Ereignen

[1885] Ereignen, verb. reg. recipr. sich ereignen, sichtbar werden, sich zeigen; in dieser eigentlichen Bedeutung nur noch im Oberdeutschen. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur in engerer Bedeutung von Begebenheiten, für unvermuthet wirklich werden, sich zutragen. Wenn sich der Fall ereignen wird. Es ereignete sich ein gefährlicher Handel. Nie wird sich eine so schöne Gelegenheit wieder ereignen. Daher die Ereignung, dasjenige was sich ereignet, eine Begebenheit.

Anm. Dieses Verbum ist ein Intensivum, welches vermittelst des n von dem im Hochdeutschen veralteten ereigen, sichtbar werden, gebildet worden. S. -Nen.


Zur Rechten um die Wink erauget sich die Stadt.

Dach.


Sieh an die rothen Wangen,

In denen alle Zier und Ausbund sich ereigt,

Opitz.


So gebraucht auch Rudebert im 9ten Jahrhunderte bey dem Goldast sein urougon und Ottfried sein irougan. Es war aber auch ein Activum, welches sichtbar machen, zeigen, verkündigen bedeutete. Vuz Krist sich unz yrougta, bis Christus sich uns zeigte, Ottfr. In dem übersetzten Isidor ist araugan beweisen, und Araucnissa der Beweis. Kaaugan ist bey dem Kero und eaugen im Angels. erscheinen; öga im Schwed. und eiga im Isl. sehen; angan, ougen, aber bey dem Kero, Ottfried und Notker zeigen, welche Bedeutung das Nieders. ögen noch hat. Ich dacht, sol ich mich gen ihr eugen, nach ihr sehen, Hans Sachs. Aus allem erhellet, daß ereignen unstreitig von Auge abstammet, und wenn die Abstammung das höchste und und einzige Schreibegesetz wäre, so müßte man es allerdings eräugnen schreiben, wie seit Vorstii Zeiten von mehrern Sprachlehrern wirklich empfohlen worden. Allein ich habe in meiner Orthographie gezeigt, daß nur die nächste Abstammung, und auch diese nur in zweifelhaften Fällen ein Schreibegesetz seyn könne. Die Abstammung dieses Wortes von Auge ist weder der Form noch der Bedeutung nach so klar, daß man sie für die nächste halten könne, die einem jeden von selbst einleuchten muß, wenn sie zu einem Gesetze dienen soll. Auch ist hier nichts Zweifelhaftes, wenn man nicht vorsetzlich auf Zweifel ausgehet; denn im Hoch- und Oberdeutschen ist die Aussprache ereignen allgemein, und eine solche Allgemeinheit ist denn billig als das erste und vornehmste Gesetz für die Schrift anzusehen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1885.
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