Fassen

[53] Fassen, verb. reg. act. 1. In eigentlicher und weiterer Bedeutung. 1) Ergreifen und halten, so wohl mit der Hand. Den Degen bey dem Griffe fassen. Jemanden bey den Haaren, das Pferd bey dem Zaume fassen. Er faßte mich an das Kinn. Jemanden bey der Hand, oder an die Hand fassen. So viel als man mit drey Fingern fassen kann. Als auch mit andern Gliedmaßen. Etwas mit den Zähnen fassen. Der Hund fasset ein Thier, wenn er es mit den Zähnen anpacket. 2) In ein Gefäß füllen, besonders von flüssigen Dingen. Bier fassen, es von dem Gährbottich auf Fässer füllen. Wein fassen. In den Schlauch fassen, Matth. 9, 17. Das Korn fassen, es in Säcke schütten. Bienen fassen, sie in den Stock bringen. 3) Einschließen und befestigen. Einen Stein in Gold fassen. Gefaßte Steine, welche in Gold, Silber u.s.f. gefasset, d.i. befestiget sind. Einen Stollen fassen, d.i. auszimmern, im Bergbaue. S. Einfassen. 4) In seiner Weite enthalten können, wo das Zeitwort die Gestalt eines Neutrius hat; wenigstens ist das Passivum in dieser Bedeutung nicht üblich. Das Zimmer konnte die Gäste nicht alle fassen. Das Gefäß wird den Wein nicht fassen.

2. Figürlich. 1) Jemanden bey seinem Worte, bey seinem Versprechen fassen, auf die Erfüllung seines Wortes, seines Versprechens dringen. Denken sie denn, daß sie mich bey meiner Schwäche haben fassen wollen? daß sie ihre Absicht durch meine Schwäche haben erreichen wollen? Jemanden bey seinem Ehrgeitze, bey seiner Leidenschaft fassen. Den Reiter fasset am Ufer ein plötzlicher Schauder, Zachar. bemächtigt sich seiner, in der höhern Schreibart. Allmächtigs Mitleid faßt die bebende Versammlung, Dusch. 2) Etwas kurz zusammen fassen, es mit wenig Worten vortragen. Damit ich es kurz fasse. Auch als ein Reciprocum, sich kurz fassen, sich der Kürze in Worten befleißigen. 3) Aufmerksam durch die Sinne empfinden, im Hochdeutschen nur noch von den Augen. Etwas in die Augen fassen, es aufmerksam sehen und im Gesichte zu behalten suchen. Einen Hasen fassen, scharf auf ihn zielen.


Er zielt und faßt den Pilger wohl,

Gell.


Von andern Sinnen ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich, ob es gleich noch 2 Mos. 15, 26 heißt zu Ohren fassen. 4) Etwas zu Herzen fassen, es zu Herzen nehmen, es seinem Gemüthe einprägen, es zu Erregung seiner Empfindungen dienen lassen. Gott wirds zu Herzen fassen, Gell. 5) Mit dem Gedächtnisse fassen und behalten, seinem Gedächtnisse einprägen. Der Knabe hat es geschwinde gefaßt. 6) Noch mehr, mit dem Verstande begreifen, seinen Gründen nach einsehen. Sie haben mich nicht recht gefaßt, nicht recht verstanden. Nun faß ich was du sagst, Schleg. Das ist mir zu hoch, ich kann es nicht fassen, nicht begreifen. 7) In sich entstehen lassen. Einen Anschlag, einen Vorsatz fassen. Um dich zu beruhigen, habe ich diesen Entschluß gefasset. Muth fassen, ein Herz fassen. Einen Haß, Unwillen wider jemanden fassen. Ich habe eine große Neigung, viele Liebe gegen ihn gefaßt. 8) Sich fassen, sich seiner bewußt werden, von einer Zerstreuung, von einer Leidenschaft wieder zu sich selbst kommen, seine Gedanken sammeln. Fassen sie sich doch. Er kann sich noch nicht fassen, sich noch nicht begreifen. Er konnte sich vor Lachen kaum fassen. Sich in Geduld fassen. Eine erschütterte Seele hat der Einsamkeit vonnöthen, sich wieder zu fassen. 9) Zubereiten; in welchen Verstande aber nur das Mittelwort gefaßt in Gestalt eines Adverbii üblich ist. Sich[53] auf etwas gefaßt halten, machen. Auf etwas gefaßt seyn. Sich zur Reise gefaßt machen. Wenn man sich auf die Schaubühne der Welt wagt, so muß man sich auch auf ihre Abwechselungen gefaßt halten. Ich bin auf alle Fälle gefaßt. Schon bey dem Ottfried bedeutet fazzon zubereiten, und sih fazzon, sich zubereiten.

Daher die Fassung, S. hernach besonders.

Anm. Dieses Zeitwort lautet im Nieders. faten, im Holländ. vatten, im Dän. fade und fatte, im Schwed. fatta. Es ist das Intensivum von dem Zeitworte fahen, Schwedischen fă, und hat seine meisten figürlichen Bedeutungen von dem Lat. capere entlehnet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 53-54.
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