Enge

[1810] Ênge, -r, -ste, adj. et adv. wenig Raum habend, im Gegensatze dessen, was weit ist. 1. Eigentlich. Ein enges Glas, ein Glas mit einem engen Halse. Ein enger Eingang, ein enger Weg, ein enger Paß. Das Zimmer, das Haus ist mir zu enge. Ihm wird die ganze Welt zu enge. Enge Schuhe, enge Kleider. Ein Kleid enger machen. Ein enger Kamm, dessen Zähne wenig Raum zwischen sich lassen, nahe bey einander stehen. Ein enges Sieb, welches enge, kleine Öffnungen hat. Man sitzet gar zu enge bey Tische. Enge schreiben, die Zeilen und Wörter nahe an einander rücken. Ein enges Gewissen, figürlich, in welchem für böse Handlungen wenig Raum vorhanden ist; im Gegensatze des weiten Gewissens. Jemanden enge einschließen, einsperren, ihn in enge Verwahrung bringen. Die Truppen enge zusammen ziehen, so daß wenig Raum zwischen ihnen bleibet. Es ist mir so enge um das Herz, wenn man nicht den gehörigen Raum zum freyen Athemhohlen empfindet. 2. Figürlich. 1) Die engere Bedeutung eines Wortes, wenn dessen Bedeutung sich auf weniger Dinge erstrecket, im Gegensatze der weitern. Eine Erklärung, eine Definition ist zu enge, wenn man nach derselben nicht alle Dinge darunter begreifen kann, welche doch darunter gehören. 2) Zuweilen wird dieses Wort auch von einer Zahl gebraucht. Besonders in einigen Ländern, z.B. in Sachsen, der engere Ausschuß der Landstände, eine geringere Anzahl aus den Ständen erwählter Personen, im Gegensatze des weitern Ausschusses.

Anm. Bey dem Kero lautet dieses Wort enke, enga, bey dem Ottfried ango, bey dem Notker und Tatian eng, im Wallisischen ing, im Bretagnischen anc, im Lettischen ank, im Gothischen aggon, im Griech. αγχι. Das Griech. αγχω, ich drücke, und das Latein. angere und angustia, sind genau damit verwandt. Das e am Ende ist das e euphonicum, welches wohl härtere Mundarten, nicht aber die Hochdeutsche, entbehren können. Im Nieders. ist statt dieses Wortes knapp, duun, nau, und in einigen Oberdeutschen Gegenden auch pfräng üblich. S. Engen und Engern.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1810.
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