Fehm (1), die

[77] 1. Die Fēhm, plur. die -en, eine alte Sächsische Benennung des Blutbannes, des Halsgerichtes, oder der peinlichen Gerichtsbarkeit, deren Ausübung und des Gerichtes, welches sie ausübet. Besonders einer Art ehemahliger peinlicher Gerichte in Westphalen, welche inquisitorisch verfuhren, und sich durch ihre Strenge und nachmahligen Mißbräuche durch ganz Deutschland furchtbar und verhaßt machten, bis sie endlich im 15ten Jahrhunderte eingeschränkt, und im sechzehnten völlig abgeschaffet wurden. Weil die überall vertheilten Schöppen dieser Gerichte größten Theils unbekannt waren, ihre ganze Art zu verfahren auch sehr geheim gehalten wurde, so führeten sie auch den Nahmen der heimlichen Gerichte, sonst aber auch der Freystühle, der Freygerichte, der Fehmdinge, Freygedinge, der Westphälischen Gerichte u.s.f. Der ehemahligen gemeinen Meinung zu Folge soll Carl der Große diese Gerichte als eine Art der Inquisition wider die neu bekehrten und zum Abfalle geneigten Sachsen errichtet haben; welches aber von vielen mit Gründen bestritten worden. Übrigens lautete dieses Wort auch Vehm, Feim, Fein;[77] eine Sache, welche für dieses Gericht gehörete, wurde eine Fehmsache, Fehmwroge, Fehmrüge, der Richter Fehmer oder Feimer, Freygraf, die Beysitzer Fehmschöppen, Freyschöppen, und die daselbst üblichen Rechte und Gewohnheiten das Fehmrecht genannt.

Anm. Man hat eine Menge wunderlicher Ableitungen dieses Wortes, worunter immer eine an Unwahrscheinlichkeit und Ungereimtheit von der andern übertroffen wird. Frisch lässet den Nahmen dieses Gerichtes von der Zahl fünf abstammen, weil diese Gerichte mit so vielen Richtern besetzet gewesen; zumahl da fünf, im Salischen Gesetze fimmiha, im Schwed. fem und Isländ. fimm lautet, es auch noch jetzt an mehrern Orten Gerichte und Collegia gibt, die von der Zahl ihrer Glieder Fünfergerichte genannt werden. In der Schwedischen Provinz Ostgothland war ehedem gleichfalls ein Gericht, welches Femt hieß, weil die Ladungen vor dasselbe, wie Ihre will, von fünf zu fünf Tagen gingen. Allein da sich in der Geschichte der Fehmgerichte nirgends eine Zahl fünf finden will, diese Zahl auch im Niedersächsischen beständig five heißt, so fällt auch diese Ableitung weg. Wer eine bessere finden will, muß erwägen, 1) daß dieser Ausdruck ein altes Sächsisches Wort ist, folglich nur in dieser Mundart aufgesucht werden kann. 2) Daß er nicht ein eigenthümlicher Nahme der heimlichen Westphälischen Gerichte, sondern eine allgemeine Benennung der peinlichen Gerichtsbarkeit und deren Ausübung ist, wie unter andern auch aus dem Worte Fehmstätte erhellet. 3) Daß verfehmen in Sachsen ehedem verbannen bedeutete, und alsdann ein Synonimum von verfähren war, so wie die Fahre oder Vara gleichfalls als eine besondere Art der Fehmgerichte bekannt ist, (S. 2 Fahren.) Alsdann wird man die Ableitung dieses Wortes von fahen, welches im Niedersächsischen in mehrern Zweigen ein m annimmt, (S. Faden und das folgende,) vielleicht schicklicher finden, als Wachters Herleitung von dem Schwed. im Deutschen aber unbekannten fimur, schnell, flüchtig. Fehm könnte also im Nieders. auf eben die Art von fahen gebildet seyn, wie das Oberdeutsche Bann von binden.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 77-78.
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