Fern

[112] Fêrn, -er, -este, adj. et adv. entfernt, von Dingen, zwischen welchen ein beträchtlicher Zwischenraum befindlich ist.

1. Eigentlich, dem Raume nach, entfernt, entlegen. Aus fernen Landen kommen, 5 Mos. 29, 22. Eine ferne Reise, nach einem entfernten Orte. Die ferne Klippe brüllt, Kleist. Die Bienen flogen fröhlich aus von ihrer fernen Wohnstatt, Geßn.


Sie (die Älster) wollte von des Sperlings Glücke

Nicht bloß ein ferner Zeuge seyn,

Gell.


Noch mehr als ein Umstandswort. Weil der Weg so fern ist, 5 Mos. 19, 6. Er zog fern über Land, Luc. 15, 13. Herr, warum trittst du so fern? Ps. 10, 1. Er saß zu fern, als daß er es hätte hören können. Ingleichen mit dem Vorworte von. Fern von der Stadt. Du bist fern vom rechten Wege. Fern davon ist gut vor dem Schusse.


Dann mußt du fern von mir der Herde Furcht erwecken,

Haged.


Zuweilen auch mit der dritten Endung der Person. Die Sache ist mir zu fern, ich kann sie nicht erkennen. Ingleichen von fern, von oder aus einem entlegenen Orte, von weiten. Ich sehe es von fern. Von fern stehen, treten, sitzen. Man höret ihn schon von fern. Gott sah sie fern, für von fern, Klopst. ist eben so unrichtig, als, hoch steht dein Wipfel empor, es sieht ihn fernher der Hirt, Geßn. und, der Fromme der[112] fernher zu deinem Tempel geht, ebend. ungewöhnlich ist. Dieses Umstandswort von fern ausgenommen, wird fern in dieser eigentlichen Bedeutung mehr im Oberdeutschen, als im Hochdeutschen gebraucht, wo es nur noch in der edlen und höhern Schreibart vorkommt. In der gewöhnlichen Schreib- und Sprechart ist dafür weit üblicher.

Im Oberdeutschen kommt in dieser Bedeutung auch zuweilen der Comparativ, doch nur als ein Adverbium, für weiter, vor. Allein, daß ihr nicht ferner ziehet, 2 Mos. 8, 28. Darnach wich Abraham ferner, und zog u.s.f. 1 Mos. 12, 9. Niemand soll in der Stadt ferner bauen, als sein Grund und Boden gehet, Nürnb. Reformat. Siehe Ferner hernach besonders.

