Ergetzen

[1894] Ergêtzen, verb. reg. act. einen lebhaften Grad der sinnlichen Freude verursachen, welche auch bey unsinnlichen Gegenständen oder über selbige Statt finden kann. Die Spiele ergetzen mich sehr. Jemanden auf alle Art zu ergetzen suchen. Die Gesellschaft mit angenehmen Erzählungen ergetzen. Deine Tröstungen ergötzten meine Seele, Ps. 94, 19. Ein gezüchtigter Sohn ergötzet seinen Vater, Sprichw. 29, 17. Ingleichen als ein Reciprocum, sich ergetzen, einen lebhaften Grad der sinnlichen Freude in sich hervor bringen, empfinden. Fröhlich essen und sich ergötzen, Pred. 2, 25. So daß ich zuvor mich ein wenig mit euch ergötze, Röm. 15, 24. Sich mit etwas ergetzen. Sich an etwas ergetzen. Ein böses Herz ergetzet sich über anderer Leute Unglück. Über seinen Fall[1894] haben sich viele ergetzet. Sich an den Büchern ergetzen. Statt der Vorwörter wegen oder nach wird im Oberdeutschen auch die zweyte Endung gebraucht. Ich bin e tot e si mich mines diastes urgetzet, Graf Wernher von Honberg. Da will ich mich meiner Mühe und meines Herzeleids ergötzen, Jer. 8, 18.


Der winter und sin lange naht

Die ergetzent uns der besten zit,

Ditmar von Ast.


Daher die Ergetzung, so wohl von der Handlung des Ergetzens, als auch zuweilen von den Mitteln derselben. Statt dieses Hauptwortes gebrauchte man ehedem auch das Wort Ergetz.


Wer Nutz und wer Ergetz recht scheidet und recht mengt,

Verdienet, daß man ihn mit Lob und Ruhm beschenkt,

Logau.


Anm. In Strikers Gedichte und unter den Schwäbischen Kaisern kommt dieses Wort zuerst vor. Ir muget michs wol ergetzen, heißt es bey dem erstern. Bey dem Jeroschin lautet es erguzin. Es scheinet, das ehedem auch das einfache getzen üblich gewesen. Iezent so wirt si genannt, sagt der Schenke von Limpurg von seiner Schönen. Man hat von diesem Worte allerley wunderliche Abstammungen angegeben. Der Spate und Gottsched leiten es von Atz, Speise, und ätzen, speisen, Wachter von god, gut, und Heinze sogar von dem gatzen der Hühner her. Frisch kommt der Sache noch am nächsten, indem er das Ital. godere für das Stammwort hält; nur hätte er besser nach der Quelle forschen sollen. Im Isländ. bedeutet gasa lascivire, im Schwedischen aber sich ausgelassen freuen, welche Bedeutung auch das Franz. se gossier hat. Daß das s in diesen Wörtern zufällig ist, erhellet aus dem alten Schwed. gädas, sich freuen, dem Holländ. gaden, gefallen, und dem Isländ. Gae, Freude. Alle diese Wörter haben eine zu sichtbare Übereinstimmung mit dem Latein. Gaudium, gaudere, und dem Griech. γαδεσθαι, und γƞθειν, sich freuen, und γƞθος, Freude, als daß man selbige sollte verkennen können. Von einem dieser Wörter sche er unser ergetzen das Intensivum zu seyn, daher es auch einen lebhaftern Grad als Freude, obgleich geringern als Wollust bezeichnet. Die Niedersachsen gebrauchen statt desselben ihr sik vermaken, und Vermak für Ergetzung.

Was die Rechtschreibung dieses Wortes betrifft, so könnte man es um der gedachten Ableitung willen, in der Mitte füglich mit einem ä schreiben, weil doch die meisten Mundarten ein a haben. Allein da ê und ä in tausend andern Wörtern mit einander abwechseln, so kann man auch das e, welches das Alterthum für sich hat, behalten. Schrieben doch die Griechen ihr γƞθειν u.s.f. mit einem ƞ. Die Schreibart ergötzen hat ihr Daseyn bloß einer rauhern Mundart zu danken.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1894-1895.
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