Gebären

[443] Gebären, verb. irreg. act. ich gebäre, du gebierst, oder gebärst, er gebiert, oder gebärt; Imperf. ich gebar; Mittelw. geboren; Imperat. gebäre. 1) Eigentlich, Junge zur Welt bringen, von dem weiblichen Geschlechte aller Thiere in der edlen Schreibart. Wenn die Gemsen auf den Felsen gebären, Hiob 39, 1. Die Hirsche beugen sich, wenn sie gebären, B. 3.[443] Am häufigsten und eigentlichsten von Menschen. Sie hat einen Sohn geboren. Ein Prinz, der zu Kron und Zepter geboren ist. Ein geborner Deutscher, der in Deutschland geboren, oder von Deutschen Ältern gezeuget worden. Ein geborner von Adel. Er ist taub, stumm geboren. 2) Figürlich, die Ursache einer damit verknüpften Folge seyn, in der edlen Schreibart. Du weißest, daß sie (die thörichten Fragen) nur Zank gebären, 2 Timoth. 2, 23. Die Lust, wenn sie empfangen hat, gebieret sie die Sünde, die Sünde aber – gebieret den Tod, Jac. 1, 15. Ihre verirrte Fantasie gebieret diese Schreckbilder.


Ich lobe deine Treu, die diesen Schmerz gebiert,

Schleg.


Anm. Dieses alte Wort lautet im Mittelw. im Isidor chiboran, bey dem Ottfried und Willeram geboren, im Infinit. bey dem Notker gibiran, perin, bey dem Ottfried beron, in Schwaben noch jetzt beran. Es bedeutete ehedem überhaupt machen, hervor bringen, und wurde hernach besonders von der Hervorbringung seines Gleichen von beyden Geschlechtern gebraucht. Bey dem Ottfried und andern kommt es mehrmahls für zeugen von dem Vater vor, und in eben diesem Verstande liest man auch 1 Chron. 2, 20: Hur gebahr Uri, Uri gebahr Bezaleel; ungeachtet es Jer. 30, 8 dem heutigen Sprachgebrauche nach ganz richtig heißt: aber forschet doch und sehet, ob ein Mannsbild gebähren möge? Von dem alten Infinit. biron rühret die noch jetzt übliche irreguläre Form im Präsenti her, du gebierst, er gebiert. Von einigen Oberdeutschen Schriftstellern wird es regulär gebraucht. Geperet steht für geboren in einer Österreich. Urkunde von 1440. Das Lat. parere, parare, und Hebr. ברא, creavit, sind mit diesem Worte genau verwandt, welches gleichfalls zu dem alten bären, tragen, gehöret. Gibiro heißt bey dem Notker, ich bringe Frucht, pirig fruchtbar, birigen fruchtbar machen, und bey dem Ottfried ist unbera unfruchtbar. S. Bahre. Das alte Barn, ein Sohn, Kind, welches schon bey dem Kero vorkommt, ist noch im Dänischen und Schwed. vorhanden. S. auch Geburt.

Von Thieren wird dieses Wort im Hochdeutschen, den bereits gedachten Fall der höhern Schreibart ausgenommen, nicht mehr gebraucht, indem man für diesen Fall andere Wörter hat. Von kleinern vierfüßigen Thieren sagt man im gemeinen Leben hecken, von größern werfen, von Schweinen faseln und ferkeln, von wilden Sauen frischen, von Ziegen zickeln, von Schafen lammen, von Kühen kalben, von Pferden füllen oder fohlen. Von Rehen, Hasen, Luchsen, Bären, Dachsen, Bibern und Ottern sagen die Jäger setzen, von Luchsen und Hunden wölfen, von Wölfen, Füchsen und Hunden werfen, von dem Wildbrete und Hunden auch ausschütten, von kleinern Raubthieren bringen, u.s.f.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 443-444.
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