeführet worden. Indessen kommt es noch häufig in der Deutschen Bibel vor, wird auch in der Theologie noch von Gott in diesem Verstande gebraucht. Es ist nur ein einiger Gott. Du bist der einige Fremdling hier, 1 Mos. 19, 9. Bist du denn der einige Fremdling in Jerusalem? Luc. 24, 18. Wie durch des einigen Gründers einige Sünde u.s.f. Röm. 5, 16. Unsere einige Freude, unser einiger Trost in unserm Alter, Tob. 10, 5. Er (Gott) ist einig, wer will ihm antworten? Hiob 23, 13. Ingleichen als ein Umstandswort, für allein, eine Sache mit Ausschließung aller andern anzudeuten, oder mit Ausschließung aller andern Dinge von ihr zu behaupten. Denn mein Vorsatz einig der gewesen, mich selber in der Einsamkeit aufzumuntern, Opitz. Das ist einig und allein die Ursache. S. Einzig, welches in dieser ganzen Bedeutung im Hochdeutschen üblicher ist. Noch ungewöhnlicher ist es, das einig in diesem Verstande als ein Adjectiv zu gebrauchen. Niemand ist gut, denn der einige Gott, denn Gott allein, Marc. 10, 18. Der einige Paulus, für Paulus allein.

2. Figürlich. 1) Bey den neuern Philosophen heißt ein einiges Wesen, ein solches, in welchem alle Eigenschaften, welche man in demselben denket, zu gemeinschaftlichen darin gegründeten Folgen vereiniget sind. S. auch Dreyeinig. 2) Einerley Meinung, einerley Willen habend; am häufigsten als ein Adverbium. Ich bin darin mit ihm einig, d.i. ich habe darin einerley Meinung mit ihm. Die Schriftsteller sind hierin nicht einig, d.i. sie sind verschiedener Meinung. Sie wurden einig, den Feind in der Nacht anzugreifen, sie vereinigten sich. Wer mit sich selbst nicht einig ist, der ist mit jedermann uneinig. In der Lehre nicht einig seyn. In einigen Fällen auch mit der zweyten Endung des Hauptwortes. Des Handels, des Preises einig werden. In engerer Bedeutung ist einig dem zweiträchtig entgegen gesetzet, und da wird man einig, wenn man vorher in Feindschaft gelebet oder sich gezanket hat. Einig werden, sich auslöhnen. Sie leben sehr einig mit einander. In welchem Verstande es auch zuweilen als ein Adjectiv gebraucht wird. Ein Paar sehr einige Eheleute. Einige Amtsgenossen. S. Eins.

II. So fern ein ein Pronomen ist, und jemand bedeutet, wird einig gleichfalls als ein unbestimmtes Pronomen gebraucht, mehrere Dinge Einer Art sehr unbestimmt anzudeuten. Es wird alsdann ohne Artikel und so wohl mit als ohne Hauptwort gebraucht. 1. Eigentlich, mehrere Dinge Einer Art zu bezeichnen, deren Anzahl so unbestimmt ist, daß nicht einmahl der Begriff der Vielheit oder Wenigkeit ausgedruckt werden soll. Ich habe ihn einige Mahl gesehen. Es sind noch einige Äpfel da. In einigen Stücken hast du vollkommen Recht. Er sagte mir einige Worte, die ich aber nicht recht verstand. Er sprach nur einige Worte. Es wollen einige behaupten, daß u.s.f. Oft auch in Beziehung auf andere, in welchem Falle im Singular ein gebraucht wird. Einige sagen dieß, andere jenes. An einigen Orten mehr, an andern weniger. Einige lieben, andere hassen ihn. Die Verbindung mit dem voran gehenden Genitive des Hauptwortes, der Freunde, der Häuser einige, für einige Freunde, einige Häuser, ist veraltet, und nur noch zuweilen im Oberdeutschen üblich.[1711]

Nur mit den Relativen kommt sie noch zuweilen vor. Sind Käufer da? – Ja, es sind deren einige da, oder, es sind ihrer einige da. Richtiger hat es den Genitiv des Hauptwortes nach sich, wenn dasselbe mit einem Pronomine possessive verbunden ist. Einige meiner Freunde haben ihn gesehen. Einige deiner Verwandten. Einige der Unserigen. Daß dieser Genitiv auch mit andern Pronominen gebraucht werden könne, ist von einigen bestritten worden. Indessen höret man doch oft: einige dieser Unglücklichen; es waren ihrer sechs, einige derselben waren krank. Es scheint nicht, daß diese Fälle tadelhaft wären. Wenn aber gar kein Pronomen vorhanden ist, so ist es der Hochdeutschen Mundart freylich gemäßer, statt des Oberdeutschen Genitives, die Vorwörter von, unter und aus zu gebrauchen. Einige von den Gefangenen, für einige der Gefangenen; einige unter den Soldaten, einige aus der Mitte u.s.f. S. Ein, welches in diesem Falle mit einig einerley Wortfügung hat, ingleichen Etlich, welches in der Sprache des täglichen Umganges für einig üblich ist. Eigentlich ist einig in diesem Verstande nur im Plural gebräuchlich. Allein, wenn das Hauptwort ein Collectivum ist, welches nur im Singular am gewöhnlichsten ist, so findet auch der Singular Statt. Es ist noch einiges Getreide vorhanden. Er hatte einiges Geld bey sich. Man gebraucht es im gemeinen Leben zwar auch nur noch in andern Fällen. Ich glaube nicht, daß er einigen Bekannten hier habe. Noch über einigen Baum, Offenb. 7, 1. Allein alsdann ist es entweder das Zahlwort oder es hat auch die folgende Bedeutung. Denn, es wird dieses Wort auch, 2. Im Singular gebraucht, eine unbestimmte Mehrheit zu bezeichnen. Ich leide einigen Schaden dabey. Er hat bey dieser Sache einiges Glück gehabt. Du wirst nie einiges Glück haben. Einiger Maßen. Er sucht seine Einkünfte auf einiger Art zu vermehren. Einige Zeit darauf. Besonders mit vereinenden Wörtern, in deren Gesellschaft es die Verneinung verstärkt. Ohne einigen Schaden. Wir wurden ohne einige Ursache geschmähet. Kein Handwerksmann – einiges Handwerks, Offenb. 22, 8. Ohne einig Schwert oder Stangen, Bel V. 25.

Anm. Dieses Wort lautet in beyden Hauptbedeutungen bey dem Kero einig, und mit dem Übersetzer Isidor einic, einich bey dem Ottfried einig, und mit dem Hauchlaute heinig, bey dem Notker unga, bey dem Ulphilas einaha, im Schwed. enig, enke, im Angels. aenig, anig, aenlic, anlic, im Latein. unicus. Die eigentliche Bedeutung der Endsylbe ig ist in diesem Worte noch dunkel. Statt des Pronominis gebrauchte man ehedem auch nur das Pronomen ein, und setzte alsdann nicht nur den Hauchlaut, sondern oft auch noch de voran, hein, dehein, und mit der Endsylbe ig, heinig, theheinig, bey dem Ottfried ni heiniga sacha. Thegein vrsach, ulla occasio, in dem Gesetze Ludwigs und Lothars um das Jahr 840. Daher kommt es, das chain so oft für ullus als für nullus gefunden wird; zu chainer wer, zu einiger Wehr, Stryker. S. Klein.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1710-1712.
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