2. Figürlich. 1) Der Zeit nach, besonders im Oberdeutschen und der edlern Schreibart der Hochdeutschen. Sondern hast noch von fernem Zukünftigen geredet, 2 Sam. 7, 19. Am häufigsten in der Gestalt eines Adverbii. Die Stunde ist nicht mehr fern, in der diese Hütte zerfallen wird. Wie fern ist noch die angenehme Zeit, da ich dich sehen werde! Bange unglückliche Stunde, o sey noch fern, erscheine nie! 2) Der Neigung, dem Gemüthe, seiner Beschaffenheit nach, in der edlern Schreibart der Hochdeutschen und in Gestalt eines Adverbii. Sey fern von falschen Sachen, 2 Mos. 23, 7. Dieser Gedanke ist sehr fern von mir. Besonders in den R.A. Es sey fern, und das sey fern. Es sey fern, daß ich dich dessen beschuldigen sollte, ich bin gar nicht Willens, dich dessen zu beschuldigen. Du glaubst, ich suche dein Unglück, aber das sey fern von mir. In der höhern Schreibart auch in der Gestalt einer Interjection. Fern von uns jene schreckliche Moral, welche die Begierde zu gefallen in die Reihe der Laster setzt! Hierher gehöret 3) auch der Gebrauch, da dieses Adverbium mit den Partikeln da, wo, so und wie in Gestalt eines Bindewortes üblich ist. Dafern, und wofern, für wenn, eine Bedingung anzuzeigen, S. beyde Wörter an ihrem Orte. So fern oder in so fern, gebraucht man als ein bestimmendes Bindewort, wenn man von einer oder der andern Eigenschaft einer Sache etwas behauptet. Ich ertrage ihn, so fern er ein ehrlicher Mann ist, d.i. bloß in der Rücksicht, weil u.s.f. Die Erfahrung ist oft der stärkste und deutlichste Beweis der Wahrheit, und in so fern auch ein Zuwachs der Vernunft, Gell. Ich betrachte den menschlichen Körper hier nur in so fern, als er eine zu gewissen Verrichtungen bestimmte Maschine ist. Die Laster haben nur in so fern Gewalt über den Menschen, als er sich unter den Adel seines Wesens erniedriget. Oft stehet dieses Bindewort zwey Mahl, und alsdann bedeutet das letztere in solcher Rücksicht. So fern du ein Mensch bist, in so fern darfst du dich der Thränen nicht schämen. Oft stehet so fern nur für das bloße wenn. So fern es dir gefällt, wollen wir gehen. So fern du mich nicht verräthst, werde ich mein Wort halten. Man kann die natürliche Neigung zu gefallen, nicht genug ausbilden, in so fern man ihr eine gute Richtung gibt. Aber für bis hierher, so fern hat Jeremia geredt, Jer. 51, 64, ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich. Eben so verhält es sich mit wie fern, und in wie fern, nur daß dieses in einer fragenden und ungewissen Rede seinen Platz findet. Ich fragte ihn, wie fern, oder in wie fern, ich mich darauf verlassen könnte. Ich sehe nicht ein, in wie fern ich dabey meine Sicherheit haben könnte.

Es fraget sich, ob man diese Partikeln mit dem Nebenworte fern zusammen ziehen, und sie als Ein Wort schreiben müsse. Da und wo haben diese Zusammenziehung nicht nur mit fern, sondern mit vielen andern bereits hergebracht. Daher schreibt man eben so richtig dafern und wofern, als dahin, davon, dabey,[113] daneben, wobey, wohin, woraus u.s.f. Allein so und wie werden mit den Partikeln, denen sie sich beygesellen, niemahls zusammen gezogen. Da man nun nicht schreibt sooft, wiesehr, sogroß, wiegut, sondern getheilt, so oft u.s.f. so kann man auch nicht sofern, insofern, wiefern und inwiefern schreiben.

Anm. Fern, lautet bey dem Kero fer, fern, bey dem Ottfried ferro, ferron, und bey spätern Oberdeutschen Schriftstellern ferr, fer, fers und ferren. In allen Landen weyt und ferren, H. Sachs. So fers euch gefält, so u.s.f. Theuerd. Kap. 30. Es ist ein Hirsch von hin nit ferr, Kap. 33. So fer das ich ein Jeger hab, Kap. 49, wenn ich nur einen Jäger habe. Aus ferren Landen weit, Kap. 77. Ferren braucht noch Opitz. Von fern lautet bey dem Tatian ferrano, und bey dem Notker ferrenan, und das sey fern, bey dem Ottfried daz fer si. Ehedem bedeutete es auch viel. Der Mon ist verr kleiner als die Sunn, Buch der Natur, Augsb. 1483; so wie man noch das Nebenwort weit gebraucht. Im Nieders. lautet dieses Bey- und Nebenwort feer, ferr, fern, feeren, feern, im Schwed. fjär, fjärre, fjärran, bey dem Ulphilas fairra, im Angels. feor, im Engl. far, womit das Griech. πορρω, fern, und das Lat. porro, ferner, überein kommt. S. auch Fernig und Firn. Ohne Zweifel gehöret dieses Wort zu der Präposition vor und mit derselben zu dem Geschlechte des Zeitwortes fahren. Fern gehöret nicht zu denjenigen Wörtern, welche am Ende das e des Wohllautes bedürften, daher ferne und von ferne fehlerhaft sind. Allenfalls ließe sich diese verlängerte Form am Ende eines Satzes entschuldigen, die harte Einsylbigkeit zu vermeiden. Man höret ihn schon von ferne.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 112-114.
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