Gleißen (2)

[719] 2. Gleißen, verb. reg. welches im Hochdeutschen wenig bekannt ist. 1) Active, verstellter Weise, durch Verstellung, nachahmen. Er gleißet einen Traurigen, er stellet sich traurig. Die Soldaten gleißeten die Flucht, stelleten sich als flöhen sie. 2) Als ein Neutrum, den Schein einer guten Sache haben. Gleißende Worte, gleißende Reden, Zach. heuchlerische, verstellte Worte und Reden.


Heißt Gleißen Frömmigkeit und Andacht Heucheley,

Hall.


Anm. Es ist nur um der folgenden abgeleiteten Wörter willen zu merken. Man könnte es füglich als eine Figur des vorigen Zeitwortes ansehen, wenn es nicht unläugbar von gleich abstammete und eigentlich gleichsen lautete, welche Gestalt es im Oberdeutschen auch noch hat, woraus die Hochdeutschen mit Ausstoßung des Hauches gleißen, Gleißner u.s.f. gebildet haben. Gleichsnen, gleichsen bedeutet im Pictorius sich verstellen, und vergleichsnen verhehlen. Im Isidor ist Chiliihsamo die Verstellung, und bey dem Kero Lihhisarro, bey dem Ottfried Lichicera, in Tatian Lihhizar, und bey dem Notker Kelihseara, Lihhisar, ein Heuchler, Gleißner. Daß aber das ch schon sehr frühe ausgestoßen worden, erhellet aus dem leisan und kileisinen, welches bey dem Kero in weiterer Bedeutung nachahmen bedeutet, wie auch aus dem Angels. glesan, Engl. to glose, schmeicheln. Im Oberdeutschen ist für gleißen auch gleimen und leimen, und für Gleißner auch Gleimer, Leimer üblich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 719.
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