Entgegen

[1822] Entgêgen, eine Präposition, welche die dritte Endung erfordert, dem Nenn- und Fürworte jederzeit nachgesetzet wird, und eine Bewegung gegen einen Gegenstand bezeichnet, obgleich mir verschiedenen Einschränkungen. 1) Eine Bewegung, welche gerade auf einen andern Gegenstand zu gerichtet ist, dessen Bewegung ihre Richtung wieder gerade auf diese hat. Dem Winde entgegen reiten. Dem Strome entgegen schiffen. Die Ägypter flohen dem Strome entgegen, 2 Mos. 14, 27. Dem Flusse[1822] entgegen fahren. Der Wind ist uns entgegen, oder gehet uns entgegen. Besonders, so fern es zur Bewillkommung, zur Verkürzung des Weges u.s.f. geschiehet. Einem entgegen gehen, fahren, reiten, schiffen, kommen, ziehen, laufen. Die halbe Stadt kam ihm frohlockend entgegen. Jemanden etwas entgegen bringen. Ingleichen figürlich. Dem Tode, der Gefahr herzhaft entgegen gehen. Eines Ankunft froh entgegen sehen. Glücklich ist der, der dem Tode getrost entgegen sehen kann. In der dichterischen und höhern Schreibart auch mit andern Verbis. Einem entgegen segnen, Klopst. Kaum lachet uns die Welt entgegen, Gell. Die Fächer rauschen ihm Beyfall entgegen, ebend. 2) In weiterer Bedeutung zuweilen auch, wenn der Körper, auf welchen die Bewegung gerichtet wird, in Ruhe ist. Die Hölle zitterte vor dir, da du ihr entgegen kamest, Es. 14, 19; welcher Gebrauch aber im Hochdeutschen veraltet ist. 3) Auch mit solchen Zeitwörtern, welche keine Bewegung ausdrucken, und alsdann bedeutet die Partikel so viel als gegen über. England liegt Frankreich entgegen. Dem Kranken entgegen sitzten. Ingagon der halpo, gegen über, in den Monseeischen Glossen. Dieser Gebrauch ist noch im Oberdeutschen üblich, im Hochdeutschen aber gänzlich veraltet. 4) Besonders mit dem Nebenbegriffe der Hinderniß, des Widerstandes, u.s.f. Den Strome einen Damm entgegen setzen. Ingleichen figürlich, eine entgegen gesetzte Bewegung, die das Gegentheil von der andern ist. So auch entgegen gesetzte Begriffe, Neigungen u.s.f. Neue Hindernisse setzen sich unsern Wünschen entgegen, Gell. Was seiner eingebildeten Glückseligkeit entgegen stehet, Dusch. Sehr häufig gebraucht man es mit dem Worte seyn im figürlichen Verstande, für zuwider. Einem entgegen seyn, sein Vorhaben zu hindern suchen. Ich will dir darin gar nicht entgegen seyn. Er ist mir in allen Stücken entgegen. Die Sache ist mir nicht entgegen, mißfällt mir nicht, ist mir nicht zuwider. Mit andern Verbis wird es im Hochdeutschen nicht gern gebraucht. Daher die Ausdrücke, die Israeliten wandelten Gott entgegen, 3 Mos. 26, 21; Gott wandelte den Israeliten entgegen, V. 28, ungewöhnlich sind. Doch sagt man noch, eines Befehl entgegen handeln. Für das einfache wider oder gegen gebraucht man es nur in Oberdeutschland, ob man gleich auch in Hochdeutschen Gerichten oft höret, Cajus entgegen Sempronius, und es auch noch Col. 2, 14 heißt: die Handschrift, welche wider uns war – und uns entgegen war.

Anm. Bey dem Ottfried lautet dieses Wort getheilet in gegini, in gegin, bey dem Notker ingagane, und in den folgenden Jahrhunderten entgegen. Ent ist hier ohne Zweifel das Vorwort in, gegen aber nicht so wohl das Vorwort, als vielmehr das Hauptwort Gegend, welches ehedem nur Gegene und Gegen lautete. Ehedem wurde es auch mit der vierten Endung für das einfache gegen gebraucht, eine Richtung nach einem Gegenstande auszudrucken. Min minna engegen dich, meine Liebe gegen dich, Willer. Im Oberdeutschen ist diese Partikel über dieß noch theils für zugegen, theils aber auch für hingegen gangbar.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1822-1823.
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