Fistel, die

[174] Die Fistel, plur. die -n, ein aus dem Latein. Fistula, eine Röhre, gebildetes Wort, welches im Deutschen besonders in einer doppelten Bedeutung üblich ist. 1) Durch die Fistel singen, in der Musik, eine Stimme erzwingen, die man nicht von Natur hat; wenn z.B. eine erwachsene Mannsperson, deren natürliche Stimme der Baß ist, den Alt oder Discant zu singen unternimmt, welches man auch fistuliren, und eine solche erzwungene Stimme auch das Falsett, oder die Falsett-Stimme zu nennen pflegt, S. dieses Wort. Entweder von Fistula, die Luftröhre, oder auch so fern dieses Wort eine Pfeife bedeutet, wegen der Ähnlichkeit einer solchen erzwungenen Stimme mit dem Klange einer Pfeife. 2) Bey den Ärzten, ein verhärtetes tiefes Geschwür, welches einen engen Eingang hat, und aus langen und harten Höhlen oder Röhren (fistulis) bestehet; ein Röhrgeschwür, Hohlgeschwür, fistulirter Schade, Griech. Συριγξ. Eine einfache Fistel, wenn sie nur Eine Höhle hat. Eine zusammen gesetzte Fistel, wenn sie deren mehrere hat. S. Gesäßfistel, Thränenfistel. Bey dem Pictorius bedeutet Fistel oder Fissel das kleine Geschwür am Auge, welches unter dem Nahmen des Gerstenkornes bekannt ist.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 174.
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