Gestrenge

[638] Gestrênge, -r, -ste, adj. et adv. für das einfache strenge, mit der müßigen Verlängerung. 1) In dessen gewöhnlichsten Bedeutungen. Die Welt ist ein scharfsichtiger und gestrenger Richter. Dasselb Wetter was gestreng und hart, Theuerd. Kap. 72. 2) Fest, haltbar, stark, im Oberdeutschen. Ein Dorf dadurch ein gestrenger (fester) Paß von Zürch nach Winterthur ist, Bluntschli.


Er hat nicht Lust an Rosses Stärke,

Nicht an des strengen Mannes Beinen,

Opitz Ps. 147.


Ein starker Gott heißt im Isidor Got strengi, und stärken im Tatian strengisan. Ingleichen tapfer; in welcher im Hochdeutschen gleichfalls veralteten Bedeutung es ehedem, da die Tapferkeit noch eine nöthige Eigenschaft des Adels war, ein Ehrentitel war, der dem Adel so wohl männlichen als weiblichen Geschlechtes gegeben wurde, und in einigen Oberdeutschen Gegenden demselben noch jetzt gegeben wird, wo ihn auch Doctores und andere Personen bekommen, deren Würde man dem Adel gleich schätzet. Gestrenger Herr, gestrenge Frau. Ingleichen im Abstracto, Ew. Gestrengen. Mit dem Anfange des 16ten Jahrhundertes fing dieser Titel in vielen Gegenden an zu veralten. In dem alten Fragmente von Carls Krieg wider die Saracenen[638] bey dem Schilter bedeutet strang gleichfalls tapfer. Es kommt in dieser Bedeutung, mit dem Lat. strenuus genau überein, woraus aber noch nicht folget, daß es aus demselben gebildet worden. S. Strenge. Im Engl. ist strong, im Angels. strang und strec, (S. Stark,) im Schwed. streng, im Griech. σρƞνƞς, und im Isländ. und Altschwed. ohne Zischlaut dreng, gleichfalls stark und tapfer. Wilhelm der Eroberer legte zu Anfange des eilften Jahrhundertes einigen treuen Engländischen Familien ausdrücklich den Ehrentitel drenges bey. S. Ihre Glossar. v. Dreng.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 638-639.
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