Gestalten

[634] Gestalten, verb. reg. act. eine Gestalt geben; ein nur im Oberdeutschen übliches Zeitwort, wo es auch figürlich, für bilden, sittliche Gestalt geben, gebraucht wird. Die gestaltende Kraft des Samens. Die Seele gestaltet den Leib.


Er hat von freyer Hand gestaltet

Selbst ihrer aller Herzen hier,

Opitz.


[634] Im Hochdeutschen hat man von diesem Zeitworte nur das Mittelwort gestaltet beybehalten. Sie sind wie Statuen gestaltet, Gell. Ein wohl gestalteter, übel gestalteter Mensch. Im gemeinen Leben lautet dieses Mittelwort nur verkürzt gestalt, auf welche Art es häufig auch in der Deutschen Bibel vorkommt. Wie ist er gestalt? 1 Sam. 28, 14. Vergessen, wie man gestalt gewesen, Jac. 1, 24. Welche Form sich auch in ungestalt erhalten hat. Bey so gestalten Sachen, so gestaltig, und so gestalten Dingen nach, sind Blumen Oberdeutscher Kanzelleyen; so wie die Hauptwörter Gestaltung und Gestaltniß, und das Bindewort gestaltsam, für weil, indem, gleichfalls nur in dieser Mundart üblich sind.

Anm. Ein wol gestellet kinne, für ein wohl gestaltetes Kinn, kommt noch bey einem der Schwäbischen Dichter vor, und die Winsbeckinn sagt schon gestalt für gestaltet. In einigen Oberdeutschen Gegenden kennet man auch das Neutrum stalten, vorstellen. Die Schnur staltet eine Kettenlinie.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 634-635.
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